Zahnfraktur (Pferd)
Englisch: fractured tooth, tooth fracture
Definition
Als Zahnfraktur bezeichnet man einen Kontinuitätsverlust der Zahnhartsubstanz mit oder ohne Absprengung eines Zahnteils beim Pferd.
Ätiologie
Frakturen gesunder Zähnen treten vor allem im Bereich der Schneidezähne (Inisivi) aufgrund traumatischer Einwirkungen (z.B. Huftritte oder Sturz) auf. Backenzähne (Molare) hingegen frakturieren meist iatrogen infolge unsachgemäßem Instrumenteneinsatz von Spreizern, Meißeln, Extraktionszangen oder auch durch den fehlerhaften Einsatz eines Maulspreizers. Auch der Aufbiss auf einen harten Fremdkörper (z.B. Stein im Futter) kann bei vorgeschädigten Zähnen (z.B. Infundibularkaries) zu einer Fraktur führen.
Pathogenese
Je nach Frakturverlauf und Schweregrad entwickeln sich weitere Probleme für das Tier. Oberflächliche Frakturen bleiben meist ohne weitere Folgen und werden durch den kontinuierlichen Abrieb im Laufe der Zeit selbstständig beseitigt. Größe Substanzverluste hingegen können klinisch manifest werden. Zieht die Frakturlinie in eine Pulpa, in ein Infundibulum oder in eine Alveole (Zahnfach), führt dies oft zu endodontischen oder parodontischen Infektionen (Pulpitis oder Parodontitis). Infektionen in diesen Bereichen können sich nach apikal ausbreiten und sich zu einem periapikalen Abszess entwickeln.
Zusätzlich können sich Futterpartikel und Bakterien in die Alveole einspießen oder sich zwischen zwei Frakturstücken ansammeln und eine Alveolitis mit deutlichen Schmerzsymptomen verursachen.
Klinik
Traumatisch bedingte Frakturen der Schneidezähne werden häufig vom Besitzer selbst bemerkt. Betroffene Tiere fallen oftmals durch geringgradige Blutungen aus der Maulhöhle bzw. üblen Geruch bei länger bestehenden Frakturen auf.
Backenzahnfrakturen hingegen stellen häufig Zufallsbefunde dar, die im Rahmen der routinemäßigen Zahnkontrolle festgestellt werden. Bei oberflächlich verlaufenden Frakturen, die keine vitalen Strukturen (z.B. Pulpahöhle) betreffen, sind keine Symptome ausgebildet. Tiefe Frakturen jedoch können zu apikalen Abszessen mit unilateralen knöchernen Umfangsvermehrungen an den apikalen Zahnenden und Fistelbildung sowie sekundären Sinusitiden führen. Diese Pferde zeigen purulenten, kariös riechenden und einseitigen Nasenausfluss. Zusätzlich können Wickelkauen (aufgenommenes Heu fällt aufgrund fehlerhafter Kaumechanik in gewickelter Form wieder aus dem Maul), Foetor ex ore und seltener auch Gewichtsverlust auftreten. Oftmals sind Pferde nur reitunwillig oder lassen sich auf einer Seite schlechter reiten.
Bei länger bestehenden Fakturen eines Backenzahns ist der Antagonist häufig aufgrund des fehlenden oder ungenügenden Abriebs deutlich länger.
Diagnose
Frakturen an den Schneidezähnen lassen sich adspektorisch leicht diagnostizieren. Je nach Ausprägung fehlen Kronenteile oder auch die gesamte Krone fehlen oder der Zahn ist der Länge nach gespalten.
Backenzahnfrakturen werden im Rahmen einer sorgfältigen Maulhöhlenuntersuchung festgestellt. Am häufigsten kommen Längsfrakturen vor. Zwischen die Zahnfragmente sowie zwischen Alveole und Zahnfleisch schieben sich übelriechende Futterreste, die schnell erkannt werden. Bei der Untersuchung muss jeder Zahn mittels Spiegel oder Endoskop okklusal, bukkal und lingual bzw. palatinal untersucht werden. Mithilfe von Röntgen- oder Computertomographieuntersuchungen können das gesamte Ausmaß der Fraktur und sekundäre Veränderungen (z.B. dentogene Sinusitis) sichtbar gemacht werden.
Therapie
Die Therapie hängt von der Art der Fraktur und der Lokalisation des betroffenen Zahnes ab.
Extraalveoläre Schneidezahnfrakturen können mit guter Prognose einer erhaltenden Therapie einschließlich Füllung unterzogen werden. Dem gegenüber steht die Extraktion oder Expulsion des betroffenen Zahnes. Unkomplizierte Kronenfrakturen ohne Pulpenbeteiligung können durch eine Fragmententfernung und vorsichtiges Einschleifen der verbleibenden Zahnkrone behandelt werden. Kronenfrakturen mit Beteiligung der Pulpa können in Abhängigkeit von der Dauer der bereits bestehenden Verletzung und unter Sicherstellung der Vitalität der Pulpa mittels Überkappung oder Vitalamputation zahnerhaltend therapiert werden. Intraalveoläre Frakturen müssen extrahiert werden, um Fistelbildungen zu verhindern.
Oberflächliche Kronenteilfrakturen im Backenzahnbereich (ohne klinische Symptome) müssen lediglich beschliffen werden, um scharfe Zahnkanten zu vermeiden. Zähne mit tief reichenden primären oder sekundären Längsfrakturen müssen stets entfernt werden, da sich sonst eine aszendierende Pulpitis oder Parodontitis bei Deviation einer Frakturhälfte mit Futtereinkeilung und konsekutiver Osteolyse entwickelt. Bei extrahierten Backenzähnen muss halbjährlich eine Kontrolle und Beschleifen der Zähne durchgeführt werden, da ein übermäßiges Längenwachstum des Antagonisten zu erwarten ist.
Literatur
- Brehm W, Gehlen H, Ohnesorge B, Wehrend A, Hrsg. 2017. 4. Auflage. Handbuch Pferdepraxis. Stuttgart: Enke Verlag in Georg Thime Verlag KG.
- Simon T, Herold I. 2009. Praxisleitfaden der Zahn- und Kiefererkrankungen des Pferdes. 1. Auflage. Stuttgart: Parey in MVS Medizinverlaug Stuttgart GmbH & Co. KG.
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- Dixon PM, Barakzai SZ, Collins NM, Yates J. 2007. Equine idiopathic cheek teeth fractures: part 3: a hospital-based survey of 68 referred horses (1999-2005). Equine Vet J 39(4):327–332.
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