Konfliktpathologie
Definition
Die Konfliktpathologie beschreibt in der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie ein psychisches Geschehen, bei dem unbewusste, oftmals aus der Kindheit stammende Konflikte in der aktuellen Lebenssituation zu Symptombildung und psychischem Leid führen. Die zugrunde liegenden Konflikte sind in ihrer ursprünglichen Form unlösbar geblieben und wirken – zumeist unbewusst – in der Gegenwart weiter. Dabei kann die Symptombildung als Kompromiss zwischen in Konflikt stehenden inneren Anforderungen verstanden werden.
Abgrenzung
Im Gegensatz zur Strukturpathologie, die eine Beeinträchtigung der psychischen Funktionsniveaus (z. B. Affektdifferenzierung, Selbstregulation, Objektbeziehung) beschreibt, liegt der Konfliktpathologie eine prinzipiell intakte, aber konflikthaft überforderte Persönlichkeitsstruktur zugrunde. Beide Konzepte – Konflikt- und Strukturpathologie – schließen sich nicht aus, sondern können bei einem Patienten gleichzeitig vorliegen, wobei häufig eine diagnostische Gewichtung erforderlich ist.
Theoretischer Hintergrund
Das Konzept der Konfliktpathologie basiert auf der psychoanalytischen Neurosenlehre. Es geht davon aus, dass die Symptome Ausdruck unbewusster psychischer Konflikte sind, die mit aktuellen inneren oder äußeren Anforderungen in Widerspruch stehen. Dabei handelt es sich häufig um Grundkonflikte, die im Rahmen der psychosexuellen Entwicklung oder der Ich-Entwicklung entstanden sind.
In der modernen tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie wird zwischen verschiedenen Grundkonflikten unterschieden, etwa dem Autonomie-Abhängigkeits-Konflikt, dem Selbstwertkonflikt, dem Identitätskonflikt oder dem Schuldkonflikt. Diese Konflikte können durch aktuelle Auslöser reaktiviert werden, wobei dann inadäquate oder rigide psychische Verarbeitungsweisen in Symptomen, affektiven Krisen oder maladaptivem Verhalten resultieren.
Diagnostik und Klassifikation
Im Rahmen der psychodynamischen Diagnostik – z.B. mittels der Operationalisierten Psychodynamischen Diagnostik (OPD) – erfolgt eine strukturelle Einschätzung des inneren Konflikterlebens. Dabei werden neben Art und Inhalt des Konflikts auch die Verarbeitungsmodi (z. B. aktiv oder passiv) sowie das Ausmaß an Integration berücksichtigt. Dies ermöglicht eine differenzierte Planung der therapeutischen Interventionen.
Therapeutische Relevanz
Die Bearbeitung unbewusster Konflikte gehört zu den zentralen Zielen der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie. Symptome werden als Ausdruck eines symbolisch kodierten, unbewussten inneren Geschehens verstanden, das im therapeutischen Prozess rekonstruiert und durchgearbeitet werden soll. Zentral ist dabei das Erfassen der Konfliktdynamik im Erleben des Patienten sowie in der therapeutischen Beziehung (Übertragung/Gegenübertragung).
Quellen
- OPD-Arbeitskreis (Hrsg.). (2006). Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik OPD-2: Diagnostik und Therapieplanung in der Psychodynamik (2. Aufl.). Bern: Hans Huber.
- Rudolf, G., & Grande, T. (2006). Psychodynamische Diagnostik und Therapieplanung. Psychotherapeut, 51(1), 12–18.