Ergotamin
Synonyme: Ergotamintartrat u.a.
Handelsnamen: Ergo-Kranit® Migräne u.a.
Englisch: ergotamine
Definition
Ergotamin ist ein Arzneistoff und Toxin, das zum Peptid-Typ der Mutterkornalkaloide zählt.
Wirkmechanismus
Ergotamin hat wie andere Secalealkaloide eine strukturelle Ähnlichkeit mit verschiedenen Neurotransmittern (z.B. Serotonin, Dopamin) und bindet daher an deren Rezeptoren als Agonist oder Partialagonist bzw. Partialantagonist.
Die Wirkung von Ergotamin erklärt sich durch die Stimulierung der α1- und α2-Adrenozeptoren. Die Folge ist eine Vasokonstriktion v.a. der Kapazitätsgefäße und dilatierter Arteriolen. Außerdem bewirkt Ergotamin eine Uteruskontraktion und eine verminderte Schmerzwahrnehmung.
Ergotamin besitzt auch eine agonistische Wirkung an Serotonin- und Dopaminrezeptoren. Dies erklärt eine emetogene Wirkung aber auch das seltene Auftreten von fibrotischen und serösen entzündlichen Erkrankungen.
Pharmakokinetik
Ergotamin weist eine Bioverfügbarkeit von weniger als 1 % auf. Die Plasmahalbwertszeit beträgt durchschnittlich zwei Stunden, die Wirkdauer bis zu 3 Tage. Die Metabolisierung erfolgt hepatisch. Der Wirkstoff wird zu 90 % biliär eliminiert.
Indikationen
Ergotamin ist im Rahmen der Therapie von Kopfschmerzen bei akuten Migräneanfällen indiziert, wenn sie gegenüber anderen Therapieoptionen refraktär sind bzw. andere Therapieoptionen kontraindiziert sind. Auch zur Kurzzeitprophylaxe des Cluster-Kopfschmerzes kann Ergotamin eingesetzt werden.
Aufgrund den Nebenwirkungprofils wird Ergotamin in aktuellen Leitlinien nur als Reservemittel empfohlen.
Applikationsform
Das Arzneimittel wird in Form von Tabletten appliziert.
Nebenwirkungen
- Störungen des Gastrointestinaltrakts: Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe
- Allergische Hautreaktionen: Juckreiz, Ödeme
- periphere Durchblutungsstörungen mit Parästhesien, Raynaud-Syndrom, Myalgien bis hin zu ischämischen Nekrosen
- koronare Durchblutungsstörungen bis hin zu Angina pectoris oder Herzrhythmusstörungen (Tachykardie, Bradykardie)
- orthostatische Dysregulation
- medikamenteninduzierter Kopfschmerz: induziert durch Übergebrauch von Ergotamin (Kopfschmerz an ≥ 15 Tagen/Monat bei vorbestehender primärer Kopfschmerzerkrankung durch Einnahme von Ergotamin an ≥ 10 Tagen/Monat für mehr als 3 Monate)
- medikamenteninduzierte Fibrosen: Morbus Ormond, Pleurafibrose, Lungenfibrose, Perikarditis, Perikarderguss, Herzklappenfibrose
Kontraindikationen
- Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff bzw. anderen Mutterkornalkaloiden
- ischämische Gefäßerkrankungen
- schwere Koronarinsuffizienz
- Hypertonie
- Schwangerschaft, Stillzeit
- schwere Leber- und Nierenfunktionsstörungen
- Thyreotoxikose
- Phäochromozytom
- Sepsis
- vorbestehende Fibrosen an Lunge, Perikard oder retroperitoneal
- Kinder und Jugendliche < 16. Lj
- Personen älter 65 Jahre
Intoxikation
Bei Überdosierung treten unerwünschte Arzneimittelwirkungen (siehe oben) zunächst verstärkt auf. Bei einer akuten Intoxikation kommt es zu Benommenheit, Kopfschmerzen und Verwirrtheit. Der Tod kann durch Atemstillstand oder Kreislaufversagen eintreten.
Zeichen einer chronischen Intoxikation sind Krämpfe, zentralnervöse Störungen, Persönlichkeitsveränderungen sowie schmerzhafte arterielle Durchblutungsstörungen, unter Umständen auch mit Gangrän. Gegenmaßnahmen sind das Absetzen des Arzneistoffs, resorptionsvermindernde Maßnahmen (im Akutfall z.B. Aktivkohle) sowie die Applikation von Nitraten, Calciumantagonisten und/oder Prostaglandininfusionen zum Zwecke der Vasodilatation.
siehe auch: Ergotismus
Literatur
- Hartke & Mutschler (Hrsg.): Deutsches Arzneibuch, 9. Ausgabe 1986, Kommentar Band 2, Monographien A-L. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart/ Govi-Verlag GmbH, Frankfurt.