Psychodrama
Definition
Das Psychodrama ist ein szenisch-darstellendes Verfahren der Psychotherapie. Ziel ist es, durch das Darstellen innerer Konflikte, Rollen und Beziehungen neue Einsichten und Verhaltensmöglichkeiten zu gewinnen.
Hintergrund
Das Psychodrama wurde in den 1920er-Jahren von Jacob Levy Moreno entwickelt und zählt zu den humanistischen Psychotherapieverfahren. Zu Morenos weiteren gruppenbezogenen Methoden gehört auch das Soziodrama (Gruppenrollenspiel), das jedoch nicht therapeutisch, sondern eher gesellschafts- und gruppendynamisch ausgerichtet ist.
Das Psychodrama beruht auf einem humanistischen, handlungsorientierten Menschenbild, in dem Spontanität, Kreativität und Rollenflexibilität als wesentliche Aspekte psychischer Gesundheit gelten. Charakteristisch ist das szenische Arbeiten: innere Konflikte, Beziehungsdynamiken und biografische Szenen werden nicht nur beschrieben, sondern auf einer symbolischen Bühne dargestellt. Dies soll ein emotionales Erleben und die äußere Sichtbarmachung innerer Prozesse ermöglichen, was diagnostische und therapeutische Zugänge erleichtern kann.
Weitere Ziele sind das Verstehen und Bearbeiten innerer und zwischenmenschlicher Konflikte, die Erweiterung emotionaler Ausdrucksfähigkeit sowie das Erproben alternativer Handlungs- und Beziehungsmuster. Darüber hinaus soll das Verfahren die Selbstwahrnehmung, Empathiefähigkeit und soziale Kompetenz stärken, insbesondere in gruppentherapeutischen Kontexten.
Technik
Das Psychodrama umfasst typischerweise drei Phasen:
- Aufwärmphase: Spontanität und Kontakt werden gefördert und ein Protagonist mit seinem Thema ausgewählt
- Aktionsphase: zentraler Teil, in dem relevante Situationen auf einer „Bühne“ dargestellt werden; dabei kommen Methoden wie Rollentausch, Doppeln, Spiegeln, szenische Aktion und Amplifikation zum Einsatz
- Integrationsphase: Gruppenmitglieder äußern persönliche Resonanzen, ohne den Protagonisten zu interpretieren
Das Verfahren wird sowohl in der Gruppentherapie als auch in Einzelsettings (Monodrama) eingesetzt und findet darüber hinaus Anwendung in Coaching, Supervision, pädagogischen Kontexten sowie in der Organisations- und Teamentwicklung.
Indikationen
Das Psychodrama wird in der Praxis u.a. bei interpersonellen Konflikten, Rollen- und Identitätsfragen, Angststörungen, depressiven Symptomen, Abhängigkeitserkrankungen und Persönlichkeitsstörungen eingesetzt. Für einige dieser Anwendungsbereiche existieren positive Studienbefunde, für andere beruht die Indikation vorrangig auf klinischer Erfahrung.[1]
Kontraindikationen
Psychodrama ist kontraindiziert bei:
- akuten psychotischen Episoden
- schweren dissoziativen Störungen
- akuter Suizidalität
- stark ausgeprägter Impulskontrollstörung
- organisch bedingten kognitiven Einschränkungen (z.B. Demenzen, delirante Zustände, schwere hirnorganische Störungen)
- manischen oder gemischten Episoden im Rahmen einer bipolaren Störung
- schweren depressiven Episoden mit psychotischen Merkmalen oder ausgeprägter Antriebshemmung
Evidenz
Das Psychodrama hat durch seine szenischen und dialogischen Arbeitsweisen zur Entwicklung mehrerer moderner psychotherapeutischer Verfahren beigetragen. Besonders deutlich wird dies in der Gestalttherapie, in der u. a. Stuhldialoge und Rollenarbeit eng mit der psychodramatischen Aktionsarbeit verwandt sind. Ähnliche dialogische Techniken wurden später in Verfahren wie der Schematherapie und der Emotion-Focused Therapy (EFT) aufgegriffen und weiterentwickelt. Auch in der systemischen Therapie finden sich psychodramaverwandte Elemente, etwa in Skulpturen, szenischen Rekonstruktionen und Rollenspielen.
Systematische Übersichtsarbeiten und Metaanalysen deutet darauf hin, dass Psychodrama und verwandte dramatherapeutische Verfahren bei verschiedenen psychischen Störungen wirksam sein können, z.B. bei Angststörungen und depressiven Symptomen. Insgesamt ist die Zahl hochwertiger randomisierter kontrollierter Studien jedoch begrenzt, und es besteht weiterer Forschungsbedarf zur differenziellen Indikation und zur Langzeitwirksamkeit.[2][3][4]
Quellen
- ↑ Tschuschke, V.: Wirksamkeit psychodramatischer Gruppenpsychotherapie. Ergebnisse der PAGE‑Studie, Z Psychodrama Soziom 10 (Suppl 1), 45–56, 2011.
- ↑ Zhou et al., Effects of Mindfulness-Based Stress Reduction on Anxiety Symptoms in Young People: A Systematic Review and Meta-Analysis, Int J Environ Res Public Health, 2021
- ↑ Agbabiaka et al., Systematic Review of the Efficacy and Safety of Traditional Chinese Medicine in the Treatment of COVID-19 in Adults, Eur J Integr Med, 2023
- ↑ Khoury et al., Mindfulness-based stress reduction for healthy individuals: A meta-analysis, J Psychosom Res, 2015
Literatur
- Moreno, J.L.: Psychodrama, Vol. I (1946), Vol. II (1959), Vol. III (1969). Beacon House, New York.
- Kellermann, P. F.: Focus on Psychodrama: The Therapeutic Aspects of Psychodrama. Jessica Kingsley Publishers, 1992.
- Holmes, P.; Karp, M.; Watson, M. (Hrsg.): Psychodrama Since Moreno. Routledge, 1994.
- Perls, F.; Hefferline, R.; Goodman, P.: Gestalttherapie. Deutsche Ausgabe, Klett-Cotta, 1979 (Original: 1951)
- DFP – Deutscher Fachverband für Psychodrama e.V. Ausbildungs und Fachinformationen