Wolf-Hirschhorn-Syndrom
nach Ulrich Wolf, Humangenetiker aus Freiburg i.B., und Kurt Hirschhorn
Synonym: Chromosom-4p-Syndrom
Definition
Das Wolf-Hirschhorn-Syndrom ist ein Fehlbildungskomplex, dessen Ursache ein teilweises (partielles) Fehlen (Deletion) des Chromosom 4 ist. Die Bezeichnung dieser strukturellen Chromosomenaberration lautet daher 46,XX,del(4p). Das fehlende Stück ist das Ende des kurzen p-Arms des Chromosoms, wobei bei den Betroffenen unterschiedlich große Genabschnitte fehlen. Die Größe des fehlenden Genabschnittes ist proportional zum Ausmaß der Erkrankung.
Entstehung und Häufigkeit
In den meisten Fällen (90%) tritt die ausschlaggebende Deletion durch eine Neumutation auf, das bedeutet, die Erkrankung wird in der Regel nicht durch die Eltern vererbt. Hierbei besteht auch kein erhöhtes Risiko für Geschwisterkinder, vom Wolf-Hirschhorn-Syndrom betroffen zu sein. 10% der Deletionen entstehen durch Translokationen, bei denen ein Bruchstück des Chromosoms 4 an ein anderes Chromosom angelagert wird.
Die Häufigkeit der Erkrankung liegt bei 1:50000. Ein Drittel der Betroffenen stirbt im ersten Lebensjahr, von den Überlebenden sind zwei Drittel Mädchen.
Klinik
Beim Wolf-Hirschhorn-Syndrom zeigen sich multiple Fehlbildungen und Dysmorphien in verschiedenen Körpersystemen. Alle folgenden Fehlbildungen können, müssen jedoch nicht auftreten.
Fehlbildungen des Kopfes und des Gesichts
Der Phänotyp zeigt charakteristische Fehlbildungen in der Mittellinie des Gesichtes, die häufig als "greek warrior helmet facies" beschrieben werden, da sie an das Aussehen griechischer Kriegshelme erinnern.
- Dolichozephalie: Langschädel
- Defekte der Kopfhaut
- hohe Stirn
- Hypertelorismus: vergrößerter Abstand zwischen den Augen
- Exophthalmus: vorstehender Augapfel (Bulbus)
- herabhängende Augenlider (Ptosis) und abfallende Lidachse
- Epikanthus: sichelförmige Hautfalte vom oberen zum unteren Augenlid, die sich im inneren Augenwinkel befindet
- geringe Behaarung der Augenbrauen im Mittelbereich
- breite Nasenwurzel und breiter Nasenrücken
- kleines Philtrum (Furche über der Oberlippe)
- herabgezogene und kurze Mundwinkel (fischähnlicher Mund)
- Lippen-Kiefer-Gaumenspalte
- Mikroretrogenie: zu kleines und nach hinten gewandtes Kinn
- kurzer Hals
- Fehlbildungen der Ohren
- Anhängsel oder Grübchen an den Ohren
- tiefsitzende Ohren
- Schwerhörigkeit oder Taubheit
- Fehlbildungen der Augen
- grüner Star (Glaukom)
- grauer Star (Katarakt)
- Hornhautverkrümmung
- Schielen (Strabismus)
- Irisspalten
- Nystagmus: Augenzittern
Fehlbildungen des Gehirns
- Mikrozephalie
- Unterentwicklung des Kleinhirns (Kleinhirnhypoplasie)
- Cerebralparese
- Epilepsie
Fehlbildungen des Herzens
- Aortenvitium
- offener Ductus Botalli
- Herzklappenfehler
- Herzrhythmusstörungen
- Vorhofseptumdefekt (ASD)
Weitere Fehlbildungen
- Fehlbildungen der Nieren
- Fehlbildungen der Genitalien
- Fehlbildungen der Extremitäten
- Verdopplung des Daumens oder der Großzehe
- unterentwickelte Fingerabdrücke
- Hyperkonvexe (stark aufwärts gekrümmte) Fingernägel
- lange und dünne Gliedmaßen
- Fußfehlstellungen
Darüber hinaus gibt es allgemeine Symptome, die auf ein Wolf-Hirschhorn-Syndrom hinweisen:
- niedriges Gewicht und geringe Größe bei der Geburt
- verzögertes Wachstum
- verzögertes Knochenwachstum
- geistige Behinderung
- motorische und psychomotorische Retardierung
- Infektanfälligkeit (v.a. obere Luftwege)
Diagnostik
Relativ unsichere Methoden zur Diagnostik des Wolf-Hirschhorn-Syndroms sind Untersuchungen. Klarheit verschafft oft eine Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH), ein zytogenetisches Verfahren, mit dem numerische oder strukturelle Chromosomenaberrationen nachgewiesen werden können. Als Marker dienen hierbei floureszenzmarkierte DNA-Sonden.
Therapie
Das Wolf-Hirschhorn-Syndrom ist angeboren und zur Zeit (2014) nicht heilbar, behandelt werden jedoch die Symptome, um die Lebensqualität der Betroffenen zu steigern. Hierzu zählen die medikamentöse Therapie einiger Symptome (z.B. der Epilepsie), Krankengymnastik, chirurgische Therapie einiger Fehlstellungen sowie hochkalorische Ernährung und intensive Betreuung.
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