Redox-Titration
Synonym: Redox-Titrimetrie
Englisch: redox titration
Definition
Die Redox-Titration ist ein titrimetrisches Verfahren zur Gehaltsbestimmung von Substanzen, die oxidiert oder reduziert werden können.
Hintergrund
Für die Redox-Titration werden Oxidations- und Reduktionsvorgänge ("RedOx-Vorgänge") genutzt. Analog zur Säure-Base-Titration, bei der Protonen übertragen werden, überträgt man in diesem Fall Elektronen. Der Begriff "Oxidation" beschreibt eine Elektronenabgabe; die Reduktion ist dementsprechend die Elektronenaufnahme. Oxidationsmittel sind Substanzen, die einen anderen Stoff oxidieren können und Elektronen aufnehmen. Oxidationsmittel selbst werden also reduziert. Reduktionsmittel sind analog definiert. Oxidation und Reduktion laufen hierbei immer aneinander gekoppelt ab; handelt es sich hierbei um dieselbe chemische Verbindung, spricht man vom korrespondierenden Redoxpaar (z.B. 2I-<-- --> I2 + 2 e-)
Die Stärke eines Redoxpaares wird durch das Standardpotential gegeben (siehe Redoxpotential): Je größer das Potential ist, umso besser nimmt die Substanz Elektronen auf, d.h. ein umso besseres Oxidationsmittel ist sie. Ist die Differenz des Redoxpotentials des Reduktions- und Oxidationsmittels (elektromotorische Kraft, EMK =ΔE = E(Redm.) - E(Oxm.) positiv, läuft die Reaktion spontan ab und kann für eine Titration verwendet werden. Weitere Voraussetzungen sind, dass die Reaktionen vollständig, schnell und quantitativ ablaufen und die verwendeten Reagenzien eine ausreichende Stabilität aufweisen.
Die Konzentrationsabhängigkeit des Redoxpotentiales wird durch die Nernst-Gleichung beschrieben. Hiermit lassen sich die einzelnen Punkte der Titrationskurve berechnen. Das Äquivalentpotential berechnet sich als der stöchiometrisch gewichtete Mittelwert der Redoxpotentiale der Reaktionspartner.
Zur allgemeinen Durchführung und Theorie der Titrimetrie siehe Titration.
Arten an Redoxtitrationen
Je nach verwendeten Reagenzien (v.a. je nach verwendeter Maßlösung) können verschiedene Arten an Redoxtitrationen unterschieden werden.
Cerimetrie
Die Cerimetrie ist eine der am häufigsten verwendeten Titrationsverfahren. Cer4+-Ionen sind starke Oxidationsmittel, die ein Elektron aufnehmen und deren Redoxpotential vom Gegenion abhängig ist. Deshalb gibt es verschiedene Cer-Maßlösungen, z.B. Ammoniumcersulfat oder Ammoniumcernitrat-Lösungen.
Die Vorteile der Cerimetrie sind die hohe Titerbeständigkeit, d.h. eine hohe chemische Stabilität, die pH-Unabhängigkeit und ein eindeutiger Reaktionsverlauf. Die Titration erfolgt stets im Sauren, da im Basischen schwer lösliche Cer(IV)-salze ausfallen würden.
Iodometrie
Die Iodometrie kann vielseitig eingesetzt werden. Grund hierfür ist, dass sowohl Iod als auch Iodid als Reaktionspartner verwendet werden: Iod kann als mildes Oxidationsmittel für die Bestimmung reduzierender Substanzen verwendet werden, während Iodid als Reduktionsmittel für die Bestimmung oxidierender Substanzen dient. In welche Richtung die Reaktion des Redoxpaares abläuft, hängt vom Redoxpotential des Reaktionspartners und dem pH-Wert ab. Als Indikator wird Stärkelösung verwendet, die mit Iod bzw. dem I3--Ion eine tiefblaue Einschlussverbindung bildet.
Reduzierende Stoffe können direkt mit Iod bestimmt werden. Im Alkalischen bildet Iod Hypoiodit, das dann als oxidierendes Agens agiert. Oxidierende Stoffe werden mit einem Überschuss an Kaliumiodid versetzt, das zu Iod oxidiert wird. Das gebildete Iod wird anschließend mit einer Natriumthiosulfatlösung titriert ("Rücktitration"). In alkalischen Lösungen kann die Rücktitration nicht mit Thiosulfat erfolgen; deshalb wird in diesem Fall Natriumarsenit verwendet.
Diazotitration/Nitritometrie
Bei der Nitritometrie wird eine Natriumnitrit-Maßlösung verwendet. Sie dient der Bestimmung primärer aromatischer Amine (z.B. Sulfonamide) verwendet. In saurer Lösung reagiert Nitrit mit primären aromatischen Aminen zu Diazoniumsalzen (Diazo-Verbindungen); die Gegenwart von Bromid beschleunigt diese Reaktion durch die Bildung von Nitrosylbromid.
Die Endpunkterkennung erfolgt mit Indikatoren oder per biamperometrischer Endpunkterkennung. Bei dieser wird die Stromstärke gemessen und gegen den Titrationsgrad aufgetragen. Auch die potentiometrische Endpunkterkennung, bei der die Spannung gemessen wird, kann verwendet werden. Bis zum Äquivalenzpunkt wird Bromid durch die Reaktion zu Nitrosylbromid und das Diazoniumsalz beständig aus der Lösung entfernt. Ab dem Äquivalenzpunkt sind die primären Amine vollständig zu Diazoniumsalzen umgesetzt und das Nitrosylbromid wird nicht mehr verbraucht; als Folge steigt die Konzentration des nicht mehr verbrauchten Bromids an. Dies führt zu einem Anstieg der gemessenen Stromstärke.
Permanganometrie
Die Permanganometrie verwendet Kaliumpermanganat als Titrator, das ein starkes Oxidationsmittel ist. Im Sauren wird es zu Mn2+ reduziert; im Basischen zu Braunstein (MnO2), das als schwerlösliches Salz ausfällt. Nachteile der Permanganometrie sind, dass Kaliumpermanganat durch geringe Spuren an Braunstein autokatalytisch zersetzt wird und bei der Reduktion verschiedene Zwischenstufen gebildet werden können, deren Bildung lediglich langsam abläuft. Aus diesen Gründen wird die Permanganometrie nur selten eingesetzt.
Periodatometrie
Die Periodatometrie nutzt die Malaprade-Spaltung aus: Vicinale Diole werden von Periodat unter C-C-Bindungsspaltung zu den entsprechenden Carbonylverbindungen gespalten. Pro Glycolgruppe wird hierbei 1 mol Periodat verbraucht.
Die quantitative Auswertung erfolgt je nach gebildeter Verbindung: Wird Formaldehyd gebildet, bietet sich eine Bestimmung mit Chromotropsäure an; bildet sich Ameisensäure, kann diese mit einer Säure-Base-Titration bestimmt werden. Auch der Periodat-Verbrauch kann bestimmt werden. Hierbei wird parallel ein Blindversuch durchgeführt. Periodat wird per iodometrischer Rücktitration (s.o.) bestimmt.
Weitere Verfahren
- Die Bromatometrie, bei der Brom als Maßlösung verwendet wird, wird wegen der Giftigkeit des Broms heute (2023) kaum noch praktiziert. Eine Sonderform, die Koppeschaar-Titration, kann zur Bestimmung aktivierter Aromaten (v.a. Phenol und Anilin) verwendet werden
- Bei der Chromatometrie wird eine oxidierende Kaliumdichromat-Maßlösung verwendet.
- Titanometrie, bei der eine reduzierende Titan(III)-Salzlösungen als Maßlösung verwendet werden. NAchteil ist die geringe Titerbeständigkeit.
- Ferrometrie, bei der Eisen(II)sulfat als Maßlösung verwendet wird. Nachteil ist die Oxidationsempfindlichkeit des Eisens schon an Luftsauerstoff.
Häufig verwendete Reagenzien
Urtiter
Urtiter dienen der Einstellung des Titers der Maßlösung. In der Redoxtitration werden folgende Verbindungen verwendet:
Maßlösungen
Maßlösungen sind die Lösungen, mit denen der Titrand titriert wird. In der Redoxtitration werden v.a. folgende Maßlösungen verwendet:
- Ammoniumcer(IV)-sulfat- und Ammonium(IV)-nitratlösung
- Ammoniumeisen(III)-sulfatlösung
- Bromid-Bromat-Lösung
- Iodlösung
- Kaliumiodatlösung
- Kaliumdichromatlösung
- Kaliumpermanganatlösung
- Kaliumbromatlösung
- Natriumthiosulfatlösung
Indikatoren
Redox-Indikatoren sind Verbindungen, deren oxidierte bzw. reduzierte Form eine andere Farbe aufweisen. Wenn der Äquivalenzpunkt der Titration erreicht ist und alle Moleküle des Titranden reagiert haben, wird der Indikator oxidiert bzw. reduziert und ändert seine Farbe.
Die Auswahl des Indikators richtet sich nach dessen Reduktionspotentiales im Verhältnis zu dem des Analyten: Der Indikator sollte so gewählt werden, dass zunächst der Analyt, und erst dann der Indikator reagiert. Diese Abschätzung erfolgt über die EMK (siehe oben).
Verwendete Indikatoren sind:
- Ferroin (Komplex aus Fe2+ und drei Molekülen Phenanthrolin)
- Diphenylamin
- Ferrocyphen
- Methylenblau
- Methylrot
Die zwei folgenden Indikatoren reagieren irreversibel
- Tropäolin (Verwendung bei der Diazotitration)
- Ethoxychrysoidin
Literatur
- Eberhard Ehlers: Analytik II - Kurzlehrbuch quantitative und instrumentelle pharmazeutische Analytik, Deutscher Apotheker Verlag Stuttgart, 2002, 10. Auflage
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