Plica vestibularis
Synonyme: Taschenfalte, "falsche" Stimmlippe
Englisch: vestibular fold
Definition
Die Plica vestibularis ist eine paarige Gewebefalte im Bereich des Kehlkopfes (Larynx), die durch das Ligamentum vestibulare aufgeworfen wird und die Rima vestibuli begrenzt.
Anatomie
Die beiden Plicae vestibulares liegen unmittelbar oberhalb der Stimmlippen (Plicae vocales). Sie können bei der Laryngoskopie mit letzteren verwechselt werden und werden deshalb auch als "falsche" Stimmlippen bezeichnet. Die Plicae vestibulares trennen das Vestibulum laryngis (Supraglottis) vom unter ihm liegenden Ventriculus laryngis.
In den Plicae vestibulares befinden sich zahlreiche tubuloalveoläre, seromuköse Drüsen.
Physiologie
Durch die abwärtsgerichtete Innenwölbung bieten die Taschenfalten v.a. der ausströmenden Luft einen regulierenden Widerstand. Folglich sind sie ein Ausatem- bzw. Überdruckventil. Sie weisen jedoch keine wesentlichen Muskelstrukturen auf. Ihre Verengung basiert auf der Aktivität der umliegenden Muskeln (Gaumen-, Rachen- und Kehlkopfmuskulatur) sowie der exspiratorischen Atemmuskulatur. Dabei handelt es sich um ein komplexes, reflektorisch vermitteltes Bewegungsprogramm.
Die Stimmlippen (Einatem- bzw. Unterdruckventile) und die Plicae vestibulares bilden zwei gegensätzliche Ventile (laryngeale Doppelventilfunktion).
Funktionen
Die Plicae vestibulares sind beim Schlucken in den laryngealen Falt-Schließmechanismus eingebunden. Gemeinsam mit dem Verschluss von Epiglottis und Stimmlippen dient ihre Verengung dem Schutz der unteren Atemwege vor Aspiration.
Der laryngeale Schließmechanismus dient ferner der Regulation der Druckverhältnisse in Thorax und Abdomen. Er ist für verschiedene physiologische Vorgänge wichtig:
- Im Falle einer Aspiration wird – bei gleichzeitiger Aktivität der exspiratorischen Muskeln – der Aufbau des intrathorakalen Drucks gewährleistet. Dadurch wird Husten oder Räuspern ermöglicht.
- Der Verschluss führt bei Anwendung der Bauchpresse zur Erhöhung des intraabdominellen Drucks, z.B. bei der Defäkation oder Geburt.
- Im Zuge einer Kraftanwendung, die sich weg vom Körper richtet (z.B. Schlagen oder Treten), kommt es durch den Taschenfaltenschluss bei gleichzeitiger Aktivierung der exspiratorischen Atemmuskulatur zu einer Stabilisierung des Rumpfes.
Eine weitere Funktion der Taschenfalten ist die Befeuchtung und Reinigung der (drüsenfreien) Stimmlippen mit ihrem Drüsensekret durch eine Art Streichbewegung.
Als Ausatemventil regulieren die Plicae vestibulares zudem die Geschwindigkeit der ausströmenden Luft. So verhindern sie ein zu schnelles Entweichen und tragen zu einem adäquaten Gasaustausch in der Lunge bei.
Im Gegensatz zu den Stimmlippen sind die Plicae vestibulares in der Regel nicht an der Phonation beteiligt.
Klinik
Eine übermäßige Aktivierung der Ausatemmuskulatur zieht die Annäherung der Taschenfalten nach sich. Dies kann u.a. zur stimmlichen Übermüdung und Dysphonie führen.
Bei Störung der Schluss- oder Schwingungsqualität der Stimmlippen wird das Überdrucksystem unwillkürlich aktiviert und der Phonation vorgezogen. Grund dafür ist, dass aus evolutionsbiologischer Sicht Schutzfunktionen (z.B. Schutz vor Aspiration) der evolutionär jüngeren und nicht lebensnotwendigen Phonation übergeordnet sind.
Unter bestimmten Bedingungen tritt zudem eine sogenannte Taschenfaltenstimme auf. Dabei werden die Plicae vestibulares in Schwingung versetzt und tragen so zur Phonation bei. Die Taschenfaltenstimme kann dabei als Symptom einer Erkrankung, als Ersatzstimme bei Stimmlippenlähmung oder willentlich als Gesangsart eingesetzt werden.
Quellen
- Pressman, Sphincters of the Larynx, A.M.A. Archives of otolaryngology, 1954
- Negus, The Mechanism of The Larynx, Laryngoscope, 1957
- Rohmert, Grundzüge des funktionalen Stimmtrainings, Zeitschrift für Arbeitswissenschaft, 1987
- Reiß, Facharztwissen HNO-Heilkunde, Springer Medizin Verlag, 2009
- Kruse, Funktionale Laryngologie, 1. Auflage, Urban & Fischer Verlag, 2012
- Rabine, Keys to voice, 1. Auflage, Verlag Peter Ewers, 2019