Vitrifikation
von lateinisch: vitreum - Glas
Synonym: Vitrifizierung
Englisch: vitrification
Definition
Vitrifikation bezeichnet die physikalisch direkte Umwandlung einer Flüssigkeit in ein nicht-kristallines, amorphes Material durch Erhöhung der Viskosität. Gewährleistet wird dies durch einen ultra-schnellen Abkühlprozess. Vitrifikationsverfahren werden eingesetzt bei Zellen und Geweben und spielen insbesondere eine Rolle bei der Kryokonservierung von Eizellen und Embryonen im Rahmen von reproduktionsmedizinischen Maßnahmen.
Hintergrund
Die Kryokonservierung stellt primär eine reproduktionsmedizinische Methode dar, bei der menschliche Zellen oder Gewebe funktionsfähig aufbewahrt werden können. Dabei sind spezielle kryoprotektive Lösungen sowie definierte Einfrierverfahren notwendig, damit die Zellen diesen Prozess sowie das spätere Auftauen ohne Vitalitätsverlust überleben. Beispielsweise können sich beim Einfrieren und Auftauen von Zellen Eiskristalle bilden, welche die Zelle schädigen.
Beim traditionellen langsamen Einfrieren (slow freezing) wird die Temperatur sehr langsam gesenkt und den Zellen durch Hinzugabe von Kryokonservierungsmittel intrazelluläres Wasser entzogen. Zunehmend wird dieses zeitintensive und weniger effiziente Verfahren durch die Vitrifikation ersetzt.
Methode
Bei der Vitrifikation (ultra-rapid freezing) wird den Zellen das intrazelluläre Wasser durch Zugabe bestimmter Lösungen entzogen. Zur Durchführung werden dabei neben flüssigem Stickstoff im Wesentlichen spezielle Vitrifikationslösungen und Trägermaterialien für die Proben benötigt. Charakteristisch für die Vitrifikation ist dabei, dass die Proben direkt aus einem flüssigen Zustand in einen amorphen, glasartigen Zustand überführt werden. Dadurch kann die Bildung von zellzerstörenden Eiskristallen verhindert werden. Die Vitrifikation stellt also eine eiskristallfreie Kryokonservierungstechnik dar. Im Vergleich zu "Slow-rate-freezing"-Protokollen benötigen "Ultra-rapid-freezing"-Protokolle in etwa nur 2– 10 min.
Die Vitrifikation basiert auf:
- hohen Kühlraten von über -2.500 °C/min
- hohen Konzentrationen an Vitrifikationslösung. Es wird dabei meist eine Mixtur aus 2 Kryoprotektoren verwendet, um die spezifische Toxizität zu reduzieren. Meist kommt eine Kombination aus Dimethylsulfoxid und Ethylenglykol zum Einsatz.
- kleine Volumina im Nanoliter-Bereich (minimal volume approach)
Bei der folgenden Erwärmung ist es zudem wichtig, dass die Erwärmungsrate an die Abkühlrate angepasst wird. Der Faktor "Erwärmungsrate:Abkühlrate" sollte den Wert 1,3 nicht unterschreiten. Ansonsten besteht die Gefahr, dass es während der Erwärmung zu einer Rekristallisation kommt.
Die Proben zeigen nach Vitrifikation sehr gute Überlebens- (90 %) und Entwicklungsraten (Schwangerschaftsraten nach In-vitro-Kultivierung und Embryotransfer).
Anwendung
Grundsätzlich können verschiedene Zellen oder Gewebe kryokonserviert werden, z.B.:
Besonders geeingnet erscheint die Vitrifikation für das Einfrieren von Metaphase-II-Eizellen und von Blastozysten. Die Vitrifikation ist im Rahmen der Kryokonservierung dieser Proben den herkömmlichen Protokollen überlegen.
Die Vitrifikation findet insbesondere Anwendung in der Fertilitätssicherung von Frauen und Männern, die sich z.B. einer Chemotherapie unterziehen, in der Behandlung von nicht-malignen Erkrankungen, welche die Fertilitätsreserve beinträchtigen oder bei einem drohenden Premature Ovarian Failure Syndrom (POF- Syndrom). Weiterhin kommt sie im Rahmen der In-vitro-Fertilisation zum Einsatz, z.B. bei drohendem ovariellem Hyperstimulationssyndrom, bei nicht-rezeptivem Endometrium, sowie bei uterinen Pathologien oder beim Vorhandensein von mehr als drei Embryonen.
Auch bei nicht-medizinischen Indikationen, wie z.B. beim Social Egg Freezing, wird die Vitrifikation angewendet.
Rechtliches
Die Kryokonservierung von menschlichen Embryonen nach dem sogenannten Vorkernstadium ist in Deutschland nur in bestimmten Ausnahmefällen erlaubt.
Literatur
- Montag, M. et al. Stellenwert der Vitrifikation in der Reproduktionsmedizin. Gynäkologische Endokrinologie [1] letzter Abruf am 16.10.2020
siehe auch: Embryonenschutzgesetz, Single Embryo Transfer
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