Hyperoxalurie
Synonyme: Oxalurie, Oxalose
Englisch: hyperoxaluria, oxalosis, Bird's disease
Definition
Einteilung
Man unterscheidet je nach Ätiologie zwischen primären und sekundären Formen:
Primäre Hyperoxalurie
Die seltene primäre Hyperoxalurie beruht auf genetisch bedingten Enzymdefekten. Man unterscheidet zwischen:
- Typ 1 (80 %): autosomal-rezessiv vererbte Mutation des peroxisomalen Leberenzyms Alanin-Glyoxylat-Aminotransferase
- Typ 2: Mutation der ubiquitär vorkommenden Glyoxylat-Reduktase/Hydroxypyruvat-Reduktase (GRHPR)
- Typ 3: Mutationen im HOGA1-Gen, das für die 2-Keto-4-Hydroxyglutarat-Aldolase kodiert.
Sekundäre Hyperoxalurie
Sekundäre Hyperoxalurien entstehen meist im Rahmen einer langjährigen Dialyse, insbesondere bei zusätzlicher Einnahme von Ascorbinsäure als Nahrungsergänzungsmittel. Auch eine sekundäre Hyperoxalurie nach Dünndarmresektion ist beschrieben.
Weitere Risikofaktoren sind:
- Alimentär (Rhabarber, Spinat, Sellerie, Kakaoprodukte)
- Hyperparathyreoidismus
- Morbus Cushing
- Sarkoidose
- Hypervitaminose D
- Multiples Myelom
- Knochenmetastasen
Pathophysiologie
Bei der primären Form führt die erhöhte Produktion von Oxalsäure zu einer Hyperoxalämie und Hyperoxalurie und folglich zur Ablagerung von Calciumoxalat-Kristallen in unterschiedlichen Geweben. Bei der sekundären Form wird Oxalat bei Urämie und durch die Dialyse nicht ausreichend ausgeschieden.
Klinik
Calciumoxalat-Kristalle lagern sich in Niere, Auge, Herzmuskel, Gefäßwänden, Haut, Knochen, Gelenkknorpel und im Nervengewebe ab. Die Folgen sind eine Oxalat-Nephropathie mit Nephrokalzinose, Nephrolithiasis bzw. Urolithiasis und ein terminales Nierenversagen.
Im Knochen führen die Kristallablagerungen zur Bildung von Fremdkörpergranulomen und Stimulation der Knochenneubildung. Kristallablagerungen im Gelenkknorpel und Synovialis im Sinne einer Kristallarthropathie sind eher selten.
Diagnostik
Labormedizin
Die Obergrenze einer normalen Oxalsäureausscheidung liegt bei 40 mg bzw. 440 µmol in 24 Stunden. Männer haben ernährungs- und konstitutionsbedingt leicht höhere Werte (43 mg/Tag) als Frauen (32 mg/Tag).
Die Calciumoxalat-Kristalle haben eine variable Form und eine variable Doppelbrechung im polarisierten Licht. Häufig sind Doppelpyramiden mit stark positiver Doppelbrechung zu erkennen.
Gelenkpunktate sind meist nicht-entzündlich (< 2.000 Leukozyten/µl).
Neugeborenenscreening
Im Rahmen der aktuellen Pilotstudie (2023) zur Aufnahme neuer Erkrankungen in das Neugeborenenscreening wird auch nach der primären Hyperoxalurie (Typ 1 und 3) gesucht. Voraussetzung ist die explizite Zustimmung der Eltern. Bisher ist sie noch nicht Bestandteil des regulären Screenings.
Bildgebung
Im Röntgen und CT finden sich u.a. folgende Zeichen:
- unterschiedliche sklerotische Veränderungen
- generalisierte Osteosklerose
- fleckige Sklerosen
- röntgendichte Skleroselinien in Metaphysen aller langen Röhrenknochen
- subchondrale Sklerose im proximalen Humerus und Femur (kann mit einer Osteonekrose verwechselt werden)
- "Knochen-im-Knochen" (bone within a bone sign): Os ilium, Sternum, Wirbelkörper
- Trommelschlegel-Konfiguration der Ossa metacarpalia (Verbreiterung von Caput metacarpi)
- Sklerose der Wirbelkörperendplatten (ähnlich wie Rugger jersey spine)
- pathologische Querfrakturen
- sekundäre Osteomalazie im Rahmen einer renalen Osteopathie
- Chondrokalzinose
- Kalzifikation von Bändern und Sehnen
- Kalzifikation von Gefäßen und Weichteilen
- Schrumpfniere z.T. mit dichten Kalzifikationen im Nierenrinde und Nierenmark
Differenzialdiagnosen
- Renale Osteodystrophie:
- Primärer Hyperparathyreoidismus: ebenfalls Nephrokalzinose, meist keine so ausgeprägten Schrumpfnieren.
- Sklerosierende Knochendysplasien: keine Nierenveränderungen
Therapie
Eine kausale Therapie bei der primären Hyperoxalurie ist derzeit (2024) nicht möglich. Insgesamt wird die Erkrankung symptomatisch behandelt, wobei NSAR, Colchicin, intraartikuläre Glukokortikoidgaben und/oder erhöhte Dialysefrequenz nur wenig erfolgsversprechend sind. Bei der primären Oxalose kann eine Lebertransplantation die Symptome bessern.
Bei der primären Hyperoxalurie Typ 1 ist Lumasiran als Orphan Drug in Deutschland zugelassen.
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