Hypoxie-induzierter Faktor
Englisch: hypoxia-inducible factor
Definition
Der Hypoxie-induzierte Faktor, kurz HIF, ist ein Transkriptionsfaktor, der wichtig für die Reaktion der Zelle auf eine Unterversorgung mit Sauerstoff (Hypoxie) ist.
Hintergrund
Für die Entdeckung, wie Zellen die Sauerstoffverfügbarkeit feststellen und den Metabolismus unter anderem mit Hilfe von HIF anpassen, erhielten William G. Kaelin, Sir Peter J. Ratcliffe und Gregg L. Semenza 2019 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin.
Funktionsweise
HIF ist ein Heterodimer aus einer α- und einer β-Untereinheit. Im Menschen werden mehrere Isoformen der α-Untereinheit gebildet. Das Gen HIF1A codiert für HIF1α, das Gen EPAS1 für HIF2α und HIF3A für HIF3α. Letzteres kann durch alternatives Splicing in drei verschiedenen Varianten vorkommen.[1]
Bei ausreichender Versorgung der Zelle mit Sauerstoff ist die α-Untereinheit über einen von zwei konservierten Prolin-Resten hydroxyliert. Dafür ist die HIF-Prolylhydroxylase verantwortlich. Durch die Hydroxylierung kann die α-Untereinheit durch den Von-Hippel-Lindau-Tumorsuppressor ubiquitiniert werden. Dies führt zu einem Abbau von HIF-α durch das Proteasom.
Tritt eine Hypoxie ein, wird die Hydroxylase gehemmt, da sie Sauerstoff als Co-Substrat benötigt und HIF-α kann nun Signalwege aktivieren. Dies geschieht, indem HIF-α vom Zytoplasma in den Zellkern wandert, dort an die beta-Untereinheit bindet und als Heterodimer zusammen mit anderen Transkriptionsfaktoren die Expression spezieller Gene aktiviert.
Aufgaben
Als Transkriptionsfaktor aktiviert HIF wie schon erwähnt Signalwege, die für eine Anpassung an die Hypoxie relevant sind. Dazu gehören besonders die
- EPO-Synthese (wichtig für die Synthese von sauerstofftransportierenden Erythrozyten)
- Bildung neuer Gefäße über den „vascular endothelial growth factor“ VEGF (besonders relevant bei Krebs für das Tumorwachstum)
- Induktion von Enzymen der anaeroeben Glykolyse für die ATP-Synthese auch unter hypoxischen Bedingungen
- in Wunden bewirkt die Hypoxie eine Migration der Keratinozyten zur Wunde für die Bildung von neuem Epithel
- Aufrechterhaltung der Quieszenz (Verbleib im Ruhestadium G0) bei Stammzellen, vermutlich ist hier die Beziehung zwischen HIF und der Expression des Adhäsionsproteins und Chemokins CXCL-12 besonders relevant.
Neuere Forschungsergebnisse zeigen, dass HIF-α auch unter Normoxie (normalen Sauerstoffbedingungen) existieren kann: Der Transkriptionsfaktor NF-kB scheint unter diesen Bedingungen die basale Expression von HIF-α zu fördern.
Therapeutische Optionen
Behandlung der Anämie
Sogenannte HIF-Stabilisatoren hemmen die Prolylyhydroxylase, sodass HIF-α vor dem Abbau geschützt wird und die EPO-Synthese stimuliert wird. Folge ist eine verstärkte Erythropoese.[2] Ein Wirkstoff, der diesem Mechanismus folgt, ist Roxadustat - er ist bereits in China zugelassen. Weitere Wirkstoffe (Daprodustat, Molidustat, Vadadustat, Desidustat) werden aktuell (2019) in klinischen Studien untersucht.
HIF bei chronischen Entzündungen und Krebs
Chronische Entzündungen und Tumore beeinflussen ihre lokale Umgebung hinsichtlich der Expression von Transkriptionsfaktoren (insbesondere NF-kB) und Zytokinen, was letztlich zu einer verstärkten HIF-Expression führt.
HIF selbst beeinflusst wiederum die Entzündung und den Tumor positiv, zum Beispiel durch eine verstärkte Angiogenese.
Bei der Behandlung von Krebs und chronischen Entzündungen könnte die Blockade von HIF eine Therapieoption darstellen.[3]
Quellen
- ↑ Greer et al. The updated biology of hypoxia‐inducible factor. EMBO J; 2012
- ↑ Zhao et al. Hypoxia inducible factor stabilization as a novel strategy to treat anemia. Curr Med Chem; 2013
- ↑ Masoud et al. HIF-1α pathway: role, regulation and intervention for cancer therapy. Acta Pharm Sin B; 2015
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