Hemmkörperhämophilie
Definition
Die Hemmkörperhämophilie ist eine seltene Gerinnungsstörung, die durch Antikörper gegen Gerinnungsfaktoren verursacht wird. Diese werden als Hemmkörper oder Inhibitoren bezeichnet.
- ICD-Schlüssel: D68.31, D68.32, D68.34
Einteilung
Der Begriff "Hemmkörperhämophilie" ist zweideutig und wird für zwei pathophysiologisch unterschiedliche Krankheitsbilder verwendet:
- Autoantikörper bei Menschen, die vorher keine Gerinnungsstörung hatten und durch den Antikörper eine Hämophilie entwickeln (erworbene Hämophilie). Der Hemmkörper verursacht die Hämophilie.
- Alloantikörper bei Menschen, die eine typische, angeborene Hämophilie haben und die durch die Therapie mit Faktor VIII (oder Faktor IX) sensibilisiert werden, da dieser für sie ein Fremdprotein ist. Die entsprechende Substitutionstherapie der Hämophilie verursacht in diesem Fall den Hemmkörper.
Autoimmunerkrankung
Eine Hemmkörperhämophilie als Autoimmunerkrankung tritt typischerweise im höheren Lebensalter auf. Die Inzidenz wird auf 1:1.000.000 pro Jahr geschätzt. Ca. 50 % der Fälle sind idiopathisch, bei der anderen Hälfte lässt sich ein Auslöser festmachen. Dazu gehören Malignome, Autoimmunerkrankungen, Infektionen (z.B. Hepatitis B oder Hepatitis C), Schwangerschaft oder Medikamente (z.B. Penicillin). Der Hemmkörper kann gegen jeden Gerinnungsfaktor gerichtet sein, weitaus am häufigsten ist der Faktor VIII betroffen. Dieser Fall wird als "erworbene Hämophilie A" (acquired hemophilia A, AHA) bezeichnet.
Die Krankheit kann zu schweren Blutungen führen. Der Blutungstyp ist relativ charakteristisch, es sind vor allem flächige Einblutungen in die Subkutis, in die Muskulatur sowie Schleimhautblutungen. Bei der Labordiagnostik fällt eine stark verlängerte aPTT auf. Um die Verdachtsdiagnose zu erhärten, kann ein Plasmamischversuch durchgeführt werden.
Bei der Therapie gibt es zwei Wege: Gerinnungssubstitution und Immunsuppression. Wenn eine bedrohliche Blutung besteht, werden spezielle Gerinnungspräparate eingesetzt, die den Hemmkörper umgehen: rekombinanter, aktivierter Faktor VII (rFVIIa, Eptacog alfa, Novoseven®) oder aktivierter Prothrombin-Komplex (APCC). Außerdem wird der Antikörper durch Immunsuppressiva unterdrückt. Zur Erstlinientherapie gehören Glukokortikoide. Wenn ein Auslöser besteht, z.B. eine Medikamentenassoziation, so muss zuerst dieser behandelt werden.
Komplikation der Hämophilie
Da diese Krankheitsform nur bei behandelten Hämophilien auftritt, ist der in Frage kommende Personenkreis naturgemäß klein und bereits in hämostaseologischer Betreuung. Die Inzidenz beträgt bei Hämophilie A 20 bis 35 %, bei Hämophilie B 2 bis 6 %. Die Wahrscheinlichkeit, einen Hemmkörper zu entwickeln, hängt auch von der zu Grunde liegenden Mutation ab (vollständiges Fehlen oder Bildung eines nicht funktionsfähigen Gerinnungsfaktors).
Durch den Hemmkörper steigt die zur Faktorensubstitution benötigte Dosis stark an, d.h. es kommt unter Therapie wieder zu Blutungssymptomen. Der Blutungstyp entspricht dem der Hämophilie, es führen Gelenkblutungen. Die Behandlung erfolgt an spezialisierten Zentren. Ziel ist die Induktion einer Immuntoleranz.
Eine neuartige Therapieoption stellt das so genannte Faktor VIII-Mimetikum Emicizumab dar. Hierbei handelt es sich um einen monoklonalen Antikörper, der die Funktion des Faktors VIII nachahmt, aber aus einer völlig anderen Substanzgruppe stammt und durch den Hemmkörper nicht erfasst wird.
Messung der Hemmkörper-Aktivität
Die inhibitorische Aktivität und damit die Menge der Hemmkörper kann laborchemisch bestimmt werden, sie wird in Bethesda-Einheiten angegeben. Eine Bethesda-Einheit entspricht dabei der Faktor-inhibierenden Menge, die 50 % des Faktors innerhalb von 2 Stunden hemmt - gemessen unter Normalbedingung mit 37°C Körpertemperatur.
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