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Leichenschau

1. Definition

Unter einer Leichenschau versteht man die Untersuchung der Leiche eines Menschen zur Feststellung des Todes und zur Bestimmung der Todesursachen und -umstände.

Die innere Leichenschau bezeichnet man als Obduktion.

2. Aufgaben

Die ärztliche Leichenschau umfasst unter anderem folgende Aufgaben:

  • sichere Feststellung des Todes: im individuellen und gesellschaftlichen Interesse
  • Identitätsfeststellung
  • Todeszeit: bedeutsam für das Personenstandsregister und u.U. für erbrechtliche Fragen, z.B. bei zeitnahem Tod zweier Eheleute
  • Feststellung der Todesart: natürlich, nicht natürlich oder ungeklärt
  • Feststellung offensichtlich ansteckender Krankheiten und relevanter Verletzungen

Bei Anhaltspunkten für einen nicht natürlichen Tod, eine ungeklärte Todesart oder bei ungeklärter Identität müssen die Polizei bzw. die Ordnungsbehörden eingeschaltet werden.

3. Rechtliches

In Deutschland regeln die Bundesländer das Leichenschau- und Obduktionswesen mit Leichen-, Friedhofs- und Bestattungsgesetzen. Fragen von strafrechtlicher Bedeutung werden jedoch durch Bundesgesetze erfasst. Falls der Leichnam eingeäschert werden soll, ist eine zweite ärztliche Leichenschau außer in Bayern obligatorisch (Kremationsleichenschau).

Die Leichenschau soll möglichst am Sterbeort bzw. am Auffindeort stattfinden. Ist dies nicht möglich, kann nach Feststellung und Dokumentation des Todes die Leichenschau an einem anderen Ort fortgesetzt werden.

Die Leichenschau ist je nach Landesrecht sofort, unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern) bzw. innerhalb von 6 Stunden nach Aufforderung durchzuführen. Wenn keine Zweifel am Todeseintritt bestehen, muss der Arzt wegen der anstehenden Leichenschau die Behandlung eines anderen Patienten nicht abbrechen.

4. Zuständigkeiten

Je nach Sterbeort sind unterschiedliche Personen verpflichtet, einen Arzt bzw. die zuständige Behörde zu benachrichtigen, um eine Leichenschau zu veranlassen:

Notdienstärzte, Notärzte und Leichenschauärzte haben das Recht, den Sterbeort bzw. Leichenfundort zu betreten. Weiterhin haben sie das Recht, von allen Personen Auskunft zu verlangen (inkl. gesetzliche Durchbrechung der ärztlichen Schweigepflicht). Die Auskunftspflicht gilt nicht für Personen, denen ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht.

4.1. Todesfeststellung

Die endgültige Todesfeststellung ist möglich, wenn ein sicheres Todeszeichen (z.B. Totenflecke oder Totenstarre) vorliegt.

Unter Reanimationsbedingungen kann nach ca. 30-minütiger, frustraner Reanimation mit Nulllinien-EKG über einen längeren Zeitraum trotz suffizienter Reanimationsmaßnahmen der Tod festgestellt werden. Nach diesem Zeitraum können auch die ersten Totenflecke auftreten. Ausgenommen sind Fälle mit V.a. auf Unterkühlung, Beinahe-Ertrinken oder Intoxikation, da in diesen Fällen eine Vita minima bzw. Vita reducta bestehen und der irreversible Tod fälschlicherweise diagnostiziert werden kann (Scheintod). In diesen Fällen ist eine Verlängerung der Reanimationszeit indiziert.

Ursachen für eine Vita minima werden unter der A-E-I-O-U-Regel zusammengefasst:

Es gilt allgemein der Grundsatz "No one is dead until he is warm and dead".

4.2. Todeszeit

Geschah der Todeseintritt unter ärztlicher Überwachung oder können zuverlässige Zeugen Angaben machen, ist der Todeszeitpunkt nach Jahr, Tag und Uhrzeit einzutragen. In anderen Fällen wird ein geschätzter Zeitraum angegeben. Ist die Todeszeitangabe von besonderer Relevanz, ist über die Polizei eine rechtsmedizinische Untersuchung zu veranlassen.

4.3. Ablauf

Die ärztliche Leichenschau ist i.d.R. am vollständig entkleideten Leichnam unter Inspektion aller Körperöffnungen durchzuführen. Bei ungeklärter Todesart ist die Polizei zu verständigen, trotzdem erfolgt eine vollständige Untersuchung. Ergeben sich vor oder während der Leichenschau begründete Zweifel an einem natürlichen Tod, kann je nach Einzelfall die Leichenschau zur Sicherung von Spuren unterbrochen werden.

In allen Fällen muss der Arzt eine Todesbescheinigung bzw. einen Leichenschauschein ausfüllen und an den Leichenschauveranlasser oder Bestattungsverpflichteten bzw. bei ungeklärter Todesart oder nicht natürlichem Tod an die Polizei übergeben. Die Todesbescheinigung besteht oft aus zwei Teilen:

  • nichtvertraulicher Teil: für das Standesamt, enthält u.a. Angaben zur Person, zur Art der Identifikation, zur Todesfeststellung
  • vertraulicher Teil: für den Amtsarzt, Durchschläge für das statistische Landes- und Bundesamt, für die Feuerbestattung oder die Obduktion und für den leichenschauenden Arzt selbst; enthält Angaben zur Art der zum Tode führenden Erkrankungen, wobei eine plausible Kausalkette hergestellt wird.

Seit 2020 gelten nach Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) Mindestzeiten von 20 Minuten für die vorläufige Leichenschau und von 45 Minuten für die endgültige Leichenschau. Der zeitliche Umfang der zweiten Leichenschau durch den Amtsarzt ist nicht geregelt.[1]

4.4. Feststellung der Todesursache

Die Angaben zur Todesursache werden in vier Zeilen strukturiert:

  • Ia: Angaben zur unmittelbaren Todesursache
  • Ib: "als Folge von" (Angabe von Erkrankungen, die zu der unter Ia genannten unmittelbaren Todesursache geführt haben)
  • Ic: "als Folge von" (Angabe der ursprünglichen Ursache bzw. des Grundleidens)
  • II: andere wesentliche, evtl. mittodesursächliche Krankheiten (unabhängig von dem unter Ic genannten Grundleiden)

Bei jeder Rubrik sollte zusätzlich eine Angabe zur Krankheitsdauer erfolgen. Zwischen dem Grundleiden und der unmittelbaren Todesursache muss eine pathophysiologische Kausalkette vorhanden sein. Nicht immer können alle Zeilen ausgefüllt werden, z.B. bei einer Betäubungsmittelintoxikation. Nicht gültige Angaben zur Todesursache sind z.B. "Herzversagen", "Atemstillstand", "Kreislaufversagen" oder "Altersschwäche".

Beispiel:

5. Literatur

6. Quellen

  1. Bundesärztekammer.de – Vergütung der ärztlichen Leichenschau neu geregelt, Deutsches Ärzteblatt, 11/2019, abgerufen am 17.01.2024
Stichworte: Leiche, Tod
Fachgebiete: Rechtsmedizin

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