Giardiose (Wiederkäuer)
Synonym: Giardiasis beim Wiederkäuer, Giardia-Infektion beim Wiederkäuer
Definition
Die Giardiose der Wiederkäuer ist eine durch Protozoen verursachte Erkrankung der Wiederkäuer.
Erreger
Die Giardiose beim Wiederkäuer wird durch Giardien verursacht, die zur Giardia duodenalis-Gruppe gehören.
Vorkommen
Giardia-duodenalis-Genotypen sind weltweit verbreiten und weisen teilweise ein breites Wirtsspektrum auf. Giardien parasitieren bei vielen Säugetieren und auch beim Menschen. V.a. bei Jungtieren und Kindern haben sie eine besondere Bedeutung. Wiederkäuer sind häufig mit Giardia duodenalis befallen. Bei einer Infektion überwiegen dabei der Genotyp E sowie in einigen Fällen auch der Genotyp A.
Verbreitung
Verschiedene Studien ermittelten unterschiedliche Prävalenzen von Giardia-Infektionen bei Wiederkäuern. Diese sind stark von den Haltungsbedingungen, klimatischen Faktoren sowie dem Studiendesign abhängig. In Europa liegt die mittlere Prävalenz patenter Infektionen bei Kälbern und Lämmern bei 30 %.
Entwicklung
Giardien haben einen homoxenen Lebenszyklus. Eine Übertragung von Wirt zu Wirt erfolgt als Schmutz- und Schmierinfektion oder auch durch die orale Aufnahme infektiöser Zysten aus der Umwelt (z.B. kontaminiertes Tränkwasser oder Futter). Nach der Aufnahme siedeln sich die Trophozoiten im Duodenum und Jejunum - hauptsächlich an der Basis der Zotten - an. Beim Kalb beträgt die Präpatenz 4 bis 7 Tage, bei Lämmern hingegen 10 bis 21 Tage.
Die Zystenausscheidung kann beim Kalb bereits in einem Alter von 4 Tagen beginnen, jedoch erfolgt sie meist erst in einem Alter von 2 bis 10 Wochen. Die Patenz beträgt 6 bis 16 Wochen, in Einzelfällen aber auch länger (> 30 Wochen). Der maximale Befall wird in der Regel im Absetzalter erreicht. So können natürlich infizierte Kälber mehr als 10.000 Zysten pro Gramm Kot und im Verlauf einer Patenz insgesamt mehr als 109 Zysten ausscheiden. Ältere Tiere zeigen oftmals eine unregelmäßige, aber meist lang anhaltende Ausscheidung weniger Zysten. Die Zystenausscheidung ist bei Kühen um den Geburtstermin - d.h. 2 Wochen vor bis 4 Wochen nach der Abkalbung - erhöht. Aufgrund dessen können infizierte Muttertiere die Infektionsquelle für die eigenen Kälber liefern.
Nach der Ausscheidung können Giardia-Zysten über kontaminiertes Futter und Tränkwasser im Bestand weit verbreitet werden. Giardia-Zysten gelangen so durch kontaminiertes Oberflächenwasser auch auf landwirtschaftliche Nutzflächen.
Pathogenese
Die Giardiose der Wiederkäuer ist eine Faktorenkrankheit, sodass andere Infektionserreger und Änderungen des Darmmilieus die Vermehrung der Trophozoiten sowie deren Anheftung an die Epithelzellen begünstigen. Durch eine drastische Vermehrung infektiöser Erreger kommt es zunächst zu einer katarrhalischen Entzündung des Dünndarms und anschließend zu einer Villusatrophie und entzündlicher Infiltration der Lamina propria. Als Folge treten Malabsorption und eine Störung der Verdauungsaktivität ein, die auch direkt durch Oberflächenproteine der Trophozoiten verursacht werden.
Immunität
Eine Infektion mit Giardia duodenalis führt zu einer Immunität, die zu einer teilweisen oder gar vollständigen Elimination der Parasitenpopulation führt. Dadurch wird ein partieller Schutz vor Super- und Reinfektionen erzeugt. Die Bildung solcher protektiver Antikörper tritt bei einigen Kälbern jedoch erst nach mehr als 100 Tagen p.i. auf.
Klinik
Eine Giardiose verläuft beim Rind in den meisten Fällen ohne klinische Symptome. Kälber und Lämmer können jedoch im Alter von 3 bis 10 Wochen an einer leichten oder auch hartnäckigen, intermittierenden Diarrhö leiden. Der Kot ist dabei dünnbreiig bis wässrig und geht oftmals mit Inappetenz und einer geringeren Gewichtszunahme einher.
Diagnose
Eine Diagnose wird mittels Nachweis der Zysten im Kot gestellt. Da jedoch häufig falsch-negative Ergebnisse auftreten, sollte die Untersuchung mindestens dreimal wiederholt werden, bevor ein negatives Ergebnis akzeptiert wird. Erkrankte Tiere scheiden im Kot auch Trophozoiten aus, die nachgewiesen werden können.
Therapie
In der EU sind spezifisch gegen Metamonada wirksame Substanzen bei den der Lebensmittelgewinnung dienenden Tieren nicht mehr zugelassen. Jedoch zeigen auch die zur Helminthenbekämpfung eingesetzten Benzimidazole Fenbendazol und Albendazol (10 bis 20 mg/kgKG p.o. täglich über 3 Tage) eine ausreichende Wirkung gegen Giardien. Bei einer Therapie muss jedoch mit Re- und Superinfektionen gerechnet werden, da mit Bezimidazolen behandelte Tiere bereits 2 Wochen nach der Behandlung wieder Giardia-Zysten ausscheiden können. Aus diesem Grund ist neben der chemotherapeutischen Behandlung v.a. die Reduktion von Infektionsquellen im Bestand von großer Bedeutung. Dadurch wird eine deutliche Reduktion klinischer Erkrankungen sowie der Umweltkontamination mit Zysten gewährleistet. Außerdem sollte eine regelmäßige Beseitigung des Kotes und eine Stallreinigung mit dem Dampfstrahlgerät erfolgen.
Prophylaxe
Die wirksamste Prophylaxe vor einer Erkrankung durch Giardia duodenalis ist eine gute Stallhygiene und die Verhinderung anderer Darmerkrankungen.
Bedeutung für den Menschen
Insbesondere durch die Haltung von Wiederkäuern (v.a. von Kälbern) - die in der Nähe von Wassergewinnungsgebieten leben - kann es zur fäkalen Kontamination von Oberflächenwasser durch Zysten von Giardia duodenalis kommen. Da Giardia-Zysten äußerst klein sind, werden sie bei unzureichender Filterung oder auch anderen Mängeln bei der Trinkwasseraufbereitung nicht beseitigt. Ebenso tötet eine Chlorierung des Trinkwassers die Zysten nicht ab.
Molekularepidemiologische Untersuchungen von Giardia duodenalis haben gezeigt, dass die meisten Giardiosen beim Rind durch den für Huf- und Klauentiere spezifischen Genotyp E verursacht werden. Bei Wiederkäuern kommt es aber auch - wie beim Menschen - zu Infektionen mit dem Genotyp A1. Aus diesem Grund ist die Giardiose der Wiederkäuer als Zoonose einzustufen. Erkrankungen sind v.a. bei Kindern zu beobachten.
Literatur
- Boch, Josef, Supperer, Rudolf. Veterinärmedizinische Parasitologie. 6. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Parey Verlag, 2005