Philadelphia-Chromosom
nach der amerikanischen Stadt Philadelphia
Englisch: Philadelphia chromosome
Definition
Das Philadelphia-Chromosom, kurz Ph, ist ein fehlerhaftes und verkürztes Chromosom 22, das bei der klassischen chronisch myeloischen Leukämie und bestimmten Formen von akuten Leukämien zu finden ist.
Geschichte
Das Philadelphia-Chromosom wurde im Jahre 1960 von Peter Nowell und David Hungerford in Philadelphia entdeckt und trägt daher diesen Namen.
Molekularbiologie
Ursache des Philadelphia-Chromosoms ist eine reziproke Translokation von genetischem Material zwischen Chromosom 9 und Chromosom 22. Die genaue Bezeichnung lautet t(9;22)(q34;q11.2).
Auf dem so entstandenen kurzen Chromosom 22 ist das ABL1-Gen von Chromosom 9 neben dem BCR-Gen angeordnet. Dieses onkogene BCR-ABL1-Fusionsgen kodiert für eine konstitutiv aktive Rezeptortyrosinkinase, die zur unkontrollierten Proliferation und fehlerhaften Apoptosesteuerung der Zelle führt. Durch Beeinträchtigung verschiedener Signalwege (z.B. JAK-STAT-Signalweg, Ras/Raf/MAPK-Signalweg, ERK) entsteht unter anderem eine Genominstabilität, die im Verlauf weitere DNA-Veränderungen bedingt.
In Abhängigkeit vom Breakpoint des BCR-Gens auf Chromosom 22 kommt es zur Bildung verschiedener Fusionsproteine. Nach ihrem Molekulargewicht in kDa werden drei Varianten unterschieden:
- p190 BCR/ABL: Häufig bei akuter lymphatischer Leukämie, selten bei CML (und mit schlechterer Prognose assoziiert)
- p210 BCR/ABL: Assoziiert mit indolentem Verlauf einer CML
- p230 BCR/ABL: Häufigste Form, weitgehend spezifisch für die CML
Vorkommen
Das Philadelphia-Chromosom kommt bei fast allen Fällen der chronisch myeloischen Leukämie vor. Dabei ist es vorwiegend in relativ unreifen hämatopoetischen Stammzellen zu finden. Desweiteren lässt es sich auch bei 2 % der Patienten mit akuten myeloischen Leukämie sowie bei ca. 25 - 30% der erwachsenen und 5 - 10 % der pädiatrischen Patienten mit ALL nachweisen.
Die BCR-ABL-Translokation kann jedoch auch vorkommen, ohne dass ein Philadelphia-Chromosom nachgewiesen werden kann. Weiterhin finden sich in einigen Fällen der Ph-positiven CML Abweichungen von der typischen Translokation.
Pharmakologie
Die Genprodukte des BCR-ABL-Gens sind das Target der BCR-ABL-Inhibitoren, einer Untergruppe der Tyrosinkinaseinhibitoren (TKIs). Sie führen zu einer Hemmung der BCR-ABL-Rezeptortyrosinkinase und leiten dadurch eine Apoptose der Tumorzellen ein. In der Folge kommt es zu einer Regression der Erkrankung.
Mit Imatinib wurde 2001 der erste spezifische BCR-ABL-Inhibitor in Deutschland zugelassen. TKIs der zweiten Generation sind z.B. Dasatinib, Nilotinib, Bosutinib und Ponatinib. Auch wenn TKIs keine Heilung erzielen können, hat ihre Einführung die Lebenserwartung von CML-Patienten in vielen Fällen deutlich verlängert. Vorher lag die mediane Überlebenszeit bei 3 bis 7 Jahren.
Literatur
- Nowell, PC, Hungerford, DA.: A minute chromosome in human granulocytic leukemia. Science 1960; 132:1497
- Bartram CR, et al. Translocation of c-ab1 oncogene correlates with the presence of a Philadelphia chromosome in chronic myelocytic leukaemia. Nature. 1983; 306(5940):277–280
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