Glykiertes Hämoglobin
Synonyme: HbA1, HbA1c
Englisch: glycosylated hemoglobin
Definition
Glykiertes Hämoglobin, kurz HbA1 bzw. HbA1c, ist adultes Hämoglobin (HbA0), das chemisch mit Zuckerresten verknüpft ist. Die Glykierung des Hämoglobins ist abhängig von der Höhe des mittleren Blutzuckers und der Halbwertszeit des Hämoglobins, genauer gesagt der Erythrozyten im Blutkreislauf (100 bis 120 d). Sie findet im Gegensatz zur Glykosylierung ohne Katalyse durch Enzyme statt.
Formen
Die gesamte glykierte Fraktion des Hämoglobins wird als HbA1 bezeichnet. Ein etwa 70 % großer Anteil des HbA1 trägt am N-terminalen Ende der β-Untereinheit zusätzlich einen Glukoserest. Dieser Anteil wird als HbA1c bezeichnet. Außerdem gibt es weitere Formen glykierter Hämoglobine, unter anderem HbA1a1 (Koppelung an Fruktose-1,6-bisphosphat) und HbA1a2 (Koppelung an Glucose-6-phosphat).
Bei Verlaufsuntersuchungen in verschiedenen Laboren ist zu unterscheiden, welche Form genau untersucht wurde. Heute wird allerdings fast ausschließlich HbA1c gemessen.
Diagnostische Bedeutung
Die Bestimmung des HbA1 bzw. des HbA1c dient bei der Therapie von Patienten mit Diabetes mellitus zur Kontrolle der Einstellung des Blutzuckers. Während eine Blutzuckerbestimmung lediglich eine Momentaufnahme der aktuellen Stoffwechselsituation bietet, kann mit der Bestimmung glykierter Hämoglobine die Einstellung des Stoffwechsels für die zurückliegenden 4 bis 12 Wochen beurteilt werden. Man bezeichnet den Wert deshalb auch als das "Blutzuckergedächtnis".
Ein erhöhtes HbA1c weist auf eine schlechte Einstellung des Blutzuckers hin. So kann etwa nachgewiesen werden, dass Patienten vor einer geplanten Blutentnahme durch kurzfristiges Einhalten der Diät gute Blutzucker-Einzelmessungen erreichen, insgesamt jedoch keine ausreichende Stoffwechselkontrolle vorherrscht.
Ein normales HbA1c kann dagegen zeigen, dass ein einzelner hoher Wert bei der Blutzuckermessung nicht repräsentativ für den gesamten beobachteten Zeitraum ist.
Einschränkungen
Bei der Diagnostik ist zu beachten, dass bei verkürzter oder verlängerter Lebenszeit der Erythrozyten die rechnerische Beziehung von HbA1c und durchschnittlichem Blutglukosespiegel nicht mehr gegeben ist (Präanalytik). Eine verkürzte Erythrozyten-Lebenszeit liegt z.B. bei chronischem Blutverlust oder bei hyperregeneratorischer Anämie vor, eine Verlängerung bei fehlender Neubildung, z.B. einem MDS oder einer Eisenmangelanämie. Bei Anämien ist daher die HbA1c-Bestimmung nur fraglich sinnvoll.
Nach einer aktuellen Studie (2019) ist davon auszugehen, dass das HbA1c mit dem Alter steigt.[1] Dabei kann der HbA1c-Wert auch bei Patienten, die keinen Diabetes haben, in einem Bereich liegen, der eine Diabetes-Diagnose nach sich ziehen würde. Als mögliche Ursache wird eine verringerte Regenerationsleistung des Knochenmarkes im Alter mit daraus resultierender verlängerter Erythrozytenlebensdauer diskutiert.
Bei Neugeborenen ist die Bestimmung von HbA1c nicht sinnvoll, da sie sich in der Umstellungphase von HbF zu HbA befinden.
Eine häufige Fehlerquelle ist auch die Bestimmung des HbA1c nach Erythrozytentransfusionen.[2] Unter der Annahme, dass der Patient Diabetiker ist, Blutspender aber nicht, wird das HbA1c in Relation zum Durchschnittsblutzucker des Patienten zu niedrig gemessen.
Bei häufig zwischen hoch und tief stark schwankenden Blutzuckerwerten kann die Aussagekraft der Bestimmung eingeschränkt sein. Falsch hohe Werte des HbA1c könnnen auch unter bestimmten Bedingungen wie Schwangerschaft und Stillzeit oder bei Niereninsuffizienz ermittelt werden.
Die Fokussierung auf HbA1c als Zielparameter der Therapie des Diabetes mellitus kann nachteilige Folgen haben. Eine zu niedrige Absenkung begünstigt Hypoglykämien, fördert Polypharmazie und den Einsatz von Insulin. Daher rücken andere Parameter der Einstellungsqualität wieder in den Vordergrund, wie zum Beispiel Hypoglykämien, Sehstörungen, Nierenfunktionsstörungen oder die Lebensqualität.[3]
Es gibt eine Reihe verschiedener Messtechniken für den HbA1c-Anteil. Die häufigsten sind Hb-Elektrophorese und Immunoassay. Die Ergebnisse sind methodenabhängig, insbesondere unterliegen sie unterschiedlichen Störfaktoren. Bei der Hb-Elektrophorese können Hämoglobinopathien zu falschen Messwerten führen. Dies ist lange bekannt und kann teilweise kompensiert werden. Wenn die Messung mit einer Methode zu falschen Ergebnissen führt, kann evtl. eine andere Methode verwendet werden, die diesem Störfaktor nicht unterliegt.
Referenzbereich
- HbA1: < 8 %
- HbA1c: < 6 %
Mitte 2007 haben sich die Diabetes-Fachgesellschaften EASD und ADA gemeinsam mit der International Diabetes Federation darauf verständigt, HbA1c-Messungen weltweit nach der IFCC-Referenzmethode zu standardisieren. Der HbA1c-Wert wird daher künftig auch in der IFCC-Einheit mmol/mol angegeben. Ein HbA1c-Wert von 8 % entspricht dann einem Wert von 65 mmol/mol.
Die HbA1c-Messwerte sollen künftig in drei verschiedenen Varianten wiedergegeben werden:
- in mmol/mol (IFCC-Maßeinheit)
- in Prozent (%)
- als Durchschnittsblutzucker in mg/dl (für Patienten)
Weblinks
- DocCheck News Diabetes: Hat der HbA1c ausgedient?, 28.06.2019
Quellen
<references>
- ↑ Masuch A et al: Preventing misdiagnosis of diabetes in the elderly: age-dependent HbA1c reference intervals derived from two population-based study cohorts. BMC Endocr Disord 19, 20 (2019), abgerufen am 20.01.2023
- ↑ Spencer DH, Grossman BJ, Scott MG: Red cell transfusion decreases hemoglobin A1c in patients with diabetes. Clin Chem. 2011 Feb;57(2):344-6, abgerufen am 08.07.2019
- ↑ Rodriguez-Gutierrez R. Measuring what matters in diabetes, JAMA. 2019 Apr 15, abgerufen am 08.07.2019
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