Paraphimose (Pferd)
Synonym: Penisvorfall
Englisch: paraphimosis
Definition
Ätiologie
Die Ursachen einer Pharaphimose können vielfältig sein. Oftmals führt eine Penisparalyse unterschiedlicher Genese zum Penisvorfall, z.B.:
- iatrogen durch bestimmte Sedativa (z.B. Acepromazin)
- sekundär infolge degenerativer oder traumatischer Prozesse der Wirbelsäule (z.B. Nervendegeneration im Sinne eines Cauda-equina-Syndroms)
- infektiös nach einer EHV-1-Infektion
Am häufigsten führen Verletzungen oder Erkrankungen des Präputiums (z.B. Plattenepithelkarzinom) zu einem Penisvorfall.
Pathogenese
Traumatische Ereignisse am Präputium führen direkt zu einem Präputialödem, das einen Penisvorfall nach sich zieht. Hochgradige Präputialödeme können jedoch auch sekundär infolge eines Skrotal- oder Inguinaltraumas (z.B. nach einer Kastration) oder auch bei einer Balanoposthitis (Entzündung der Glans penis und der Präputialschleimhaut) beobachtet werden.
Da das Ödem aufgrund der Schwerkraft am Präputium nach ventral wandert, wird das klinische Bild zunehmend verschlimmert. Innerhalb weniger Stunden schwellen sowohl der Penis als auch das Präputium massiv ödematös an. Dadurch bildet sich am Penis in der Nähe des Präputialrings eine Art Manschette, die auf das freie Penisende konstriktorisch wirkt. Durch diesen "einschnürenden Kragen" wird die Schwellung wiederum verstärkt. Die Schleimhäute trocknen aus, werden zunehmend brüchiger und zeigen oberflächliche sowie tiefgehende Risse. In weiterer Folge tritt Exsudat aus, der Blutzufluss wird unterbunden und es kommt zu fortschreitenden gangränösen Prozessen.
Klinik
Der Penis ist trotz fehlender Erektion vollständig ausgeschachtet. Abhängig vom Schweregrad und der Dauer der Erkrankung ist eine mehr oder weniger deutliche Schwellung am und um das Präputium ausgebildet.
Bei länger andauernden Paraphimosen ist die Schleimhaut des ausgeschachteten Penis deutlich entzündet, ausgetrocknet und mit Wundsekret verschmiert. In schwerwiegenden Fällen sind schon Demarkationsstellen ersichtlich.
Diagnose
Die Diagnose kann durch Adspektion gestellt werden. Durch vorsichtige Palpation und einer Ultraschalluntersuchung (ggf. auch Endoskopie) ist die Unversehrtheit der Harnröhre zu überprüfen.
Therapie
Ziel der Therapie ist es, den Penis so schnell wie möglich wieder in das Präputium zurück zu verlagern und einen erneuten Vorfall zu verhindern. Hierfür sollte der Penis vorsichtig gereinigt, befeuchtet und intensiv gekühlt werden.
Damit der Penis problemlos zurück verlagert werden kann, muss der Hengst sediert werden. Zum Schutz der Schleimhaut sollte zunächst eine Benetzung mit Gleitgel erfolgen. Der Penis wird dann von distal nach proximal mit einer elastischen Bandage umwickelt, um das Penisödem für die Rückverlagerung etwas zurückzudrängen. Unter kontrolliertem Druck wird der Penis beidhändig von proximal nach distal unter langsamen Abwickeln der Bandage in das Präputium zurückgeschoben. Anschließend kann mit Tuchklemmen die Präputialöffnung so lange verschlossen werden, bis mittels "Bühnerband-Technik" ein temporärer Verschluss erfolgt: Hierfür wird die Präputialöffnung auf der einen Seite von ventral nach dorsal mit einer Gerlach-Nadel umstochen, ein Bühnerband eingezogen und die zirkuläre Naht auf der anderen Seite des Präputiums vollendet. Das Bühnerband wird dabei so stark angezogen, dass der Penis nicht wieder vorfällt, ein Harnabsatz aber ungehindert möglich ist. Dieser Verschluss wird nach Abklingen der Schwellung und des Ödems nach etwa einer Woche wieder geöffnet. In den ersten Tagen nach dem Eingriff ist regelmäßig zu kontrollieren, ob der Penis von selbst im Präputium verbleibt oder ob erneut ein Band eingezogen werden muss.
Parallel dazu sind unterstützende Maßnahmen indiziert:
- mehrmals täglich lokale Kühlung (Kaltwasserdusche)
- systemische Antiphlogistika (z.B. 1,1 mg/kgKG Flunixin i.v.)
- Antibiose
Bei hochgradigen Ödemen können zusätzlich Diuretika eingesetzt werden.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
In schwerwiegenden Fällen mit Rezidiven und massiven Nekrosen kann eine Phallektomie notwendig sein.
Literatur
- Aurich C (Hrsg.). 2009. Reproduktionsmedizin beim Pferd. Gynäkologie - Andrologie - Geburtshilfe. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Parey-Verlag. ISBN: 978-3-8304-4179-3
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