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==Indikationen== | ==Indikationen== | ||
Die häufigste Indikation einer systemischen Thrombolyse ist der [[Ischämischer Schlaganfall|ischämische Schlaganfall]] | Die häufigste Indikation einer systemischen Thrombolyse ist der [[Ischämischer Schlaganfall|ischämische Schlaganfall]]. Sie ist innerhalb von 4,5 Stunden nach Symptombeginn bzw. nach dem Zeitpunkt indiziert, an dem der Patient zuletzt gesund gesehen wurde.<ref name="Leitlinie">[https://register.awmf.org/assets/guidelines/030-046l_S2e_Akuttherapie-des-ischaemischen-Schlaganfalls_2022-11.pdf S2e-Leitlinie Akuttherapie des ischämischen Schlaganfalls] Deutsche Gesellschaft für Neurologie, 2022</ref> Im Einzelfall kann eine Thrombolyse auch im sogenannten erweiterten Zeitfenster (4,5 - 9 Stunden nach Symptombeginn) oder, bei unklarem Zeitfenster, mit Bemerken der Symptome < 4,5 h als individueller Heilversuch bzw. als [[Off-Label-Therapie]] erwogen werden. Hierzu ist der Nachweis einer [[Penumbra]] in der [[Computertomographie|CT]] oder [[Magnetresonanztomographie|MRT]] notwendig. | ||
Weitere mögliche Einsatzgebiete der systemischen Thrombolyse sind: | Weitere mögliche Einsatzgebiete der systemischen Thrombolyse sind: | ||
* [[Lungenarterienembolie]]: im Falle einer [[Reanimation|Reanimationspflichtigkeit]] oder bei intermediär-hohem Risiko ([[sPESI]] ≥1, [[Rechtsherzbelastung]] und positive [[Herzenzyme|kardiale Biomarker]]) | * [[Lungenarterienembolie]]: Die Thrombolyse ist im Falle einer [[Reanimation|Reanimationspflichtigkeit]] oder bei intermediär-hohem Risiko ([[sPESI]] ≥1, [[Rechtsherzbelastung]] und positive [[Herzenzyme|kardiale Biomarker]]) und Zeichen einer [[Hämodynamisch|hämodynamischen]] Dekompensation im Verlauf indiziert. Dazu zählen das Eintreten einer Reanimationspflichtigkeit, persistierende [[Hypotension]], Zeichen der verminderten Organperfusion und persistierender [[Katecholamin|Katecholaminbedarf]] zur Aufrechterhaltung des [[Systolisch|systolischen]] [[Blutdruck|Blutdrucks]] (≥ 90 [[mmHg]]). | ||
* [[STEMI]]: | * [[STEMI]]: Aufgrund der praktisch flächendeckenden Möglichkeit einer primären [[Perkutane transluminale Koronarangioplastie|perkutanen Koronarintervention]] (PCI) kommt die Thrombolyse nur in seltenen Einzelfällen zum Einsatz. | ||
* [[Mesenterialvenenthrombose]]: | * [[Mesenterialvenenthrombose]]: In der Regel ist eine [[Antikoagulation]] mit [[Unfraktioniertes Heparin|unfraktioniertem Heparin]] ausreichend, sodass eine systemische Thrombolyse nicht notwendig ist. | ||
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* Lungenarterienembolie: | * Lungenarterienembolie: Als Alternative zur systemischen Lyse, falls diese kontraindiziert ist und das interventionelle Verfahren verfügbar ist. | ||
== Komplikationen == | == Komplikationen == | ||
Die wichtigste Komplikation der systemischen Thrombolyse ist eine nachfolgende [[Blutung]]. Nach intravenöser Lyse kommt es in bis zu 15 % der Fälle zu einer [[Intrazerebrale Blutung|intrazerebralen Blutung]]. | Die wichtigste Komplikation der systemischen Thrombolyse ist eine nachfolgende [[Blutung]]. Nach intravenöser Lyse kommt es in bis zu 15 % der Fälle zu einer [[Intrazerebrale Blutung|intrazerebralen Blutung]]. | ||
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Die [[American Heart Association]] (AHA) zeichnet die systemische Thrombolyse | Die [[American Heart Association]] (AHA) zeichnet die systemische Thrombolyse beim ischämischen Schlaganfall mit dem höchsten [[Evidenzgrad]] (1A-1B) aus.<ref name="AHA">[http://stroke.ahajournals.org/content/49/3/e46 2018 Guidelines for the early management of patients with acute ischemic stroke] Powers WJ et al., Stroke, 2018</ref> Besonders im englischen Sprachraum wird die Studienlage jedoch kontrovers diskutiert.<ref name="BMJ">[http://www.bmj.com/about-bmj/poll-archive Umfrage: Do risks outweigh benefits in thrombolysis for stroke?] BMJ, 2013</ref><ref name="BMC">[https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4482289/ Agreement with evidence for tissue Plasminogen Activator use among emergency physicians: a cross-sectional survey] Grady AM et al., BMC Res Notes, 2015 </ref> Kritiker führen an, dass angesichts der erheblichen Nebenwirkungen weitere randomisierte kontrollierte Studien notwendig sind, um einen flächendeckenden Einsatz der Thrombolyse beim ischämischen Schlaganfall zu rechtfertigen.<ref name="NINDS">[https://www.cambridge.org/core/journals/canadian-journal-of-emergency-medicine/article/tissue-plasminogen-activator-for-acute-ischemic-stroke-is-the-caep-position-statement-too-negative/3089C61ECEF08B43103D9F56CBA4277A Thrombolytic therapy for acute ischemic stroke - Tissue plasminogen activator for acute ischemic stroke: Is the CAEP Position Statement too negative] Hoffman JR, CJEM, 2001</ref><ref name="Reanalysis">[https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19464756 A Graphic Reanalysis of the NINDS Trial.] Hoffman JR, Annals of Emergency Medicine, 2009</ref><ref name="IST-3">[https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23039286 How is more negative evidence being used to support claims of benefit: The curious case of the third international stroke trial (IST-3).] Hoffman JR, Emerg Med Australas, 2012</ref> | ||
Besonders im englischen Sprachraum wird die Studienlage jedoch kontrovers diskutiert.<ref name="BMJ">[http://www.bmj.com/about-bmj/poll-archive Umfrage: Do risks outweigh benefits in thrombolysis for stroke?] BMJ, 2013</ref> <ref name="BMC">[https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4482289/ Agreement with evidence for tissue Plasminogen Activator use among emergency physicians: a cross-sectional survey] Grady AM et al., BMC Res Notes, 2015 </ref> | |||
==Quellen== | ==Quellen== |
Aktuelle Version vom 21. März 2024, 10:08 Uhr
Synonym: Lysetherapie
Englisch: thrombolysis
Definition
Unter Thrombolyse versteht man die Auflösung eines Thrombus mithilfe von Fibrinolytika (z.B. Alteplase oder Tenecteplase). Dies ist in der Regel nur bei kleinen, frischen Thromben möglich.
Einteilung
Unterschieden werden die systemische Thrombolyse, bei der das Medikament intravenös verabreicht wird und die lokale Thrombolyse (Katheterlyse), bei der das Medikament über einen Katheter direkt in das betroffene Gefäß appliziert wird. Die Katheterlyse wird häufig mit einer mechanischen Thrombusfragmentation und/oder -aspiration (mechanische Thrombektomie) kombiniert. Man spricht hier auch von einer pharmakomechanischen Thrombolyse (PCDT).
siehe Hauptartikel: Katheterlyse
Indikationen
Die häufigste Indikation einer systemischen Thrombolyse ist der ischämische Schlaganfall. Sie ist innerhalb von 4,5 Stunden nach Symptombeginn bzw. nach dem Zeitpunkt indiziert, an dem der Patient zuletzt gesund gesehen wurde.[1] Im Einzelfall kann eine Thrombolyse auch im sogenannten erweiterten Zeitfenster (4,5 - 9 Stunden nach Symptombeginn) oder, bei unklarem Zeitfenster, mit Bemerken der Symptome < 4,5 h als individueller Heilversuch bzw. als Off-Label-Therapie erwogen werden. Hierzu ist der Nachweis einer Penumbra in der CT oder MRT notwendig.
Weitere mögliche Einsatzgebiete der systemischen Thrombolyse sind:
- Lungenarterienembolie: Die Thrombolyse ist im Falle einer Reanimationspflichtigkeit oder bei intermediär-hohem Risiko (sPESI ≥1, Rechtsherzbelastung und positive kardiale Biomarker) und Zeichen einer hämodynamischen Dekompensation im Verlauf indiziert. Dazu zählen das Eintreten einer Reanimationspflichtigkeit, persistierende Hypotension, Zeichen der verminderten Organperfusion und persistierender Katecholaminbedarf zur Aufrechterhaltung des systolischen Blutdrucks (≥ 90 mmHg).
- STEMI: Aufgrund der praktisch flächendeckenden Möglichkeit einer primären perkutanen Koronarintervention (PCI) kommt die Thrombolyse nur in seltenen Einzelfällen zum Einsatz.
- Mesenterialvenenthrombose: In der Regel ist eine Antikoagulation mit unfraktioniertem Heparin ausreichend, sodass eine systemische Thrombolyse nicht notwendig ist.
Einsätze der Katheterlyse sind:
- Akute Mesenterialischämie ohne Peritonitis oder Darmwandnekrose
- akuter arterieller Extremitätenverschluss
- akute Nierenvenenthrombose
- Lungenarterienembolie: Als Alternative zur systemischen Lyse, falls diese kontraindiziert ist und das interventionelle Verfahren verfügbar ist.
Komplikationen
Die wichtigste Komplikation der systemischen Thrombolyse ist eine nachfolgende Blutung. Nach intravenöser Lyse kommt es in bis zu 15 % der Fälle zu einer intrazerebralen Blutung.
Klinische Bedeutung
Die American Heart Association (AHA) zeichnet die systemische Thrombolyse beim ischämischen Schlaganfall mit dem höchsten Evidenzgrad (1A-1B) aus.[2] Besonders im englischen Sprachraum wird die Studienlage jedoch kontrovers diskutiert.[3][4] Kritiker führen an, dass angesichts der erheblichen Nebenwirkungen weitere randomisierte kontrollierte Studien notwendig sind, um einen flächendeckenden Einsatz der Thrombolyse beim ischämischen Schlaganfall zu rechtfertigen.[5][6][7]
Quellen
- ↑ S2e-Leitlinie Akuttherapie des ischämischen Schlaganfalls Deutsche Gesellschaft für Neurologie, 2022
- ↑ 2018 Guidelines for the early management of patients with acute ischemic stroke Powers WJ et al., Stroke, 2018
- ↑ Umfrage: Do risks outweigh benefits in thrombolysis for stroke? BMJ, 2013
- ↑ Agreement with evidence for tissue Plasminogen Activator use among emergency physicians: a cross-sectional survey Grady AM et al., BMC Res Notes, 2015
- ↑ Thrombolytic therapy for acute ischemic stroke - Tissue plasminogen activator for acute ischemic stroke: Is the CAEP Position Statement too negative Hoffman JR, CJEM, 2001
- ↑ A Graphic Reanalysis of the NINDS Trial. Hoffman JR, Annals of Emergency Medicine, 2009
- ↑ How is more negative evidence being used to support claims of benefit: The curious case of the third international stroke trial (IST-3). Hoffman JR, Emerg Med Australas, 2012