Somnambulismus
von lateinisch: somnus - Schlaf und ambulare - wandern
Synonyme: Somnambulie, Mondsucht, Schlafwandeln
Definition
Somnambulismus, im Volksmund auch Schlafwandeln genannt, ist eine Schlafstörung, bei der Betroffene in einem halbwachen Zustand das Bett verlassen, umherlaufen und teils komplexe Handlungen ausführen, ohne bei Bewusstsein zu sein. Der Somnambulismus gehört zur Gruppe der Parasomnien.
Terminologie
Früher nahm man an, dass der Einfluss des Vollmondes einen Somnambulismus auslösen kann, weswegen sich der Begriff Mondsucht bis heute hartnäckig hält. Wissenschaftlich konnte jedoch mittlerweile widerlegt werden, dass es einen Zusammenhang zwischen Vollmond und Schlafwandeln gibt.
Epidemiologie
Schätzungen zufolge sind 1 bis 2 % der Erwachsenen von Somnambulismus betroffen. Dagegen haben bis zu 25 % der Kinder mindestens eine Episode von Somnambulismus.
Ätiologie
Der genaue Pathomechanismus ist derzeit (2024) noch nicht vollständig geklärt. Eine genetische Prädisposition gilt als sicher, da eine familiäre Häufung besteht.
Der Somnambulismus tritt aus dem Tiefschlaf heraus auf, nicht, wie lange angenommen, in der REM-Schlafphase. Eine Verbindung mit intensiven Träumen besteht nicht. Es wird vermutet, dass bei Betroffenen das Gehirn nach einem Weckreiz nicht vollständig erwacht, sodass teils komplexe Handlungen möglich sind, die jedoch nicht bewusst wahrgenommen oder erinnert werden. Meist tritt das Phänomen etwa 2 bis 3 Stunden nach dem Einschlafen auf.
Vermehrter Stress kann zur Zunahme von Schlafwandelepisoden führen (z.B. Einschulung, Übernachtung auswärts, beruflicher Stress). Weitere Risikofaktoren für das Auftreten von Somnambulismus-Episoden sind Faktoren, die eine Schlafvertiefung fördern. Dazu gehören z.B. Schlafentzug, Alkoholkonsum, die Einnahme bestimmter Medikamente, nächtliche Atemstörungen oder Fieber. Eine gefüllte Blase, Lärm oder Hunger scheinen das Auftreten noch weiter zu begünstigen.
Auslösende Medikamente sind z.B.:
- Beruhigungs- und Schlafmittel (Benzodiazepine, Z-Substanzen)
- Antidepressiva
- Neuroleptika (z.B. Quetiapin, Olanzapin)
Als Ursache für das gehäufte Auftreten des Somnambulismus im Kindesalter wird ein tieferer Tiefschlaf angesehen.
Symptome
Der Somnambulismus ist durch verschiedene Symptome gekennzeichnet:
- Umhergehen, trotz Tiefschlaf
- geringe Reaktion auf Außenreize
- starre Mimik
- schwere Weckbarkeit
- sehr selten aggressives Verhalten
- Amnesie für den Zeitraum der Episode
Die meisten Schlafwandler können eher keine komplexen Aktivitäten beim Schlafwandeln ausführen. In seltenen Fällen konnten Menschen während des Schlafwandelns jedoch sogar Auto fahren oder kochen. Solche komplexen Handlungen sind wahrscheinlicher, wenn der Patient vor der Episode unter Schlafentzug leidet, insbesondere nach Wachphasen von mehr als 24 Stunden.
Diagnostik
Die Diagnose umfasst eine ausführliche Anamnese, einschließlich Medikamentenanamnese, sowie die allgemeine körperliche und neurologische Untersuchung. Eine apparative Diagnostik ist i.d.R. nicht notwendig.
Ein ambulantes Screening auf nächtliche Atemstörungen und eine Untersuchung im Schlaflabor mit Langzeit-EEG und nächtlicher Videoüberwachung können jedoch im Einzelfall erforderlich und sinnvoll sein.
Differentialdiagnosen
Somnambulismus muss von der REM-Schlaf-Verhaltensstörung abgegrenzt werden. Diese ist durch Bewegungen aufgrund intensiv erlebter Träume gekennzeichnet, oft mit intensiven Trauminhalten und Verletzungen, wobei die Umgebung nicht wahrgenommen wird. Es kann sich dabei um ein Frühsymptom der Parkinson-Krankheit handeln.
Andere Störungen wie nächtliche Verwirrtheitszustände, epileptische Anfälle, Demenz und bewusstes nächtliches Essen sind ebenfalls abzugrenzen.
Therapie
Eine spezielle Therapie gegen Somnambulismus existiert nicht. Wenn möglich, sollten Betroffene zunächst nicht geweckt werden, um eine Desorientierung und mögliche verteidigende Abwehrreaktion zu vermeiden. Die Person sollte eher ruhig angesprochen und ins Bett zurückgeführt werden.
Teils werden beruhigende Psychopharmaka, wie z.B. Benzodiazepine oder trizyklische Antidepressiva, eingesetzt, die Evidenzlage ist jedoch nicht abschließend geklärt.
Prävention
Betroffene sollten auf eine gute Schlafhygiene achten und Provokationsfaktoren möglichst vermeiden. Zudem können Entspannungstechniken vor dem Einschlafen zu einer Reduktion der Schlafwandel-Phasen führen. Die Umgebung von betroffenen Personen sollte gesichert werden (keine geöffneten Fenster, keine gefährlichen Gegenstände), um Verletzungen zu vermeiden.
Literatur
- AG Traum der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin – Schlafwandeln, wie kann ich damit umgehen?, abgerufen am 19.08.2024
- br.de – Somnambulismus: Was Sie übers Schlafwandeln wissen sollten, abgerufen am 19.08.2024