Herzschrittmacher-induzierte Kardiomyopathie
Englisch: pacemaker-induced cardiomyopathy (PICM), PMiCMP
Definition
Die Schrittmacher-induzierte Kardiomyopathie, kurz PICM, beschreibt eine sekundäre linksventrikuläre systolische Dysfunktion, die infolge einer langzeitigen, überwiegend rechtsventrikulären Stimulation durch einen Herzschrittmacher entsteht. Sie ist eine relevante, häufig unterschätzte Komplikation bei Patienten mit permanenten Herzschrittmachern.
Hintergrund
Ein chronisches rechtsventrikuläres Pacing, insbesondere der rechten Ventrikelspitze, kann eineHerzschrittmacher-induzierte Dyssynchronie verursachen, ähnlich einem linksventrikulären Schenkelblock. Während die physiologische Erregungsausbreitung über das His-Purkinje-System eine synchrone Depolarisation ermöglicht, erfolgt die Erregung bei RV-Spitzenstimulation verlangsamt über das Myokard. Diese asynchrone Aktivierung führt zu:
- einer ungleichmäßigen Kontraktion der Ventrikelwände,
- erhöhter Wandspannung,
- myokardialem Remodeling mit Fibrosebildung und
- einer fortschreitenden systolischen Dysfunktion.
Symptome
Die Schrittmacher-induzierte Kardiomyopathie äußert sich meist durch neu auftretende oder zunehmende Symptome einer Herzinsuffizienz, darunter Belastungsdyspnoe, Leistungsminderung und periphere Ödeme. Die Beschwerden treten typischerweise Monate bis Jahre nach der Implantation auf.
Risikofaktoren
Das Risiko einer PICM hängt stark vom Stimulationsmuster und von individuellen Faktoren ab. Zu den Risikofaktoren gehören u.a.:
- hoher Anteil an RV-Pacing (> 20–40 %)
- breiter QRS-Komplex unter Stimulation (> 150 ms)
- grenzwertige LVEF vor Implantation
- männliches Geschlecht
- Alter über 65 Jahre
- kardiovaskuläre Komorbiditäten (z.B. Hypertonie, Diabetes mellitus)
Diagnostik
Die Diagnostik beruht auf einer klinischen Beurteilung, Echokardiographie und Schrittmacheranalyse. Verdächtig ist eine neu aufgetretene oder progrediente systolische Dysfunktion bei hohem RV-Pacing-Anteil.
Typische Befunde:
- Echokardiographie: Abnahme der LVEF, ggf. LV-Dilatation und Dyssynchroniezeichen
- Schrittmacher- oder ICD-Abfrage: hoher RV-Pacing-Anteil
- Ausschluss anderer Ursachen (z.B. Ischämie, Klappenvitien, Tachyarrhythmien)
Eine Verlaufsechokardiographie nach 6 bis 12 Monaten ist insbesondere bei Patienten mit hoher Stimulationslast empfehlenswert.
Therapie
Die Behandlung der Schrittmacher-induzierten Kardiomyopathie zielt darauf ab, den Anteil des rechtsventrikulären Pacings zu reduzieren und eine möglichst synchrone Erregungsausbreitung wiederherzustellen.
Bei milden Formen kann eine Umprogrammierung des Aggregats, etwa durch Anpassung der AV-Zeit, bereits ausreichend sein.
Bei ausgeprägter systolischer Dysfunktion sollte auf eine physiologische Stimulationsform umgestellt werden, beispielsweise durch His-Bündel- oder linksschenkelnahe Stimulation (LBBAP). Alternativ kommt bei Patienten mit einer LVEF unter 50 % eine biventrikuläre Stimulation (CRT) in Betracht.
Ergänzend sollte eine Herzinsuffizienztherapie erfolgen, bestehend aus ACE-Hemmern oder Angiotensinrezeptorblockern, Betablockern und gegebenenfalls SGLT2-Inhibitoren.
Der Therapieerfolg ist regelmäßig echokardiographisch zu überprüfen.
Prognose
Eine PICM kann reversibel sein, insbesondere bei frühzeitiger Diagnose und Umstellung auf ein synchrones Pacing. Bei persistierender Dyssynchronie kann hingegen eine progressive Herzinsuffizienz mit schlechterer Prognose auftreten.
Literatur
- ESC Guidelines on Cardiac Pacing and CRT. Eur Heart J 2021
- Dust et al. Schrittmacher-induzierte Kardiomyopathie, Universitätsmedizin Berlin
- Fröhlig et al., Herzschrittmacher- und Defibrillator-Therapie, 3. Aufl., Georg Thieme Verlag, 2020
- Volz et al., Herzschrittmacherkontrolle, 2. Aufl., Elsevier, 2011
- Gazarek et al., Herzschrittmacher-Nachsorge für Einsteiger, 2. Aufl., Springer, 2023