Hoher Geradstand
Definition
Als hoher Geradstand wird in der Geburtshilfe eine fetale Einstellungsanomalie bezeichnet. Er liegt vor, wenn der Kopf mit gerader Pfeilnaht bei gesprungener Fruchtblase, kräftiger Wehentätigkeit und einem vollständig geöffneten Muttermund in den Beckeneingang eintritt.
Hintergrund
Physiologisch findet sich ein gerader Pfeilnahtverlauf im Beckeneingang während der Eröffnungsphase bei ca. 2 bis 3 % aller Geburten. Meist kommt es durch eine spontane Drehung im Geburtsverlauf zu einem regelrechten Eintritt ins Becken.
Bei ca. 0,5 % aller Geburten persistiert die Fehlstellung bis zur vollständigen Muttermundöffnung. Durch die Einstellungsanomalie kann der kindliche Kopf nicht in den Geburtskanal eintreten.
Einteilung
Der hohe Geradstand kann weiter unterteilt werden in:
- dorsoanterior: vorderer hoher Geradstand
- dorsoposterior: hinterer hoher Geradstand
Ätiologie
Häufig scheint eine spastische Veränderung des Beckeneingangs, z.B. durch ein angespanntes unteres Uterinsegment oder einen angespannten Psoasmuskel, ursächlich zu sein. Auch ein langer, steiler Beckeneingang sowie ein verengtes Becken können zu einem hohen Geradstand führen. Seltener kommt es durch einen vorliegenden Arm, eine Nabelschnurumschlingung, eine Uterusdeformation oder ein Myom in Zervixnähe zu einem hohen Geradstand.
Oft bleibt die genaue Ursache ungeklärt.
Symptome
Bei einem hohen Geradstand können starke Symphysen-, Promontorium- und Psoasschmerzen auftreten. Der Bauch kann bei einem hinteren hohen Geradstand eine Sanduhrform aufweisen.
Diagnostik
Ein hoher Geradstand kann durch den Leopold-Handgriff diagnostiziert werden. Der Zangemeister-Handgriff ist positiv. Die kindlichen Herztöne sind in der Mittellinie (vorderer hoher Geradestand) bzw. tief in der Flanke (hinterer hoher Geradstand) deutlich zu hören.
Bei der vaginalen Untersuchung kann ein hochstehender Kopf trotz zunehmender Muttermunderöffnung (Leitstelle I bis 4) getastet werden. Die Pfeilnaht verläuft gerade. Beide Fontanellen sind schwer erreichbar. Die Haltung des kindlichen Kopfes bleibt indifferent. Bei vollständiger Muttermundöffnung ist eine Flexion möglich, sodass die kleine Fontanelle vorn (vorderer hoher Geradestand) bzw. hinten (hinterer hoher Geradstand) tastbar ist.
Eine Sonographie kann zur Bestätigung der Diagnose genutzt werden.
Komplikationen
Nach dem Blasensprung schwillt die Kopfhaut bei kräftiger Wehentätigkeit zu einem großen Caput succedaneum an. Dies kann bei einer vaginalen Untersuchung zur Fehldiagnose "Kopf ist tiefer getreten" führen.
Therapie
Bei einem hohen Geradstand werden folgende Maßnahmen empfohlen:
- Entspannung der Mutter (v.a. bei Verdacht auf einen spastischen Beckeneingang) durch Lagerung, Massage, Wärme oder Schmerzmittel
- Minderung des Kopfdrucks, um eine Drehung zu ermöglichen
- wechselnde Gebärhaltungen (nicht öfter als alle 10 bis 20 Minuten)
Mögliche Lagerungen sind:
- Knie-Kopf-Lagerung
- Simslage
- Vierfüßlerstand (nur bei hinterem hohem Geradstand)
Darüber hinaus kommt eine Kurzzeit-Tokolyse in Frage.
Bei vollständig geöffnetem Muttermund kann durch innere Rotation (z.B. dritter Leopold-Handgriff oder Kegelkugel-Handgriff nach Liepmann) versucht werden, die Kopfstellung zu korrigieren.
Bei einer Persistenz des hohen Geradstands über 2 bzw. 3 Stunden (PDA), muss eine Sectio durchgeführt werden.
Prognose
Ein protrahierter Geburtsverlauf ist wahrscheinlich. Es kann zu einer Roederer-Einstellung kommen. Ein hinterer hoher Geradstand kann durch Neigung des kindlichen Kopfes zu einer hinteren Hinterhauptshaltung führen. Durch wechselnde Gebärhaltungen kann ein Drehen des Kindes zu einer regelrechten vorderen Hinterhauptshaltung führen.
Literatur
- Stiefel et al. Hebammenkunde - Lehrbuch für Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Beruf, 6. aktualisierte und erweitere Auflage, Thieme Verlag. 2020
- Harder. Hoher Geradstand des Kopfes. Die Hebamme. 21(4):226-232. 2008