Kolloidzyste
Englisch: colloid cyst, paraphyseal cyst
Definition
Kolloidzysten sind benigne, unilokuläre, muzinhaltige Zysten endodermaler Herkunft. Sie zählen zu den intrakraniellen Zysten und befinden sich fast immer am Dach des dritten Ventrikels am Foramen Monroi.
Epidemiologie
Kolloidzysten machen etwa 1 % aller intrakraniellen und 15 - 20 % aller intraventrikulären Raumforderungen aus. Die meisten symptomatischen Kolloidzysten treten zwischen dem dritten und fünften Lebensjahrzehnt auf. Unter 8 % aller Patienten sind zum Zeitpunkt der Erstdiagnose jünger als 15 Jahre. Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen.
Ätiologie
Kolloidzysten sind wie Rathke-Zysten und neurenterische Zysten endodermaler Herkunft. Die genaue Ursache ist derzeit (2023) unklar. Vermutlich handelt es sich um ektopische endodermale Zellen, die in der Embryogenese in das Dach des Diencephalons migriert sind. Kolloidzysten treten in der Regel sporadisch auf. Es wurden einige seltene familiäre Formen mit autosomal-rezessiver Vererbung mit variabler Penetranz beschrieben.
Pathologie
Fast alle Kolloidzysten befindet sich eingekeilt im Foramen Monroi am anterosuperioren Dach des dritten Ventrikels. Die Fornixpfeiler überspannen die Zyste. Die Größe variiert von wenigen Millimetern bis zu 3 cm, meist beträgt sie 1,5 cm. Makroskopisch erkennt man eine glatt begrenzte, kugel- bis eiförmige Zyste mit gallertartigem Kern. Größere Blutungen sind sehr selten.
Mikroskopisch besteht die Zystenwand aus einer dünnen fibrösen Kapsel, die mit einfachem bis mehrreihigem Säulenepithel ausgekleidet ist. Einige zilientragende und muzin-sezernierende Becherzellen kommen vor. Die Kolloidzysten sind immunhistochemisch positiv für Zytokeratin und EMA.
Klinik
Ungefähr 50 % der Fälle stellen einen radiologischen Zufallsbefund bei asymptomatischen Personen dar. Kolloidzysten können jedoch durch Behinderung des Liquorflusses an den Foramina Monroi zu Beschwerden führen. Bei 50-60 % der symptomatischen Patienten sind Kopfschmerzen das Hauptsymptom.. Auch akute komatöse Zustände bis hin zum Tod können vorkommen.
Über 90 % der Kolloidzysten sind stabil und vergrößern sich nicht. In den restlichen Fällen handelt es sich in der Regel um größere Läsionen, die einen Hydrozephalus verursachen und bei jüngeren Patienten auftreten. Inzidentelle Läsionen verursachen selten einen akuten Hydrocephalus occlusus oder eine plötzliche neurologische Verschlechterung.
Eine "Apoplexie" mit intrazystischer Blutung und plötzlicher Vergrößerung kann vorkommen, ist aber sehr selten.
Diagnostik
Kolloidzysten sind gut abgrenzbare, rundlich bis eiförmige Raumforderungen. Das Erscheinungsbild ist abhängig von der Zusammensetzung aus Muzinen, Cholesterin, Proteinen und Wasser.
Computertomographie
Die Dichte der Kolloidzyste korreliert direkt mit dem Hydratationszustand des Zysteninhalts. Fast zwei Drittel aller Zysten sind im Vergleich zum Gehirn hyperdens, ein Drittel iso- bis hypodens. Intrazystische Blutungen und Verkalkungen sind sehr selten. Die meisten Zysten zeigen kein Enhancement, wobei gelegentlich eine dünne randständige Kontrastmittelaufnahme auffallen kann. Eine solide oder noduläre Anreicherung tritt fast nie auf. In der CT-Angiographie ist erkennbar, dass die inneren Hirnvenen posterolateral um die Zyste herum verlagert sind.
Magnetresonanztomographie
Die Signalintensität in der T1w-Sequenz ist abhängig von der Cholesterinkonzentration. Die meisten Zysten sind im Vergleich zum Gehirn hyperintens, ein Drittel ist isointens.
Das Signal in PDw und T2w ist insbesondere vom Wassergehalt abhängig und daher variabler. Die meisten Zysten sind im Vergleich zum Gehirn gering hyperintens in PDw und isointens in T2w. Einige Zysten mit eingedicktem Inhalt sind hypointens. Etwa 25 % zeigen eine gemischte Hypo- und Hyperintensität. Flüssigkeitsspiegel sind selten.
Kolloidzysten führen nicht zu einer Signalsuppression in der FLAIR-Sequenz oder zu einer Diffusionsrestriktion. Ein Kontrastmittelenhancement findet sich in der Regel nicht, wobei in einigen Fällen ein dünner peripherer Randsaum erkennbar sein kann.
Differenzialdiagnosen
Eine klar abgrenzbare, fokale hyperdense Raumforderung am Foramen Monroi ist weitgehend pathognomonisch für eine Kolloidzyste. In der MRT kommen folgende Differenzialdiagnosen in Frage:
- Liquorpulsationsartefakte
- Metastasen und Subependymome: Sie sind meist im Seitenventrikelvorderhorn oder am Foramen Monroi lokalisiert und können im CT auch hyperdens sein.
- große Kraniopharyngeome und Hypophysenmakroadenome: reichen gelegentlich superior fast bis zum Foramen Monroi.
- Astrozytom oder Lymphom: Sie können selten die Fornices infiltrieren und verdicken. Meist diffuse Läsion, die nach Kontrastmittelgabe oft eine moderate bis kräftige Anreicherung zeigt.
- Papillome und Plexus-choroideus-Zysten
Therapie
Bei Kolloidzysten kommen neuroendoskopische oder mikrochirurgische Behandlungen in Frage.
Literatur
- Cox M, Sharma P. The isodense colloid cyst: an easily overlooked cause of intermittent acute obstructive hydrocephalus. Intern Emerg Med. 2017
- Byard RW. Variable Presentations of Lethal Colloid Cysts. J Forensic Sci. 2016
- Beaumont TL et al. Natural history of colloid cysts of the third ventricle. J Neurosurg. 2016
- Hamidi H et al. CT and MRI Features of Pediatric-Aged Colloid Cysts: Report of Two Cases. Case Rep Radiol. 2017
- Brostigen CS et al. Surgical management of colloid cyst of the third ventricle. Acta Neurol Scand. 2017