Intramurales Hämatom der Aorta
Synonym: aortales intramurales Hämatom
Englisch: aortic intramural hematoma
Definition
Das intramurale Hämatom der Aorta, kurz IMH, ist eine atypische Form der Aortendissektion. Es ist gekennzeichnet durch eine Einblutung in die Aortenwand ohne Intimariss. Zusammen mit dem penetrierenden Aortenulkus (PAU) und der klassischen Aortendissektion gehört es zum Spektrum des akuten Aortensyndroms.
Ätiologie
Typischerweise sind ältere Patienten mit arterieller Hypertonie betroffen. Ein IMH kann auch durch stumpfe Thoraxverletzungen (traumatische Aortenverletzung) oder als Folge eines penetrierenden Aortenulkus entstehen.
Die pathogenetische Grundlage stellt in den meisten Fälle eine spontane Ruptur der Vasa vasorum dar. Sie gehen von der Tunica adventitia aus und dringen in die äußere Hälfte der Tunica media ein, um sich hier verzweigen. Weitere mögliche pathogenetische Faktoren sind
- Thrombose eines Dissektionslumens
- mikroskopische Intimarisse
- Progression eines PAUs
- traumatische Verletzungen der Media.
Das Hämatom breitet sich entlang der Media aus und schwächt die Aortenwand, sodass eine Aortenruptur oder ein Intimariss mit Aortendissektion die Folge sein kann.
Klinik
Ein IMH äußert sich durch Brustschmerzen, die meist in den Rücken ausstrahlen.
siehe Hauptartikel: akutes Aortensyndrom
Diagnostik
Das IMH wird radiologisch diagnostiziert. Am häufigsten betrifft das IMH die Aorta descendens. Analog zu den Aortendissektionen wird es je nach Lokalisation bzw. Ausmaß nach Stanford- oder DeBakey eingeteit. Dabei findet sich in 60 % ein IMH Typ B und in 40 % Typ A nach Stanford.
Computertomographie
Native CT
Akute intramurale Hämatome zeigen sich in der nativen Computertomographie (CT) als eine fokale, sichelförmige Hyperdensität (60 bis 70 HU) einer exzentrisch verdickten Aortenwand. Die Wahl einer schmalen Fensterbreite (200 HU bei Zentrum 40 HU) ist entscheidend, um subtile IMHs zu erkennen. Intimaverkalkungen können nach intraluminal verlagert sein. Die Verdickung ist größer als die normale Wanddicke der Aorta. Ist die Aorta ascendens betroffen, ist ein IMH im nativen Bild nicht von einer inkompletten Aortendissektion (Klasse 3 des akuten Aortensyndroms) zu unterscheiden.
CT-Angiographie
Nach Gabe von Kontrastmittel weist das IMH eine im Verhältnis zum Aortenlumen geringere Dichte auf. Das IMH führt zu einer Einengung des Aortenlumens. Intimomediale Flaps oder Fenestrationen sind nicht nachweisbar. Häufige Nebenbefunde sind ein Perikarderguss und ein periaortales Hämatom, wobei letzteres auf ein erhöhtes Rupturrisiko hinweist.
Der radiologische Befund sollte folgende Aspekte berücksichtigen:
- proximale und distale Ausdehnung des Hämatoms
- Dickte des Hämatoms
- maximaler Durchmesser des betroffenen Aortenlumens
- Vorhandensein eines assoziierten PAUs
Focal Aortic Projection
Eine Kontrastmittelansammlung extraluminal innerhalb der verdickten Aortenwand wird als (Focal Aortic Projection (FAP) bezeichnet. Man unterscheidet zwischen:
- Intramural Blood Pool (IBP): kleine Region mit Kontrastmittelanreicherung innerhalb des Hämatoms mit nicht erkennbarer oder kleiner (< 2 mm) Verbindung zum echten Lumen und meist nachweisbarer Verbindung zu einer Interkostal- oder Lumbalarterie (Chinese Ring-Sword Sign) Am häufigsten im Bereich der Aorta descendens bei einem > 10 mm dicken IMH in der initialen CT. Bildet sich in der Regel spontan zurück.
- Ulcer-like Projection (ULP): Kontrastmittelausstülpung mit breiter (> 3 mm) Öffnung zum Aortenlumen. Es entwickelt sich bei 1/3 der IMH-Patienten innerhalb von 1 bis 4 Monaten. Am häufigsten im Bereich der Aorta descendens, seltener der Aorta ascendes und des Aortenbogens. Negativer prognostischer Faktor, da erhöhtes Risiko der Entwicklung einer Dissektion, Aortenruptur oder sacciformen aneurysmatischen Dilatation. Im Gegensatz zum PAU fehlen atherosklerotische Veränderungen mit Intimairregularitäten, wobei PAU und ULP oft nicht zu unterscheiden sind.
Prognostische Faktoren
Risikofaktoren für eine Progression des intramuralen Hämatoms sind:
- ULP: insbesondere bei > 20 mm
- IMH-Dicke > 10 mm oder Zunahme bei Nachuntersuchungen
- assoziiertes Aortenaneurysma bzw. maximaler Durchmesser der Aorta ascendes > 48 bis 55 mm und der Aorta descendens > 40 bis 41 mm.
- Stanford A
- periaortales Hämatom
Weitere bildgebende Verfahren
Ein intramurales Hämatom lässt sich ebenfalls mittels transösophagealer Echokardiographie (TEE) und Magnetresonanztomographie (MRT) darstellen, nicht jedoch mittels digitaler Subtraktionsangiographie (DSA).
In der MRT ist ein akutes IMH T1w-isointens und T2w-hyperintens. Im Verlauf nimmt das T1w-Signal zu, das T2w-Signal ab. Ein IMH nimmt kein Kontrastmittel auf. In der Phasenkontrast-MRA zeigt sich kein Fluss.
Differenzialdiagnosen
- Klassische Aortendissektion: Nachweis eines Intimaflaps mit wahrem und falschem Lumen. Ein thrombosiertes falsches Lumen ist typischerweise nicht hyperdens in der nativen CT und verläuft meist spiralförmig in Längsrichtung um die Aorta, während ein IMH meist eine konstante zirkumferentielle Beziehung zur Aortenwand beibehält.
- Inkomplette Aortendissektion (ID): Kontrastmittelausstülpung typischerweise entlang der Aorta ascendens, distal des Ostiums der linken Koronararterie. Ein intimomedialer Flap fehlt. Eine ID mit subadventitialem Hämatom ist von einem IMH kaum zu unterscheiden: Für eine ID sprechen ein nicht verringertes Aortenlumen, perioartale Flüssigkeit und eine diskrete Wölbung entlang der posterioren Aorta ascendens.
- Muraler bzw. intraluminaler Thrombus: Verkalkungen weisen vom Aortenlumen weg, während sie beim IMH in Richtung Aortenlumen verlagert sind.
- Aortitis (Takayasu- und Riesenzellarteriitis): typischerweise konzentrische, gleichmäßige Verdickung der Aortenwand, die im nativen CT normalerweise nicht hyperdens ist. Teilweise zeigt sich ein periaortales entzündliches Stranding sowie Kaliberirregularitäten weiterer Gefäße. In der MRT zeigt sich ein Enhancement der Aortenwand.
- Penetrierendes Aortenulkus (PAU): Kontrastmittelausstülpung, die über den zu erwartenden Aortenrand hinausgeht. Ist im Gegensatz zur ULP bereits im initialen CT erkennbar. Typisch sind fokale atherosklerotische Veränderungen mit irregulärer Intima. Ein PAU kann mit einer fokalen oder segmentalen IMH assoziiert sein. Kombinierte PAU-IMH > 20 mm Durchmesser oder > 10 mm maximaler Tiefe weisen ein erhöhtes Progressionsrisiko auf und sollten frühzeitig chirurgisch bzw. endovaskulär behandelt werden.
- Aortales Sarkom: extrem selten
Therapie
Betrifft das IMH die Aorta ascendens (Stanford A), sollte eine chirurgische Therapie erwogen werden, um eine Ruptur oder eine klassische Aortendissektion zu verhindern, die bei ca. 30 % der Patienten auftritt. Eine konservative Therapie bei Stanford-A-IMH ist mit einer Mortalitätsrate von 40 % assoziiert.
Ein IMH der Aorta descendens (Stanford B) wird häufiger konservativ behandelt. Es bildet sich in 77 % der Fälle innerhalb von 3 Jahren zurück. Die 5-Jahres-Überlebensrate beträgt über 90 %.
Literatur
- Valente T et al. MDCT distinguishing features of focal aortic projections (FAP) in acute clinical settings, Radiol Med. 2015;120(1):50-72
- Gutschow SE et al. Emerging Concepts in Intramural Hematoma Imaging, Radiographics. 2016;36(3):660-674