Morbus Canavan
nach der US-amerikanischen Ärztin Myrtelle Canavan (1879-1953)
Synonym: Canavan-Syndrom, Canavan Krankheit, Morbus Canavan-van-Bogaert-Bertrand, ACY2-Mangel, Aminoacylase 2-Mangel, Aspartoacylase-Mangel, infantile spongiöse Neurodystrophie
Englisch: canavan disease
Definition
Der Morbus Canavan, kurz CD, ist eine seltene neurodegenerative Stoffwechselerkrankung, die den genetisch-bedingten Leukodystrophien zugeordnet wird. Typisch ist eine Degeneration der weißen Substanz in Kombination mit spongiös veränderten Hirnarealen. Die Erkrankung geht einher mit psychomotorischen Entwicklungsverzögerungen und einer Makrozephalie.
Epidemiologie
Der Morbus Canavan kommt weltweit vor. Ein gehäuftes Auftreten wird u.a. unter Ashkenasim-Juden gefunden. Die Prävalenz schwankt je nach Herkunft zwischen 1:7.000 (bei Ashkenasim-Juden) bis zu 1:200.000 (in der Normalbevölkerung). Hauptsächlich sind die Patienten von der schweren Form betroffen.
Genetik
Der Morbus Canavan wird durch Mutationen im ASPA-Gen auf Chromosom 17 an Genlokus 17p13.3 verursacht, der für das Enzym Aspartoacylase kodiert. Die Vererbung ist autosomal-rezessiv.
Die Mutation bewirkt, dass die Enzymaktivität entweder gering ist oder komplett verloren geht. Dadurch kommt es zur Akkumulation von N-Acetylaspartat (NAA) im Hirngewebe. Da NAA unter anderem für die Osmoregulation verantwortlich ist, wird das Myelin infolge des Mangels schwammig und zerfällt. Als Konsequenz kommt zur Demyelinisierung.
Klinik
Das klinische Bild des Morbus Canavan ist sehr variabel. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen zwei klinischen Formen:
- Schwere bzw. infantile Form: Beginn der Symptome in der Neonatalperiode oder im Säuglingsalter. Es besteht eine schwere Muskelhypotonie mit der Unfähigkeit, den Kopf zu halten, eine Makrozephalie und eine starke Entwicklungsverzögerung. Später kommen weitere neurologische Veränderungen hinzu, z.B. spastische Lähmungen, zerebrale Krampfanfälle, Sehverlust und Schluckstörungen.
- Milde bzw. juvenile Form: Wird häufig erst im Kindesalter diagnostiziert. Sie kommt eher selten vor und ist mit einer leichten Entwicklungsverzögerung, Sprachstörungen und Lernschwierigkeiten in der Schule verbunden.
Diagnostik
Häufig wird aufgrund der Symptomatik zunächst eine Bildgebung mittels Magnetresonanztomographie (MRT) angefertigt. Hier fallen v.a. Läsionen der weißen Substanz sowie diffuse Schwellungen auf.
Der Erkrankungsverdacht kann durch die Bestimmung der Konzentration von N-Acetylaspartat im Urin oder die Messung der Enzymaktivität in kultivierten Hautzellen bestätigt werden. Dabei können stark erhöhte (schwere Form) bzw. leicht erhöhte (milde Form) NAA-Konzentrationen nachgewiesen werden.
Die definitive Diagnose wird durch eine molekularbiologische Untersuchung mit Nachweis der Mutation des ASPA-Gens gestellt.
Therapie
Aktuell (2020) besteht keine kausale Therapie der Erkrankung. Die Behandlung erfolgt somit v.a. symptomatisch mittels Sondenernährung, Antiepileptika bei Krampfanfällen und Physiotherapie.
In Studien werden derzeit verschiedene experimentelle (z.B. Gentherapie) und pharmakologische Behandlungsansätze (z.B. mit Lithium) erprobt.
Prognose
Die Prognose unterscheidet sich je nach zugrundeliegender Form. Bei der schweren Form ist die Lebenserwartung deutlich reduziert, die mittlere Überlebenszeit beträgt bis zu 10 Jahren, gelegentlich auch länger. Bei der milden Variante ist die Lebenserwartung hingegen in der Regel normal und die Prognose verhältnismäßig günstig.
Literatur
- Georg Friedrich Hoffmann: Stoffwechselerkrankungen in der Neurologie. 2004. Thieme Verlag.
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