Zerebelläre Abiotrophie (Hund)
Synonym: Kleinhirndegeneration
Definition
Die zerebelläre Abiotrophie, auch Kleinhirndegeneration genannt, ist eine degenerative Kleinhirnerkrankung des Hundes, die durch einen progressiven Untergang der zerebellären Neuronen gekennzeichnet ist.
Ätiologie
Die Erkrankung ist vermutlich überwiegend genetisch bedingt. Sie ist v.a. beim Gordon Setter, Airdale Terrier, Kerry Blue Terrier, Australischen Kelpie, American Staffordshire Terrier, Bullterrier, Bullmastiff, Coton de Tulear, Bobtail, Scottish Terrier, Border Collie sowie beim Berner Sennenhund beschrieben.
Zu einer ähnlichen Symptomatik kann es auch infolge einer intrauterinen oder neonatalen Herpesvirusinfektion kommen.
Pathogenese
Bei der zerebellären Abiotrophie kommt es zum progressiv fortschreitenden Absterben der Zellen des Kleinhirns, da wichtige Stoffwechselabläufe plötzlich nicht mehr zur Verfügung stehen (Abiotrophie). Die Purkinjezellen unterliegen dabei einem vorzeitigen programmierten Zelltod (Apoptose).
Klinik
Betroffene Welpen entwickeln sich in den ersten Lebensmonaten normal. Im weiteren Wachstum treten dann plötzlich progressive Kleinhirnstörungen auf, z.B. Ataxie, Tremor, Nystagmus, reduzierte Drohreaktion und Opisthotonus. Der Zeitpunkt der klinischen Manifestation ist variabel. Sind bereits bei Geburt Symptome vorhanden, muss von einer sogenannten zerebellären Hypoplasie ausgegangen werden.
Da die Purkinjezellen für die Modulation der Informationen von Großhirn, Gleichgewichtsorgan und Rückenmark verantwortlich sind, führt ein Ausfall dieser Kontrolle zu einer typischen Ataxie, die jedoch nicht mit einer Parese verwechselt werden darf. Der Gleichgewichtssinn ist sichtlich beeinträchtigt, weshalb die Tiere vermehrt umkippen und über einen breitbeinigen Stand versuchen, ihr Gleichgewicht zu halten. Durch den (teilweisen) Verlust der Kontrolle über die Streckmuskeln der Gliedmaßen kommt es zu einem charakteristischen Gangbild. Die Gliedmaßen werden bei Vorwärtsbewegung übertrieben hoch angehoben und zu weit nach vorne ausgegriffen (Hypermetrie).
Differenzialdiagnosen
Aufgrund der typischen Symptome sind neben einer kongenitalen Hypoplasie auch unterschiedliche Infektionskrankheiten, wie z.B. Staupe, Herpesvirusinfektionen, Toxoplasmose, Neosporose sowie Systemmykosen, in Betracht zu ziehen.
Bei älteren Tieren (> 2 Jahre) müssen zusätzlich eine granulomatöse Meningoenzephalitis (GME), Intoxikationen und Traumata ausgeschlossen werden.
Diagnose
Die Verdachtsdiagnose ergibt sich anhand der Klinik, der Rasse und des Alters. Mittels MRT-Untersuchung können Differenzialdiagnosen ausgeschlossen und charakteristische Läsionen (z.B. tiefe zerebelläre Sulci mit prominentem Subarachnoidalraum) sichtbar gemacht werden.
Eine endgültige Diagnosesicherung ist jedoch nur histopathologisch und daher erst postmortem möglich.
Therapie
Eine Kausaltherapie existiert nicht. Betroffene Tiere sind unbedingt von der Zucht auszuschließen. Abhängig von der Schwere der Symptome ist eine Euthanasie in Betracht zu ziehen.
Prognose
Die Krankheit verläuft meistens progressiv, sodass es zu einer zunehmenden Verschlechterung der Symptome kommt. In wenigen Fällen kann auch eine Stabilisierung der Symptome eintreten.
Literatur
- Kohn B, Schwarz G (Hrsg.). 2017. Praktikum der Hundeklinik. 12., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in Georg Thieme Verlag KG. ISBN: 978-3-13-219961-3
Quelle
- Justus-Liebig-Universität Gießen. Abiotrophie bei Hund und Katze Patienteninformation Neurologie (abgerufen am 18.06.2022)
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