Keratinozytentransplantat
Synonyme: Keratinozytensheet, Kulturhaut, kultivierte Keratinozyten
Englisch: cultivated epidermal autograft, CEA
Definition
Bei Keratinozytentransplantaten handelt es sich um einen in vitro hergestellten Hautersatz zur dauerhaften Defektdeckung großflächiger Verbrennungen, bei dem Keratinozyten des Patienten im Labor vermehrt und anschließend auf eine Wunde transplantiert werden. Es wird zu den Verfahren des Skin-Engineering gezählt.
Indikation
Goldstandard der Defektdeckung bei operationspflichtigen Verbrennungswunden ist die Spalthauttransplantation. Bei sehr ausgedehnten Verbrennungen stößt diese Technik zuweilen an ihre Grenzen. Auch mit einer Erhöhung der Expansionsrate (bis 1:15) der Meshgrafts kann keine vollständige Defektdeckung in adäquater Zeit erreicht werden und das ästhetisch-funktionelle Outcome nimmt ab. Die arbeitsintensive Meek-Technik kann Nachteile von weitexpandierten Spalthaut-Meshgrafts zum Teil ausgleichen, benötigt jedoch auch adäquate, gesunde Hautareale zur Transplantatherstellung.
Ab 75 % verbrannter Körperoberfläche ist keine suffiziente Deckung allein durch Hauttransplantation gesichert. in diesen Fällen hat sich der Einsatz kultivierter Keratinozyten als lebensrettende Maßnahme etabliert.
Prinzip
Für Keratinozytentransplantate muss zunächst gesunde, unverbrannte Haut entnommen werden. Meist sind zwei briefmarkengroße Hautbiopsate ausreichend, da durch die in-vitro-Expansion Wunden mit einer 5.000- bis 10.000-fach größeren Fläche als das entnommene Hautbiopsat gedeckt werden können. Nach der sterilen Entnahme und Verpackung folgt der Versand zum Herstellerlabor – in Deutschland handelt es sich um das Deutsche Instituts für Zell und Gewebeersatz (DIZG). Dort werden die Keratinozyten der Epidermis enzymatisch isoliert und in speziellen Nährmedien vermehrt.
Nach etwa 10 Tagen können die kultivierten Keratinozyten als Suspension bereitgestellt werden, die in Verbindung mit Mesh- und Meek-Grafts zum Einsatz kommen. Häufiger werden teildifferenzierte Keratinozytenverbände in Form eines auf Trägergaze fixiertes Sheet verwendet. Diese werden nach einer Herstellungsdauer von insgesamt 3-4 Wochen zur Klinik rückversandt und inklusive der Trägergaze auf den Wunden mit Hautklammern fixiert. Darüber kommen nicht-haftende Wundauflagen (z.B. Fettgaze) und ein Wundverband. Nach ungefähr 2 Wochen ist mit dem Wundverschluss zu rechnen. Die neu gebildete Epidermis benötigt jedoch gut 2 Monate bis zur Ausbildung einer belastbaren und stabilen Hautbarriere.
Vor- und Nachteile
Keratinozytentransplantate werden derzeit (2025) noch zurückhaltend eingesetzt. So wurden in Deutschland 2023 nur 16 Patienten mit Keratinozytentransplantaten behandelt. Der klinische Einsatz wird unter anderem begrenzt durch:
- hohe Anforderungen an das Wundbett bzw. Transplantatlager
- lange Herstellungsdauer
- aufwendige und teure Herstellungstechnik
- intra- und postoperative Fragilität der Transplantate
- arbeitsintensive Operationstechnik
- intensive postoperative Behandlung (Verbandwechsel und Transplantatpflege)
Den Nachteilen steht der Nachweis der eindeutigen Wirksamkeit der Keratinozytentransplantate als lebensrettende Maßnahme gegenüber. Des Weiteren konnte mittels Keratinozytentransplantaten ein besseres ästhetisch-funktionelles Outcome insbesondere gegenüber weitexpandierten Spalthaut-Meshgrafts erzielt werden.[1]
Sonderformen
Im klinischen Einsatz befinden sich ausschließlich autologe Keratinozytentransplantate, da allogener Hautersatz keine dauerhafte Defektdeckung darstellt. In experimentellen Studien konnte jedoch gezeigt werden, dass die Applikation allogener Keratinozyten zur beschleunigten Reepithelialisierung chronischer Ulzera führen kann.[2]
Eine weitere Sonderform stellt die Transplantation Gen-korrigierter Keratinozyten dar. Das Prozedere ähnelt der Herstellung normaler autologer Keratinozytentransplantate. Vor der Vermehrung der Keratinozyten wird jedoch über Genscheren oder Virusvektoren ein intaktes Zielgen (z.B. Lam-332 bei EBJ oder Col VII bei EBD) eingebaut. Die mit dem intakten Gen versehenen und transplantierten Keratinozyten exprimieren in vivo dann dauerhaft das intakte Protein, was zur Stabilität und Heilung der Haut führt.[3]
siehe auch: Prademagen-Zamikeracel
Quellen
- ↑ Gobet et al., Efficacy of cultured epithelial autografts in pediatric burns and reconstructive surgery, 1997 (DOI: 10.1016/s0039-6060(97)90054-4)
- ↑ Kirsner et al., Spray-applied cell therapy with human allogeneic fibroblasts and keratinocytes for the treatment of chronic venous leg ulcers: a phase 2, multicentre, double-blind, randomised, placebo-controlled trial, 2012 (DOI: 10.1016/S0140-6736(12)60644-8)
- ↑ Hirsch et al., Regeneration of the entire human epidermis using transgenic stem cells, 2017 (DOI: 10.1038/nature24487)
Weblinks
- Lehnhardt, Verbrennungschirurgie, Springer, 2016
- Rennekampff et Kremer, Chirurgisches Management des brandverletzten Patienten, 2024, Springer (DOI: 10.1007/s00113-024-01417-1)
- Lo et al., A systematic review: Current trends and take rates of cultured epithelial autografts in the treatment of patients with burn injuries, 2019 (DOI: 10.1111/wrr.12748)
- Schlottmann et al., A Short History of Skin Grafting in Burns: From the Gold Standard of Autologous Skin Grafting to the Possibilities of Allogeneic Skin Grafting with Immunomodulatory Approaches, 2021 (DOI: 10.3390/medicina57030225)