Schluckreflextriggerung
Synonyme: Schluckreflexauslösung, Auslösung des Schluckreflexes
Englisch: swallow reflex stimulation, swallow reflex initiation
Definition
Die Schluckreflextriggerung bezeichnet die gezielte Auslösung des Schluckreflexes durch sensorische, taktile, thermische oder gustatorische Reize im Oropharynx. Sie wird vor allem in der Diagnostik und Therapie von Dysphagien eingesetzt, um die Reflexaktivität zu prüfen, zu stimulieren oder wiederherzustellen.
Physiologie
Der Schluckreflex ist ein komplexer, zentral gesteuerter Reflex, der über sensible Afferenzen vermittelt wird. Die Reflexzonen liegen an den Gaumenbögen, der Zungenbasis und der Rachenhinterwand. Nach Reizung dieser Bereiche werden die Impulse an das Schluckzentrum in der Medulla oblongata weitergeleitet. Von dort aus erfolgt über efferente Nervenbahnen eine koordinierte Aktivierung der Pharynx-, Larynx- und ösophagealen Muskulatur. Der Reflex bewirkt eine rasche Schließung des Larynx, das Anheben des Kehlkopfs sowie den Transport des Bolus in den Ösophagus.
Ziele
Die Schluckreflextriggerung dient der Verbesserung der pharyngealen Sensibilität, der Verkürzung der Reflexlatenz und der Erhöhung der Schlucksicherheit. Sie wird eingesetzt, um den Schluckreflex bei Patientinnen und Patienten mit verzögerter oder ausbleibender Reflexauslösung wieder anzubahnen.
Indikation
Indikationen sind insbesondere neurologische Dysphagien nach Schlaganfall, Schädel-Hirn-Trauma, Morbus Parkinson oder amyotropher Lateralsklerose. Ebenso kann sie bei postoperativen Dysphagien im Kopf-Hals-Bereich, nach Langzeitintubation oder bei Hypästhesien des Oropharynx sinnvoll sein.
Durchführung
Es existieren verschiedene Verfahren zur Auslösung oder Sensibilisierung des Schluckreflexes.
- taktile Stimulation: Berührung sensibler Reflexzonen (Gaumenbögen, Rachenhinterwand) mit Spatel, Watteträger
- thermisch-taktile Stimulation: Kälte- und Druckreiz durch gekühlten Metallspatel
- gustatorische Stimulation: Starke Geschmacksreize (sauer, kalt)
- Elektrostimulation: Schwache elektrische Impulse über submentale/pharyngeale Elektroden
Die Schluckreflextriggerung wird in der Regel von Logopäden oder Dysphagietherapeuten im Rahmen einer strukturierten Schlucktherapie durchgeführt. Der Patient sollte wach, aufmerksam und möglichst aufrecht positioniert sein. Während der Stimulation wird die Reaktion genau beobachtet, durch das Erkennen einer Schluckbewegung, eines Hustenreizes oder eines Würgereflexes.
Die Behandlung erfolgt meist täglich über kurze Zeiträume.
Nebenwirkungen
Nebenwirkungen treten selten auf. Gelegentlich kann es zu einem ausgeprägten Würgereiz, Husten oder zum Erbrechen kommen. Bei wiederholter unsachgemäßer Anwendung sind Schleimhautreizungen möglich.
Kontraindikation
Eine Schluckreflextriggerung darf nicht durchgeführt werden, wenn ein hohes Aspirationsrisiko besteht und kein ausreichender Hustenreflex vorhanden ist. Weitere Kontraindikationen sind Schleimhautverletzungen, Entzündungen oder Tumore im Bereich der Reizstellen sowie eine fehlende Kooperation oder Bewusstlosigkeit.
Evidenz
Zahlreiche Studien, insbesondere zur thermisch-taktilen Stimulation, zeigen eine signifikante Verkürzung der Reflexlatenz und eine Verbesserung der Schluckkoordination bei Patienten mit neurologisch bedingter Dysphagie. Die Effekte sind meist kurzfristig, weshalb eine regelmäßige Wiederholung notwendig ist. Langzeiteffekte hängen stark von der zugrunde liegenden Pathologie und der individuellen Plastizität des zentralen Nervensystems ab.
Literatur
- Höling, Schluckstörung bei Wallenberg-Syndrom – Störungsmuster und Outcome, Dissertation, Ludwig-Maximilians-Universität München, 2006
- Prosiegel et al., Neurogene Schluckstörungen, Aktuelle Neurologie, 1997
- Prosiegel et al., Grundlagen der Schluckanatomie und -physiologie, In: Dysphagie: Diagnostik und Therapie von Dysphagien bei Erwachsenen, 4. Auflage, Springer Berlin Heidelberg, 2024
- Bullerdiek, Einleitung: Physiologie des Schluckakts, In: Die neurologisch-neurochirurgische Frührehabilitation, Springer, 2012
- Hofmayer, Intensität in der Dysphagietherapie, In: Therapieintensität in der Sprachtherapie/Logopädie, Schulz-Kirchner, 2017
- Ebihara und Naito, A Systematic Review of Reported Methods of Stimulating Swallowing Function and their Classification, Tohoku J Exp Med, 2022