Transkranielle Pulsstimulation
Englisch: transcranial pulse stimulation
1. Definition
Bei der transkraniellen Pulsstimulation, kurz TPS, handelt es sich um ein Verfahren, das zu den sogenannten nichtinvasiven Hirnstimulationsmethoden (NIBS) zählt und experimentell zur Behandlung der Alzheimer-Demenz (AD) eingesetzt wird. Die Wirksamkeit der Methode ist derzeit (2024) nicht ausreichend belegt und daher umstritten. Sie wird nicht von neurologischen Fachgesellschaften empfohlen.[1]
nicht verwechseln mit: transkranielle Magnetstimulation (TMS)
2. Physikalische Grundlagen
Physikalisch basiert die TPS auf Stoßwellen, die über einen Generator niederenergetisch erzeugt und mittels Handapplikator transkraniell über dem zu behandelnden Hirnareal appliziert werden. Individuelle MRT-Schädelaufnahmen ermöglichen eine neuronavigierte Applikation der Stoßwellen. Die Stoßwellentechnologie wird seit den 1980er Jahren beispielsweise in der Nephrologie zur Behandlung von Nierensteinen eingesetzt (extrakorporale Stoßwellenlithotripsie).
3. Wirkmechanismus
Die Wirkrationale der TPS ist derzeit (2024) nur unvollständig geklärt und weitgehend spekulativ. Man nimmt an, dass es zu einer Umwandlung der physikalischen Signale in intrazelluläre molekulare Prozesse kommt, ein Vorgang, den man als Mechanotransduktion bezeichnet. Das soll zu einer vermehrten Expression von Wachstumsfaktoren wie VEGF führen, die das Wachstum neuer Blutgefäße und die neuronale Regeneration fördern.
4. Anwendungsgebiete
Erste klinische Studien gaben Hinweise darauf, dass die TPS zur Behandlung der AD zu einer Verbesserung bestimmter kognitiver Funktionen führen könnte, wie z.B. Gedächtnis, Konzentration und Exekutivfunktionen.[2][3][4][5][6][7][8][9][10]
Zusätzlich wurde auch eine Reduktion von depressiven Symptomen beobachtet.[11] Als weiteres Anwendungsgebiet wurden aus dem asiatischen Raum Berichte zur Behandlung von Patienten mit Autismus-Spektrum-Störung beschrieben.[12]
5. Wirksamkeit
Die Wirksamkeit der TPS ist derzeit (2024) wissenschaftlich nicht ausreichend untermauert, da es sich bei den oben genannten Studien zum überwiegenden Teil nicht um randomisierte Placebo-kontrollierte Studien handelt und die jeweilige Studienpopulation meist sehr klein ist. Zudem wurde ein wesentlicher Teil der verfügbaren Studien vom größten Hersteller der TPS-Geräte, der Fa. Storz Medical AG, finanziert bzw. gesponsort, was einen Bias der Ergebnisse verursacht haben könnte.[3][11]
6. Nebenwirkungen
Zu den am häufigsten berichteten Nebenwirkungen, die bislang systematisch erfasst wurden, zählen passagere Kopfschmerzen, Müdigkeit und Benommenheit.[13] Schwerwiegende unerwünschte Nebenwirkungen wurden in der Literatur bislang nicht beschrieben.
7. Kontraindikationen
Die TPS darf unter bestimmten Voraussetzungen nicht angewandt werden. Dazu zählen:
- Tumore im Gehirn und seinen Häuten
- Akut entzündliche Erkrankungen des Gehirns und seiner Häute
- Metallobjekte im Bereich des Schädels
- Herzschrittmacher
- Hämophilie
- Schwangerschaft
- systemische Kortikoid-Behandlung
- orale Antikoagulation
Die Einnahme von Thrombozytenfunktionshemmern ist relative Kontraindikation.
8. Kosten
Die TPS ist eine Selbstzahlerleistung. Die Kosten liegen etwa zwischen 2.000 und 3.000 Euro für 6 Sitzungen. Sie werden nicht von der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) übernommen.
9. Quellen
- ↑ Zu früh für die Regelversorgung: Transkranielle Pulsstimulation TPS bei Alzheimer 15. September 2022 Kritische Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung (DGKN) e.V., abgerufen am 31.10.2024
- ↑ Beisteiner et al. Transcranial Pulse Stimulation with Ultrasound in Alzheimer's Disease - A New Navigated Focal Brain Therapy. Adv. Sci. 7: 1902583. 2020
- ↑ 3,0 3,1 Matt et al. First evidence of long-term effects of Transcranial Pulsl Stimulation (TPS) on the human brain. J Transl Med. 20:26. 2022
- ↑ Cont et al. Retrospective real-world pilot data on Transcranial Pulse Stimulation in mild to severe Alzheimer's patients. Front. Neurol. 13. 2022
- ↑ Chen et al. Transcranial Pulse Stimulation in Alzheimer's disease. CNS Neurosci. Thr. 30(2): e14372. 2023
- ↑ Doerl et al. Functional Specifity of TPS Brain Stimulation Effects in Patients with Alzheimer's Disease: A Follow-up fMRI-Analysis. Research Gate. 11:1391-1398. 2022
- ↑ Popescu et al. Transcranial Ultrasound Pulse Stimulation reduces cortical atrophy in Alzheimer's patients: A follow-up study. Alzheimer's & Dementia Transl. Research and Clin. Interventions. 7(1): e12121. 2021
- ↑ Günes et al. Safety and efficacy of transcranial pulse stimulation in Alzheimer's disease. European Journal of Neurology. 31(S1): e16338. 2024
- ↑ Beisteiner et al. Ultrasound Neuromodulation as a New Brain Therapy. Adv. Sci. 10(14): 2205634. 2023
- ↑ Beisteiner et al. Transcranial Ultrasound Ready for Broad Clinical Application. Adv. Sci. 7(23): 2002026. 2020
- ↑ 11,0 11,1 Matt et al. Transcranial Pulse Stimulation improves Depression in AD patients in state-of-the-art treatment. Alzheimers dement. 8(1):e12245. 2022
- ↑ Cheung et al. Effects of transcranial pulse stimulation on autism spectrum disorder: a double-blind, randomized, sham-controlled trial. Brain Comm. 5(5):fcad226. 2023
- ↑ Radjenovic et al. Safety of Clinical Ultrasound Neuromodulation. Brain Sci. 12(10):1277. 2022