Lurasidon
Handelsname: Latuda®
Englisch: lurasidone
Definition
Lurasidon ist ein atypisches Antipsychotikum, das zur Behandlung von Schizophrenie und Bipolar-I-Störungen eingesetzt wird. Es wirkt vorwiegend auf die dopaminergen und serotonergen Rezeptoren im Gehirn, um psychotische Symptome zu lindern und Stimmungsschwankungen zu stabilisieren. In Deutschland ist derzeit (2024) kein Präparat mit dem Wirkstoff im Handel.
Chemie
Lurasidon ist ein Benzisothiazol-Derivat mit der Summenformel C28H36N4O2S und einer molaren Masse von 492,68 g/mol. In der klinischen Anwendung liegt es als Hydrochloridsalz vor, was seine Löslichkeit und Bioverfügbarkeit erhöht.
Wirkmechanismus
Der Wirkmechanismus von Lurasidon basiert hauptsächlich auf der Blockade von D2- und 5-HT2A-Rezeptoren. Darüber hinaus wirkt es als Antagonist an 5-HT7-Rezeptoren, was möglicherweise antidepressive Effekte verstärkt, insbesondere bei der Behandlung bipolarer Störungen. Die geringe Affinität zu Histamin- und Muskarinrezeptoren reduziert das Risiko von sedierenden und anticholinergen Nebenwirkungen, die bei anderen atypischen Neuroleptika häufiger auftreten.
Pharmakokinetik
Lurasidon wird vorwiegend über das Cytochrom-P450-System, speziell CYP3A4, in der Leber metabolisiert. Dies macht es anfällig für Wechselwirkungen mit anderen Substanzen, die CYP3A4 beeinflussen, wie Ketoconazol oder Rifampicin. Genetische Varianten des CYP3A4-Enzyms können die Wirkung und Verträglichkeit von Lurasidon beeinflussen, was eine individuelle Dosisanpassung notwendig machen kann.
Indikation
Lurasidon wird genutzt für die Behandlung von:
- Schizophrenie bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 13 Jahren
- Bipolar-I-Störung, insbesondere für akute manische und gemischte Episoden sowie zur langfristigen Rückfallprävention
Nebenwirkungen
Die wichtigsten Nebenwirkungen von Lurasidon umfassen:
- Schläfrigkeit
- Schlaflosigkeit
- orthostatische Dysregulation
- Gewichtszunahme
- extrapyramidale Symptome (z.B. Tremor und erhöhter Muskeltonus)
Extrapyramidalmotorische Störungen treten seltener auf als bei klassischen Neuroleptika. Auch vegetative Störungen sind weniger häufig, da Lurasidon keine Wirkung am M1-Rezeptor hat.
Seltenere Nebenwirkungen umfassen eine Erhöhung des Blutzuckers und der Blutfette sowie eine mögliche Erhöhung des Prolaktinspiegels, was zu hormonellen Störungen führen kann. Insgesamt weist Lurasidon im Vergleich zu anderen Antipsychotika ein relativ niedriges Risiko für metabolische Nebenwirkungen auf.
Kontraindikation
Lurasidon darf nicht angewendet werden bei:
- Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff
- gleichzeitiger Einnahme von starken CYP3A4-Inhibitoren oder -Induktoren
- schwerer Leber- oder Niereninsuffizienz, wenn keine Anpassung der Dosis möglich ist.
Schwangerschaft
Bei Schwangerschaft und Stillzeit sollte Lurasidon nur unter strenger Nutzen-Risiko-Abwägung angewendet werden, da hierzu bisher unzureichende Sicherheitsdaten vorliegen.
Nutzenbewertung
Der G-BA kam 2015 auf der Basis der vom IQWiG gesichteten Daten zu der Einschätzung, dass ein Zusatznutzen von Lurasidon im Vergleich zu anderen zweckmäßigen Wirkstoffen nicht belegt sei.[1]
Verfügbarkeit
Der Hersteller Takeda stellte 2015 aufgrund des G-BA-Beschlusses den Vertrieb des Arzneimittels in Deutschland nach nur 4 Monaten aus wirtschaftlichen Gründen ein.
2020 wurde der Wirkstoff von der EMA erneut bei Schizophrenie zugelassen, diesmal auf Antrag der Pharmahersteller Angelini und Sumitomo Dainippon Pharma.[2] In Deutschland ist das Arzneimittel nach wie vor nicht verfügbar (Stand 2024), jedoch in anderen europäischen Märkten, u.a. in der Schweiz und in Holland. Es kann über internationale Apotheken bezogen werden.
Quellen
- ↑ Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL): Anlage XII - Beschlüsse über die Nutzenbewertung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen nach § 35a SGB V –Lurasidon vom 16. April 2015, abgerufen am 6.11.2024
- ↑ Apotheke Adhoc: Erneute Zulassung für Latuda bei Schizophrenie, 18.11.2020, abgerufen am 8.11.2024
Literatur
- Arango et al., Lurasidone compared to other atypical antipsychotic monotherapies for adolescent schizophrenia: a systematic literature review and network meta-analysis, Eur Child Adolesc Psychiatry, 2020
- Srisurapanont et al., A network meta-analysis of the dose-response effects of lurasidone on acute schizophrenia, Sci Rep, 2021
- Rognoni et al., Second-Generation Antipsychotic Drugs for Patients with Schizophrenia: Systematic Literature Review and Meta-analysis of Metabolic and Cardiovascular Side Effects, Clin Drug Investig, 2021