Chronische myelomonozytäre Leukämie
Synonym: CMML
Englisch: Chronic myelomonocytic leukemia
Definition
Die Chronische myelomonozytäre Leukämie, kurz CMML, ist eine maligne hämatologische Erkrankung, die durch eine abnorme Vermehrung der Monozyten im peripheren Blut und eine ineffektive Hämatopoese im Knochenmark gekennzeichnet ist. Es besteht ein erhöhtes Risiko für einen Übergang in eine Akute myeloische Leukämie (AML).
- ICD10-Code: C93.10
Einordnung
Von der Französich-Amerikanisch-Britischen Arbeitsgruppe wurde die CMML im Jahr 1982 zuerst zu den Myelodysplastischen Syndromen gezählt. Da die Erkrankung jedoch auch Knochenmark- und Blutbildveränderungen aufweist, die einer Myeloproliferativen Neoplasie ähneln, wird sie in der WHO-Klassifikation von 2022 in die Kategorie der myelodysplastischen/myeloproliferativen Erkrankungen eingeordnet.
Epidemiologie
Die geschätzte Anzahl an Neuerkrankungen pro Jahr liegt bei 1 bis 3 Fällen auf 100.000 Personen. Die Krankheit tritt meist im höheren Alter auf, wobei der Häufigkeitsgipfel zwischen dem 65. und 75. Lebensjahr liegt. Männer sind dreimal so häufig betroffen wie Frauen.[1]
Ätiologie
Die Ätiologie ist unklar. Sichere Risikofaktoren konnten bisher (2023) nicht identifiziert werden. Das bei anderen hämatologischen Neoplasien involvierte Benzol ist wahrscheinlich kein Risikofaktor.[1][2] Etwa 10 % der CMML-Fälle entstehen sekundär nach vorangegangener Chemo- oder Strahlentherapie.[3]
Pathogenese
Die Pathogenese der CMML ist noch weitgehend ungeklärt. Angenommen wird eine Anhäufung von somatischen Mutationen in unreifen myeloisch differenzierten Stammzellen, die zur Entwicklung von neoplastischen Zellklonen führt. Diese breiten sich im Knochenmark aus und verdrängen die normale Blutbildung, sodass vermehrt unreife Vorläuferzellen (Myeloblasten, Monoblasten, Promonozyten) und Monozyten vorliegen. Von mindestens einer myeloischen Zellreihe liegen bei der CMML auch Dysplasien vor. Die neoplastischen Zellen erscheinen schließlich auch im peripheren Blut und können sich in Organen wie Milz, Leber, Haut und Lymphknoten ablagern.
Bisher konnten einige Veränderungen identifiziert werden, die zur Entwicklung der CMML beitragen. Hierzu gehören chromosomale Aberrationen, wie zum Beispiel eine Trisomie von Chromosom 8 und strukturelle Veränderungen von Chromosom 7. Diese Veränderungen kommen bei 20 bis 50 % der Patienten vor.
Auch genetische Mutationen, die beispielsweise die epigenetische Kontrolle der Transkription (z.B. TET2, ASXL1, EZH2), die Signaltransduktion (z.B. Jak2, KRAS, NRAS) oder das alternative Spleißen (z.B. SRSF2, SF3B1, ZRSF2) betreffen, konnten bei einem relevanten Anteil der Patienten nachgewiesen werden.
Symptome
Ein Großteil der Fälle ist anfangs asymptomatisch, sodass die Erkrankung oft als Zufallsbefund im Rahmen einer Blutuntersuchung entdeckt wird. Erst im fortgeschrittenen Krankheitsverlauf treten Symptome auf, die durch die Knochenmarksinsuffizienz und monozytäre Organinfiltration bedingt sind:[4]
- Fatigue
- B-Symptomatik (Nachtschweiß, Fieber und Gewichtsverlust)
- Anämiesymptome
- Infektneigung aufgrund mangelnder oder defekter Leukozyten
- Blutungsneigung mit Petechien, Zahnfleischbluten und Hämatomen aufgrund der Thrombozytopenie. Schwere Blutungen sind jedoch selten.
- Splenomegalie, seltener Hepatomegalie und Lymphadenopathie
In etwa 20 % der Fälle ist die CMML mit Autoimmunerkrankungen vergesellschaftet, die der eigentlichen Symptomatik um Jahre vorausgehen können. Hierzu zählen u.a.:
- ITP
- Sweet-Syndrom
- Psoriasis
- rheumatoide Arthritis
- Vaskulitiden
Einteilung
Die WHO unterteilt die CMML in folgende Untergruppen:
- CMML-1: Blasten im peripheren Blut < 5 % und im Knochenmark < 10 %
- CMML-2: Blasten im peripheren Blut 5-19 % oder im Knochenmark 10-19 %
- CMML-1 oder CMML-2 mit Eosinophilie: Kriterien für CMML-1 oder CMML-2 und > 1.500/µl eosinophile Granulozyten im peripheren Blut
Diagnostik
Das entscheidende diagnostische Kriterium ist eine persistierende, anders nicht erklärbare Monozytose > 1.000/µl. Die Leukozytenzahl kann erniedrigt, normwertig oder erhöht sein.
Die Diagnosestellung basiert auf einer Analyse von Blut- und Knochenmarksproben. Außerdem sind molekularbiologische und zytogenetische Untersuchungen nötig.
Die WHO definiert vier Kriterien, die zur Diagnosestellung erfüllt sein müssen:
- Monozytose > 1.000/µl im peripherem Blut, die über mindestens drei Monate besteht
- Kein Philadelphia-Chromosom oder Bcr/Abl-Fusionsgen nachweisbar
- < 20 % Myeloblasten, Monoblasten und Promonozyten im peripheren Blut oder Knochenmark
- Dysplastische Veränderungen in mindestens einer myeloischen Zellreihe
Wenn keine Dysplasien nachweisbar sind, ist die Diagnose eine CMML möglich, wenn eines der folgenden Kriterien erfüllt ist:
- Erworbene klonale zytogenetische Veränderungen in den Knochenmarkszellen
- über 3 Monate bestehende Monozytose
- Ausschluss aller anderen Differenzialdiagnosen einer Monozytose
Differentialdiagnostik
Differenzialdiagnostisch kommen zum einem andere Leukämieformen in Betracht: CML bei Nachweis des Philadelphia-Chromosoms oder Bcr/Abl-Fusionsgens und AML bei einem Blastenanteil im Knochenmark von > 20 %. Weiterhin sollte an andere myelodysplastischen Syndrome und an Infektionskrankheiten, die mit einer Veränderung hämatologischer Merkmale einhergehen, gedacht werden. Beispiele sind Tuberkulose, subakute bakterielle Endokarditis, sowie Parasitosen (z.B. Leishmaniose) und chronische Pilzinfektionen.
Therapie
Die CMML ist gegenwärtig nicht heilbar. Eine allogene Stammzelltransplantation stellt den einzigen kurativen Ansatz dar. Diese ist jedoch mit vielen Risiken verbunden und für eine Vielzahl von Patienten aufgrund des fortgeschrittenen Alters oder der Komorbiditäten nicht geeignet.
Für einen Großteil der Patienten kommen nur unterstützende Maßnahmen zur Verbesserung der Symptomatik in Frage.
- Verabreichen von Erythrozytenkonzentraten und EPO zur Behandlung der Anämie
- Verabreichen von Thrombozytenkonzentraten zur Behandlung der Thrombozytopenie
- Verabreichen von G-CSF zur Stimulation der physiologischen Granulozytopoese
- Antibiotikagabe bei Infektionen
- Cytoreduktive Maßnahmen bei einer erhöhten Anzahl von Leukozyten (Hydroxyurea)
- Chemotherapeutika (u.a. Cytarabin, Topoisomerasehemmer wie Etoposid oder Topotecan)
Die einzige spezifische Therapieoption der CMML stellt die Verabreichung von demethylierenden Substanzen wie Azacitidin dar. In der EU ist diese Substanz für CMML2-Patienten zugelassen. Bei asymptomatischen Patienten wird eine "Watchful Waiting"-Strategie verfolgt.
Prognose
Mit einer mittleren Überlebenszeit von 20 bis 30 Monaten ist die CMML mit einer eher schlechten Prognose belegt.
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 Strom SS, Gu Y, Gruschkus SK et al.: "Risk Factors of Myelodysplastic Syndromes: A Case-Control Study", Tabelle 5. Leukemia , 2005.
- ↑ Gross SA, Irons RD, Scott PK et al.: "A Case-Control Study of Chronic Myelomonocytic Leukemia (CMML) in Shanghai, China: Evaluation of Risk Factors for CMML, With Special Focus on Benzene". Archives of Environmental and Occupational Health, 2012.
- ↑ Kreuzer K (Hrsg.): "Referenz Hämatologie". 1. Auflage. Thieme Verlag, Stuttgart, 2018.
- ↑ Onkopedia; Chronische Myelomonozytäre Leukämie (CMML); Stand März 2023
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