Klauenform (Wiederkäuer)
Synonym: Klauenausprägung
Definition
Die Klauenform beschreibt die morphologische Ausprägung der Klaue beim Wiederkäuer.
Anatomie
Bei Paarhufern wird das Zehenendorgan als Klaue bezeichnet. Diese besteht beim Rind aus zwei Hauptklauen (3. und 4. Zehe) und rudimentären Afterklauen (2. und 5. Zehe). Kleine Wiederkäuer besitzen nur zwei Hauptklauen.
Die Klaue wird als Hornkapsel mit den darin eingeschlossenen Gebilden definiert und besteht aus:
- Klauenbein (Phalanx distalis)
- Klauensesambein (Os sesamoideum distale)
- distales Ende des Kronbeins (Phalanx media).
Zusätzlich werden noch der distale Abschnitt der tiefen Beugesehen, die Strecksehnenaponeurose und die Bänder des Klauengelenks dazu gezählt. Am Klauengelenk selbst sind neben dem Klauenbein das Klauensesambein und die distale Gelenkfläche des Kronbeins beteiligt. Das Klauengelenk reicht mit seinem dorsalen Rezessus proximal über den Rand der Hornkapsel hinaus. Im Ballenbereich ist in der Subkutis zusätzlich ein mächtiger, stoßbrechender Ballenpolster eingelagert.
Einteilung
Anhand verschiedener morphologischer Aspekte unterscheidet man physiologische von pathologischen Klauenformen. Dabei wird die absolute Größe der Klauen nicht berücksichtigt. Da die Größe in direkter Relation zur Größe und Gewichts des Tieres steht und erste Hinweise auf eine mögliche Erkrankung geben kann, sollte dieser Faktor jedoch stets in die Beurteilung miteinbezogen werden.
Es gibt keine Normalklaue, die in gleicher Weise sowohl an der Vordergliedmaße und Hintergliedmaße von Kühen und Stieren zu finden ist. Die Ausprägung der Klauen hängt stark von der Haltungsform, der Rasse, dem Bewegungsmuster und der Bodenbeschaffenheit ab und muss immer individuell beurteilt werden.
Physiologische Klauenformen
Die physiologischen Klauenformen können wiederum in zwei Untergruppen gegliedert werden:
- regelmäßige Klauen
- unregelmäßige Klauen
Unregelmäßige Klauenformen können durch eine fachgerechte und regelmäßig durchgeführte Klauenpflege in regelmäßige Klauen verwandelt werden. Als unregelmäßige Klauen bezeichnet man folgende Klauenformen:
- Spitzgewinkelte Klaue: Der Dorsalwinkel an der Vordergliedmaße beträgt zwischen 45 und 50°, an der Hinterextremität wird er mit 40 bis 45° angegeben. Das Längenverhältnis zwischen Dorsalwand und Trachtenwand beträgt 4 zu 1.
- Stumpfgewinkelte Klaue: Der Dorsalwandwinkel beträgt mehr als 55° und das Längenverhältnis zwischen Dorsalwand und Trachtenwand ist 5 zu 4.
- Stallklauen: Unregelmäßige Klauen durch ein überlang gewachsenens Horn aufgrund mangelnder Klauenpflege. Durch eine fachgerechte und regelmäßige Klauenpflege können Stallklauen wieder in physiologische Klauen verwandelt werden. Hierzu zählen Pantoffelklauen, Scherenklauen und Schnabelschuhklauen.
Pathologische Klauenformen
Pathologische Klauenformen können durch die Klauenpflege nicht mehr in physiologische Klauen verwandelt werden.
- Spreizklaue: Durch eine Schwäche des gesamten Bandapparates im Zwischenzehenbereich kommt es zu einer Erweiterung des Zwischenklauenspaltes. Spreizklauen begünstigen die Ausbildung verschiedener Klauenerkrankungen (z.B. Limax, Dermatitis digitalis).
- Bockklaue: Der Dorsalwinkel beträgt mehr als 55° (meist zwischen 60 und 90°), sodass die Sohlenfläche deutlich zu kurz und zu breit ist.
- Stelzklaue: Entwickelt sich aus der Bockklaue und weist einen Dorsalwinkel auf, der größer als 90° ist. Die Dorsalwand ist deutlich kürzer als die Trachtenwand. Stelzklauen entwickeln sich aufgrund von Sehnenverkürzungen, Ankylosen und schweren Arthrosen der Gliedmaßengelenke.
- Rollklaue: Kennzeichnet sich durch eine schmale und lange Sohlenfläche mit konvexer Seiten- und Trachtenwand aus, die im Extremfall nach der Sohlenfläche umgebogen sind. Das Körpergewicht wird nur mehr am abaxialen Tragrand bzw. teilweise im abaxialen Wandbereich getragen. Das Klauenbein ist um eine sagittale Achse gedreht, weshalb es langfristig zu Arthrosen der Zehengelenke kommt.
- Korkenzieherklaue: Fortgeschrittenes Stadium der Rollklaue. Der Margo dorsalis ist stark konkav und die Klauenspitze spiralig gedreht, sodass sie keinen Bodenkontakt mehr hat.
- Reheklaue: Entwickelt sich infolge einer akuten, subakuten bzw. subklinischen Klauenrehe und langfristig auch bei einer chronischen Klauenrehe. Hier kommt es zur Loslösung der Wandlederhautblättchen vom Wandhorn, was wiederum zur Folge hat, dass das Klauenbein absinkt und die Klauenbeinspitze nach unten rotiert. Es bilden sich Flach-, Voll- bzw. Reheklauen mit deutlicher Ringbildung an der Hornwand, die an der Dorsalwand eng zusammen liegen und zur Trachtenwand hin divergieren. Die Dorsalwand ist stets konkav gewölbt, die Klauenspitze kann nach dorsal aufgebogen sein und die weiße Linie ist verbreitert.
- Flachklaue: Milde Ausprägungsform der Reheklauen. Sie ist durch eine breite, lange und flache Sohlenfläche von annähernd rechteckiger Form geprägt. Die axiale Hohlkehlung ist äußerst flach oder gar nicht ausgebildet und das Sohlenhorn ist dünn. Meist sind zusätzlich noch Verfärbungen der Sohle und lose Wände zu finden.
- Vollklaue: Vollklauen stellen die hochgradige Form der Reheklauen dar und entwickeln sich aus Flachklauen. Sie besitzen eine sehr dünne Sohle, der abaxiale und axiale Tragrand erreicht nicht mehr den Boden und die Fußung ist nur mit der Sohle möglich.
- Kippklaue: Ähnelt in der Form der Schnabelklaue, sodass die Belastung nur noch im Ballenbereich stattfindet. Die Klauenspitze besitzt keinen Bodenkontakt mehr und zeigt nach proximal. Kippklauen entstehen infolge eines funktionellen Ausfalls der tiefen Beugesehen, z.B. durch eine Nekrose am Ansatz der Sehne oder aufgrund der Durchtrennung der Sehne bei Schnittwunden oder chirurgischen Eingriffen. Aufgrund des Fehlens der antagonistischen Funktion kommt es durch das Überwiegen der Strecksehne zum Aufrichten der Klauenspitze.
Quellen
- A. Univ.-Prof. Dr. Johann Kofler. Dipl. ECBHM. Orthopädische Erkrankungen & Orthopädische Operationen bei Wiederkäuern. Neu überarbeitet im Jänner 2015 mit 45 Videos abrufbar mittels QR-Code & URL's zur VETmediathek. Klinik für Wiederkäuer, Vetmeduni Wien.
- A. Univ.-Prof. Dr. Johann Kofler. Diagnoseschlüssel zu Klauenerkrankungen für Klauenpfleger & Tierärzte, Johann Kofler, Klinik für Wiederkäuer, Vetmeduni Wien, 14.11.14, abgerufen am 12.10.2019