Primäre Ziliendyskinesie (Hund)
Definition
Als primäre Ziliendyskinesie bezeichnet man eine seltene heterogene Störung der mukoziliären Clearance infolge fehlerhafter Motilität der Zilien mit oder ohne ultrastrukturelle Ziliendefekte beim Hund.
Ätiologie
Der Erkrankung liegt beim Bobtail (Old English Sheepdog) eine autosomal-rezessive Genmutation zugrunde. Dieser Gendefekt ist vermutlich auch bei den anderen betroffenen Rassen für die Krankheitsentstehung verantwortlich.
Vorkommen
Die primäre Ziliendyskinesie ist eine äußerst seltene respiratorische Erkrankung, die bisher (2022) nur vereinzelt beschrieben wurde.
Pathogenese
Neben den respiratorischen Problemen treten im Rahmen der Erkrankung häufig auch weitere Symptome aufgrund zahlreicher Fehlbildungen und Zilientransportstörungen in extrarespiratorischen Organen auf. Erkrankte Hunde leiden u.a. auch an Otitis media, Unfruchtbarkeit bei Hündinen, Asthenoteratospermie (verminderte Spermienbeweglichkeit) bei Rüden, Hydrozephalus, Nierenfibrose oder Dilatation der Nierentubuli.
Bei einem Teil der betroffenen Hunde kommt - ähnlich wie beim Menschen - folgendes Symptomtrias vor:
Aufgrund der unkoordinierten und ineffizienten Zilienfunktion in der Nase sowie in den Bronchien kommt es zu einer unzureichenden mukoziliären Clearance. Infolge dessen entstehen chronische Verstopfungen und Entzündungen in den Atemwegen, die dann in bakterielle Sekundärinfektionen übergehen. Diese wiederum treten als chronische Rhinosinusitis, Bronchitis, Bronchopneumonie und Bronchiektasenbildung klinisch in Erscheinung.
Klinik
Die Symptomatik beginnt meistens schon im Welpenalter, in Einzelfälle können betroffene Tiere jedoch auch mehrere Monate bis Jahre asymptomatisch sein. Klinisch erkrankte Tiere leiden vermehrt an rezidivierenden mukopurulenten Rhinosinusitiden oder Bronchitisepisoden, die seit dem Welpenalter immer wieder auftreten und trotz adäquater Behandlung nie dauerhaft ausheilen.
Die respiratorischen Symptome - in Kombination mit einem Situs inversus - weisen mit großer Wahrscheinlichkeit auf eine primäre Ziliendyskinesie hin.
Differenzialdiagnosen
- bakterielle oder virale Infektionen (z.B. Staupe)
- rezidivierende bakterielle Rhinosinusitiden und Bronchopneumonien anderer Genese (z.B. Parasitosen, Allergien, anatomische Abweichungen u.ä.)
- Aspirationspneumonien
- metabolische Erkrankungen
- Immundefizienz
Diagnose
Die respiratorischen Symptome - in Kombination mit einem Situs inversus - sind nahezu beweisend für eine primäre Ziliendyskinesie. Im Verdachtsfall ist daher auch eine ventrodorsale Ganzkörper-Röntgenaufnahme durchzuführen. Um die Diagnose zu sichern, sind aufwendige funktionelle und ultrastrukturelle Untersuchungen der Zilien sowohl in vivo als auch in vitro erforderlich (z.B. Beurteilung der mukoziliären Clearance mittels Szintigrafie und TEM).
Therapie
Derzeit steht keine kausale Therapie zur Verfügung. Die Behandlung richtet sich daher nach den Symptomen. Parallel dazu ist eine regelmäßige Kontrolle der an den Rhinosinusitis und Bronchitis beteiligten Mikroorganismen inkl. Antibiogramm und antibiotische Langzeittherapie durchzuführen.
Zusätzlich sind unterstützende Maßnahmen wie Inhalation und gezielter Physiotherapie empfehlenswert.
Prognose
Die Prognose ist vorsichtig bis ungünstig.
Literatur
- Kohn B, Schwarz G (Hrsg.). 2017. Praktikum der Hundeklinik. 12., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in Georg Thieme Verlag KG. ISBN: 978-3-13-219961-3
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