Infektiöse Interdigitalnekrose (Rind)
Synonym: Infektiöse Zwischenklauennekrose
Englisch: interdigital necrobacillosis/necrosis
Definition
Die infektiöse Interdigitalnekrose ist eine nekrotisierende Entzündung der Haut und des subkutanen Bindegewebes im Interdigitalspalt (Zwischenklauenspalt) beim Rind.
Ätiologie
Die Erkrankung ensteht infolge einer komplizierten, nicht-adäquat therapierten Interdigitalphlegmone.
Pathogenese
Die ursprüngliche Interdigitalphlegmone entwickelt sich unter Einfluss verschiedener Pathogene von einer akut-eitrigen Entzündung zu einer nekrotisierenden Infektion weiter.
Durch das ubiquitär vorkommende Fusobacterium necrophorum werden Endo- und Exotoxine mit leukozider und hämolytischer Wirkung freigesetzt, welche die nekrotisierende Entzündung unterhalten. Durch das Zusammenspiel weiterer Bakterien, v.a. Dichelobacter nodosus, Porphyromonas levii, Trueperella pyogenes, Staphylococcus aureus, Streptokokken, Escherichia coli und Spirochäten, kommt es zu einem raschen Fortschreiten der Erkrankung.
Die Interdigitalnekrose stellt die perakute Verlaufsform der Interdigitalphlegmone dar. Die phlegmonöse Schwellung geht fließend in eine hochgradige und flächenhafte Nekrose über, die neben der Haut auch die Subkutis des Interdigitalspalts umfasst. Die Läsionen breiten sich rasch nach dorsal bzw. palmar/plantar aus und penetrieren tiefe Gewebestrukturen. Durch die aggressiven Toxine dringen die Bakterien aufgrund der räumlichen Nähe auch in das Klauen- und Krongelenk ein und verursachen eine septische Klauengelenk- und Krongelenkentzündung. Häufig sind auch die Bursa podotrochlearis und die tiefe Beugesehne (TBS) beteiligt.
In ausgeprägten Krankheitsfällen kann es auch zu einer hämatogenen Streuung mit Entstehung pyogener Thrombosen in distalen und proximalen Gliedmaßenvenen sowie der Vena cava caudalis kommen. Zusätzlich können neben verschiedenen Gelenken auch innere Organe betroffen sein und multiple Abszesse aufweisen.
Klinik
Infektiöse Interdigitalnekrosen treten vorwiegend unilateral an den Hintergliedmaßen auf. Typisch für die Erkrankung ist das rasche Auftreten einer deutlichen Schwellung, zusammen mit einer ausgeprägten Lahmheit bei passenden morphologischen Veränderungen.
Der interdigitale Bereich ist hochgradig phlegmonös geschwollen und druckdolent. Die Läsionen weisen - abhängig von der Krankheitsdauer - großflächige nekrotische Areale und Demarkation auf. Der Zwischenklauenspalt erscheint verbreitert und die Klauenballen sind deutlich geschwollen.
Differenzialdiagnosen
- infizierter Limax
- Dermatitis digitalis
- Schnittwunden
- systemische Erkrankungen mit lokalen Veränderungen (z.B. BVD, BKF, MKS u.ä.)
Diagnose
Therapie
Die infektiöse Interdigitalnekrose ist chirurgisch zu versorgen. Die lokalen Gewebsnekrosen müssen vollständig reseziert und das darunter liegende Wundbett saniert werden. Die weitere Therapie hängt vom Ausmaß der Erkrankung ab.
Ist nur das Gewebe und kein Gelenk von der Infektion betroffen, reicht oftmals eine lokale Behandlung unter IVSTAN und IVSTAB aus, um eine vollständige Genesung zu erzielen. Anschließend ist die Wunde ausreichend zu spülen, lokal sowie systemisch (für 3 bis 5 Tage) mit Antibiotika zu versorgen und regelmäßig unter Druckverband zu schützen. Bei einer Gelenkbeteiligung ist das Gelenk zu eröffnen (Arthrotomie) und anhand des Operationsbefundes über das weitere Vorgehen zu entscheiden: Nicht-eitrige Arthritiden müssen ausreichend gespült und mittels intraartikulärer Antibiotikainjektion behandelt werden. Bei einer eitrigen Arthritis des Klauengelenks ist eine Amputation der Klaue in Betracht zu ziehen (z.B. Klauenamputation im Kronbein).
Literatur
- A.Univ.-Prof. Dr. Johann Kofler Dipl. ECBHM. Skriptum - Orthopädische Erkrankungen & Orthopädische Operationen bei Wiederkäuern. Neu überarbeitet im Jänner 2015. Klinik für Wiederkäuer, Vetmeduni Wien.
- * A. Univ.-Prof. Dr. Johann Kofler. Diagnoseschlüssel zu Klauenerkrankungen für Klauenpfleger & Tierärzte, Johann Kofler. Klinik für Wiederkäuer, Vetmeduni Wien, 14.11.14 (abgerufen am 28.03.2021)