Paralabrale Zyste des Schultergelenks
Englisch: paralabral cyst of the shoulder, glenoid labral cyst, periglenoidal ganglion cyst
Definition
Paralabrale Zysten der Schulter sind Zysten in der Nähe des Labrum glenoidale des Schultergelenks. Sie können zu einem Nervus-suprascapularis-Kompressionssyndrom (SNES) führen.
Epidemiologie
Paralabrale Zysten der Schulter treten bei etwa 2 bis 4 % der Bevölkerung auf. Männer sind häufiger betroffen. Haupterkrankungsalter ist das 3. bis 4. Lebensjahrzehnt.
Ätiologie
Bei einer Labrumläsion kann die Synovia in das umliegende Gewebe fließen und zur Bildung von paralabralen Zysten führen. Meist sind sie mit einem posterosuperioren Labrumriss oder einer posterioren SLAP-Läsion assoziiert.
Lokalisation
Paralabrale Zysten sind meist an der Incisura spinoglenoidalis lokalisiert und werden dann auch als "spinoglenoid notch cysts" bzw. spinoglenoidale Zysten bezeichnet. Weiterhin können sie sich in die Incisura scapulae ausdehnen ("suprascapular notch cysts"). Anteriore oder inferiore paralabrale Zysten sind deutlich seltener.
Pathologie
Ob paralabrale Zysten Synovialzysten, Ganglionzysten oder Pseudozysten darstellen, ist derzeit (2023) umstritten.
Klinik
Paralabrale Zysten können zu Schulterschmerzen führen. Bei spinoglenoidalen Zysten kann sich ein Denervierungsödem im Musculus infraspinatus entwickeln. Der Nervus suprascapularis wird distal nach Abgabe der Äste zum Musculus supraspinatus komprimiert, sodass es zu einer isolierten Schwäche der Außenrotation kommt. Zysten an der Incisura scapulae bedingen ein Ödem in den Musculi infraspinatus und supraspinatus. Folglich kommt es zu einer Kompression der Nervenäste für beide Muskeln. Schließlich entwickelt sich eine fettige Muskelatrophie.
Diagnostik
Paralabrale Zysten können mittels Sonographie oder MRT der Schulter diagnostiziert werden.
Konventionelles Röntgen
Im konventionellen Röntgenbild können paralabrale Zysten durch den chronischen Druck zu einer unspezifischen osteolytischen Aufhellung am Glenoid führen.
Sonographie
Paralabrale Zysten stellen sich echofrei oder echoarm dar.
Magnetresonanztomographie
In der MRT findet sich eine oder mehrere fokale, klar umschriebene Flüssigkeitsansammlungen mit T1w-hypointensem und T2w-hyperintensem Signal. Sie erstrecken sich meist vom posterioren Labrum nach medial und beginnt in der Regel an der Incisura spinoglenoidalis. Große Zysten können sich auch in die Incisura suprascapularis ausdehnen. Begleitend kann eine Labrumläsion auffallen.
Durch die Kompression des Nervus suprascapularis kann es zu einem T2w-hyperintensen Denervierungsödem im Musculus infraspinatus sowie bei Lokalisation an der Incisura suprascapularis auch im Musculus supraspinatus kommen. Chronische paralabrale Zysten bedingen dann eine fettige Muskelatrophie, die gut auf nicht-fettgesättigten T1w-Sequenzen erkennbar ist.
MR-Arthrographie
Das intraartikulär applizierte Kontrastmittel erstreckt sich bis zum Labrumriss, muss jedoch nicht mit der Zyste kommunizieren.
Differenzialdiagnosen
- andere Ursachen für ein Nervus-suprascapularis-Kompressionssyndrom: z.B. variköse Erweiterung der Vena suprascapularis, enge Incisura scapulae durch anatomische Normvarianten
- neuralgische Schulteramyotrophie
- periartikuläres Myxom oder andere Tumore mit hohem T2w-Signal
Therapie
Kleine asymptomatische paralabrale Zysten werden konservativ behandelt. Große Zysten, insbesondere bei Zeichen eines Kompressionssyndrom, werden arthroskopisch entlastet. Gleichzeitig wird das Labrum repariert. Weiterhin kommt eine Ultraschall-gesteuerte perkutane Aspiration in Frage.
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