Linsenkern-Gabelzeichen
Synonym: Linsenförmiges Gabelzeichen
Englisch: lentiform fork sign
Definition
Das Linsenkern-Gabelzeichen ist ein radiologisches Zeichen, das bei der Beurteilung von Magnetresonanztomographien (MRT) des Gehirns angewendet wird. Es beschreibt eine bilaterale, hyperintense Signalveränderung im Bereich der Putamina, die durch die Capsula externa und Capsula interna gabelförmig eingerahmt wird.
Hintergrund
Das Linsenkern-Gabelzeichen kann ein Hinweis auf metabolische Azidose sein. Die hyperintense Signalveränderung ist insbesondere in der T2- und FLAIR-Sequenz sichtbar. In T1-Sequenzen erscheint das Signal häufig isointens oder hypointens. In der Diffusionsbildgebung kann zusätzlich eine reduzierte Diffusionsfähigkeit (z.B. im Rahmen eines zytotoxischen Ödems) nachweisbar sein.
Ätiologie
Das Zeichen tritt vor allem bei Enzephalopathien auf, die mit einer metabolischen Azidose einhergehen. Als Ursache wird die selektive Vulnerabilität der Basalganglien vermutet, die nur über begrenzte Pufferkapazitäten verfügen. Werden diese Kapazitäten überschritten, kommt es zu einem zytotoxischen und/oder vasogenen Ödem im Bereich der betroffenen Kerne. Häufig beschriebene Ursachen sind:
- Urämische Enzephalopathie bei chronischer Niereninsuffizienz
- Hypoglykämie
- Leberversagen (hepatische Enzephalopathie)
- Intoxikationen, insbesondere mit Methanol oder Cyanid
- Mitochondriopathien (z.B. Leigh-Syndrom)
- Hypoxisch-ischämische Hirnschäden
Klinische Bedeutung
Das Linsenkern-Gabelzeichen ist ein Hinweis auf eine relevante systemische Grunderkrankung mit zerebraler Beteiligung. Da viele der zugrunde liegenden Ursachen potenziell reversibel sind (z. B. urämische Enzephalopathie unter Dialyse), hat das Zeichen eine prognostische Relevanz. Klinisch präsentieren sich betroffene Patienten häufig mit kognitiven Einschränkungen, Apathie, extrapyramidalen Symptomen oder Vigilanzstörungen.
Differentialdiagnosen
Folgende Bildmuster sind differenzialdiagnostisch abzugrenzen:
- Bilateral betonte Läsionen im Globus pallidus, z.B. bei Kohlenmonoxidintoxikation
- Wilson-Krankheit (kupferassoziierte Basalganglienveränderungen)
- Leigh-Enzephalopathie (symmetrische Läsionen in Basalganglien und Hirnstamm)
- Morbus Fahr (kalzifizierende Enzephalopathie mit symmetrischen Ablagerungen)
- Basalganglieninfarkte, insbesondere bei hypoxisch-ischämischen Ereignissen
Literatur
- Kumar und Goyal. Lentiform Fork sign: a unique MRI picture. Is metabolic acidosis responsible?. Clin Neurol Neurosurg. 2010;112(9):805-812. doi:10.1016/j.clineuro.2010.06.006
- Kim et al. Uremic Encephalopathy: MR Imaging Findings and Clinical Correlation. AJNR Am J Neuroradiol. 2016;37(9):1604-1609. doi:10.3174/ajnr.A4776