Nussknacker-Syndrom
Englisch: nutcracker syndrome, left renal vein entrapment
Definition
Als Nussknacker-Syndrom bezeichnet man die symptomatische Kompression der Vena renalis sinistra zwischen Arteria mesenterica superior und Aorta abdominalis. Handelt es sich um einen asymptomatischen radiologischen Zufallsbefund, spricht man auch von einem Nussknacker-Phänomen.
Nomenklatur
Man spricht von einem Nussknacker-Phänomen, da die beiden Gefäße die Nierenvene wie die Zangenarme eines Nussknackers mit jedem Herzschlag pulsierend einengen.
Epidemiologie
Die genaue Prävalenz des Nussknacker-Phänomens ist nicht bekannt. Das Nussknacker-Syndrom tritt insgesamt selten auf. Frauen sind etwas häufiger betroffen. Ein dünner oder asthenischer Körperbau ist ein Prädispositionsfaktor dar. Das Nussknacker-Syndrom tritt gehäuft zusammen mit dem Wilkie-Syndrom auf.
Ätiologie
Wird die Aorta abdominalis durch eine verstärkte Lordose der Lendenwirbelsäule nach vorne gedrängt, verkleinert sich der Gefäßwinkel zwischen Aorta und Arteria mesenterica superior. In diesem Winkel verläuft die Vena renalis sinistra, sodass sie bei entsprechendem Körperbau zwischen den beiden Blutgefäßen komprimiert wird. Ein anlagebedingt steiler Abgang der Arteria mesenterica superior aus der Aorta kann einen ähnlichen Effekt haben.
In seltenen Fällen liegt eine retroaortal verlaufende linke Nierenvene vor, die zwischen Aorta und Wirbelsäule komprimiert wird (posteriores Nussknacker-Syndrom).
Pathophysiologie
Die Kompression der linken Vena renalis kann zu einer renal-venösen Hypertonie führen. Die Folge ist eine Ruptur der dünnwandigen Venen im Sammelsystem mit konsekutiver Hämaturie. Im Verlauf kann es zu einer Nierenvenenthrombose kommen.
Da die Vena testicularis sinistra bzw. die Vena ovarica sinistra regulär in die linke Nierenvene mündet, kann es zur Bildung einer Varikose im kleinen Becken (Pelvic Congestion Syndrome) bzw. in den Hoden (Varikozele) mit entsprechenden Komplikationen kommen.
Symptome
Die häufigsten klinischen Manifestationen des Nussknacker-Syndroms sind linksseitige Flanken- oder Unterbauchschmerzen sowie Makro- oder Mikrohämaturie und eine Varikozele. Auch eine orthostatische Proteinurie und eine Dyspareunie können vorkommen. Bei körperlicher Anstrengung können sich die Symptome verstärken.
Bei chronischen abdominellen Schmerzen unklarer Genese sollte auch an das hier genannte Krankheitsbild gedacht werden.
Diagnostik
In der Urindiagnostik werden Hämaturie und Proteinurie nachgewiesen. Des Weiteren ist die Untersuchung der Vena renalis sinistra mittels bildgebenden Verfahren wegweisend.
Radiologie
Die radiologischen Merkmale sind bei Ultraschall, Doppler-Ultraschall, CT-, MR- und konventioneller Angiographie ähnlich:
- reduzierter mesoaortaler Winkel (zwischen Aorta und Arteria mesenterica superior): Normwert ca. 45° (38 bis 65°).
- Stenose der linken Vena renalis
- Kollateralen: insbesondere über linke Vena testicularis bzw. ovarica mit frühem Enhancement in der portalvenösen Phase durch Reflux
- erhöhte Flussgeschwindigkeiten im Doppler (> 4-5-fach erhöht im komprimierten Teil der Vene im Vergleich zum Anteil am Nierenhilus)
- Verhältnis des anteroposteriorem Durchmesser prästenotisch geteilt durch den Durchmesser im komprimierten Abschnitt (Compression Ratio) > 2,25
Therapie
Bei Vorliegen von Symptomen kommt eine endovaskuläre Stentimplantation infrage. Seltener wird z.B. eine chirurgische Transposition der linken Nierenvene durchgeführt.
Literatur
- Praxis Prof. Dr. Thomas Scholbach, abgerufen am 22.07.2022
- Orphanet: Renales Nussknackersyndrom abgerufen am 22.07.2022
- Sternberg et al.: Das Nussknacker-Syndrom, Zeitschrift für Gastroenterologie, Thieme Verlag, 2014
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