Psychotherapie-Richtlinie
Definition
Die Psychotherapie-Richtlinie ist eine rechtlich verbindliche Vorgabe des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), welche die psychotherapeutische Versorgung innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) regelt. Sie legt fest, unter welchen Voraussetzungen eine psychotherapeutische Behandlung durchgeführt und abgerechnet werden darf.
Hintergrund
Die Psychotherapie-Richtlinie basiert auf § 92 Absatz 6a SGB V und wurde im Jahr 1999 erstmals in ihrer heutigen Form vom G-BA verabschiedet. Sie löste damit frühere Regelungen ab und bildet seitdem die normative Grundlage für die ambulante psychotherapeutische Versorgung im vertragsärztlichen System.
Ziel ist es, eine bedarfsgerechte, qualitätsgesicherte und wirtschaftliche Behandlung psychischer Erkrankungen sicherzustellen. Regelmäßige Anpassungen berücksichtigen neue wissenschaftliche Erkenntnisse und strukturelle Entwicklungen im Gesundheitswesen.
Inhalt
Die Psychotherapie-Richtlinie regelt eine Vielzahl versorgungsrelevanter Aspekte, darunter:
- Indikationen: Psychotherapeutische Leistungen sind ausschließlich bei Störungen mit Krankheitswert im Sinne der ICD-10 zugelassen, insbesondere aus dem Kapitel F (Psychische und Verhaltensstörungen).
- Verfahren: Aktuell (2025) anerkannte Richtlinienverfahren sind die Verhaltenstherapie, die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, die Psychoanalyse sowie seit 2020 die systemische Therapie für Erwachsene.
- Settings: Die Behandlung kann in Einzel- oder Gruppensitzungen erfolgen, wobei auch kombinierte Formen möglich sind. Der Umfang der Therapie richtet sich nach Art und Schwere der Erkrankung sowie nach dem gewählten Verfahren.
- Zugang und Antragstellung: Die ersten Schritte umfassen psychotherapeutische Sprechstunden und probatorische Sitzungen. Danach erfolgt gegebenenfalls eine Antragsstellung bei der Krankenkasse. Für Langzeittherapien ist ein Gutachterverfahren vorgesehen.
- Strukturvorgaben: Die Richtlinie definiert Qualifikationsanforderungen für Psychotherapeuten, Anforderungen an die Dokumentation, Aufklärungspflichten und Rahmenbedingungen für die Durchführung der Behandlung.
- Besondere Versorgungsangebote: Durch die Reform von 2017 wurden neue Elemente wie die psychotherapeutische Sprechstunde, Akutbehandlung und Rezidivprophylaxe eingeführt, um den Zugang zur Therapie zu verbessern und Wartezeiten zu überbrücken.
Entwicklung
Die Aufnahme der systemischen Therapie 2020 stellte einen bedeutenden Meilenstein dar und ging mit einer wissenschaftlichen Nutzenbewertung durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) einher. Diskutiert werden derzeit (2025) auch methodenbezogene Erweiterungen innerhalb bestehender Verfahren – etwa der Einsatz von EMDR in der Traumatherapie oder die Integration achtsamkeitsbasierter und ACT-orientierter Techniken im Rahmen der Verhaltenstherapie.
Kritik
Trotz kontinuierlicher Reformen wird die Psychotherapie-Richtlinie regelmäßig kritisiert. Häufiger Gegenstand der Debatte sind lange Wartezeiten, regionale Versorgungsungleichheiten, das aufwändige Antrags- und Gutachterverfahren sowie strukturelle Benachteiligungen bestimmter Patientengruppen, etwa mit komplexen Traumafolgestörungen oder chronischen Erkrankungen. Fachverbände fordern daher eine weitere Vereinfachung des Zugangs und eine bessere Integration psychosozialer Versorgungsangebote.
Literatur
- Gemeinsamer Bundesausschuss – Psychotherapie-Richtlinie (aktuelle Fassung), abgerufen am 19.05.2025
- Bundespsychotherapeutenkammer – Ein Jahr nach der Reform der Psychotherapie-Richtlinie – Wartezeiten 2018, abgerufen am 19.05.2025
- Möller et al., Duale Reihe Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, 7. Auflage, Thieme Verlag, 2021
- DGPPN – S3-Leitlinie Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen, abgerufen am 19.05.2025
- GKV-Spitzenverband – Systemische Therapie – neues Psychotherapie-Verfahren für Erwachsene, abgerufen am 19.05.2025