Unterlippenablederung (Katze)
Synonym: Ablederung der Unterlippe
Definition
Unter einer Unterlippenablederung versteht man die traumatische Ablösung der Unterlippe vom Unterkieferknochen (Mandibula) bei der Katze.
Ätiologie
Die Ablederung der Unterlippe vom darunterliegenden Knochen ist eine typische Verletzung der Katze, die insbesondere nach Fensterstürzen auftritt.
Pathogenese
Durch die nach kaudal gerichteten tangentialen Kräfte, die beim Trauma auf den Patienten einwirken, wird die Unterlippe mitsamt der Maulschleimhaut inklusive (mehr oder weniger großen) Kinnhautanteilen von der knöchernen Unterlage abgerissen. Der Abriss erfolgt meistens an der Grenze zur befestigten Gingiva.
Das Ausmaß der Verletzung reicht von kleinflächigen Ablösungen im Bereich der Pars incisiva mandibulae bis hin zu großflächigen Denudationen des Unterkiefers.
Klinik
Betroffene Tiere zeigen einen mehr oder weniger großen Gewebedefekt im Bereich der Unterlippe, der bis auf den Knochen reichen kann. Abhängig von der Schwere und dem tatsächlichen Unfallhergang ist die Wunde mit Schmutz kontaminiert und kann auch stark bluten.
Diagnose
Die Diagnose ergibt sich aus der Anamnese, der klinischen Untersuchung sowie der typischen Klinik. Zur Absicherung eventueller Frakturen sollten im Zweifelsfall Röntgenaufnahmen angefertigt werden.
Therapie
Nach umfangreichem Debridement und Spülung der Wunde wird die abgerissene Unterlippe bzw. Kinnhaut mithilfe einer horizontalen Matratzen- und Einzelknopfnaht an die knöcherne Mandibula adaptiert.
Bei intakten Incisivi können die Fäden dicht am Unterkieferknochen durch die interdentale Gingiva und jeweils um einen Schneidezahn herum geführt und labial geknotet werden. Fehlen Zähne oder liegt ein ausgedehnter Weichteildefekt vor, müssen kleinlumige Löcher von labial nach lingual in den Margo alveolaris mandibulae (unter Schonung noch vorhandener Zahnwurzeln) gebohrt werden, um die abgelösten Gewebeanteile sicher an die Mandibula zu fixieren. Durch diese Bohrlöcher werden dann rückläufige resorbierbare monofile Fäden geführt und verknotet.
Bei großflächigen Ablederungen muss zusätzlich für eine ausreichende Drainage der Wunde gesorgt werden (z.B. mittels Penrose-Drain). Gleichzeitig müssen vorhandene Plaques und Zahnstein entfernt werden, um Wundheilungsstörungen vorzubeugen. Postoperativ ist eine mehrtägige Breitbandantibiose (z.B. Kombinationen von Spiramycin und Metronidazol oder Amoxicillin und Clavulansäure) empfehlenswert.
Prognose
Bei frischen Verletzungen mit vitalem Gewebe ist die Prognose bei rechtzeitiger und adäquater Therapie gut. Größere und umfangreiche Weichteilverluste müssen mit aufwendigeren Verschiebeplastiken versorgt werden.
Literatur
- Schmidt V, Horzinek MC (Begr.), Lutz H, Kohn B, Forterre F (Hrsg.). 2015. Krankheiten der Katze. 5., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co KG. ISBN: 978-3-8304-1242-7
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