Dictyocaulus viviparus
Synonym: Großer Lungenwurm
Definition
Dictyocaulus viviparus, auch Großer Lungenwurm genannt, ist ein Parasit aus der Familie Dictyocaulidae. Als Erreger der Dictyocaulose (Lungenwurmkrankheit) verursacht er erhebliche wirtschaftliche Schäden bei der Rinderhaltung.
Taxonomie
- Domäne: Eukaryota
- Stamm: Nematoda
- Klasse: Secernentea
- Ordnung: Strongylida
- Überfamilie: Trichostrongyloidea
- Familie: Dictyocaulidae
- Gattung: Dictyocaulus
- Art: Dictyocaulus viviparus
- Gattung: Dictyocaulus
- Familie: Dictyocaulidae
- Überfamilie: Trichostrongyloidea
- Ordnung: Strongylida
- Klasse: Secernentea
- Stamm: Nematoda
Erreger
Entwicklung
Die Adultstadien von Dictyocaulus viviparus parasitieren in den größeren Bronchien und in der Trachea. Die Weibchen legen dünnschalige Eier ab, die bereits eine Larve (Erstlarve, L1) enthalten. Der Großteil der Larven verlässt die Eihülle unmittelbar nach der Eiablage. Mit dem Wimpernstrom wandern sie dann zum Larynx und Pharynx, um anschließend wieder abgeschluckt zu werden. Auf diesem Weg gelangen die meisten Larven in die Umwelt, wobei ein Teil auch abgehustet und so an die Außenwelt abgegeben werden kann.
Die Erstlarven enthalten in ihren Mitteldarmzellen Reservestoffe (mikroskopisch als Granula sichtbar), von denen sie während der weiteren Entwicklung leben. Bei Temperaturen von mehr als 16 °C entwickeln sich im Kot binnen einer Woche infektiöse Drittlarven (L3). Diese sind von einer - teils auch doppelt ausgebildeten - Scheide umgeben. Die infektiösen Larven werden über verschiedene Mechanismen aus dem Kot freigesetzt, sodass sie entweder
- durch Regen (Wegschleudern oder Auswaschen),
- durch mechanische Zerstörung und Ausbreitung der Kotfladen (v.a. durch Weidetiere) oder
- auch durch Vektoren (z.B. Käfer) in der Umgebung verbreitet werden.
Bei der Ausbreitung der Drittlarven spielen Pilze der Gattung Pilobolus zustätzlich eine bedeutende Rolle. Pilobolus-Arten wachsen ca. 1 Woche nach der Kotablage auf der Kotoberfläche und bilden lange Stiele mit Sporangien aus. Die Larven wandern dann entweder auf oder in den Stielen von der Kotoberfläche zu den Sporangien. Nachdem diese vollständig ausgereift sind, werden sie durch hydrostatischen Druck bis etwa 1 m vom Kotfladen weggeschleudert und mit ihnen die aufgewanderten Dictyocaulus-Larven.
Ein zusätzlicher Verbreitungsmodus der Larven auf größere Flächen ist ihre Verteilung im Durchfallkot von Ausscheidern. Dictyocaulus-Larven können zudem auch aktiv in einem Feuchtigkeitsfilm auf Weidepflanzen aufwandern, an denen sie sich meist unmittelbar über dem Boden festsetzen.
Nachdem die infektiösen Drittlarven peroral durch einen Wirt aufgenommen wurden, schlüpfen diese während der Magen-Darm-Passage aus ihrer Scheide. Im Anschluss dringen sie in die Darmwand (Dünndarm, teils auch Dickdarm) ein und wandern über die Lymphbahnen in die Mesenteriallymphknoten. Dort findet innerhalb von 3 bis 8 Tagen p.i. die Häutung statt. Danach werden die Larven lymphogen durch den Ductus thoracicus und hämatogen durch die Vena cava caudalis dem rechten Herzen und schließlich der Lunge zugeführt. Die ersten Larven erreichen die Lunge bereits eine Woche p.i. - der Großteil erreicht diese jedoch erst nach knapp zwei Wochen. Im Endorgan angekommen, verlassen die Larven das Kapillarnetz, durchdringen die Alveolarwände und siedeln sich anfangs in den Bronchioli an, wo die Häutung zum präadulten Stadium (5. Larvenstadium) erfolgt. Anschließend wandern sie in die größeren Bronchien sowie in die Trachea und entwickeln sich dort zur Geschlechtsreife.
Die Präpatenz beträgt etwa 21 bis 25 Tage, wobei sie durch ein Phase der Hypobiose deutlich verlängert sein kann. Die Patenz ist wegen der rasch einsetzenden Immunität mit ein bis zwei Monaten verhältnismäßig kurz. In den meisten Fällen steigt bei einmalig infizierten Jungtieren die Larvenausscheidung im Kot innerhalb von zwei Wochen stark an. Danach reduziert sich der Ausscheidungsgrad drastisch und persistiert insgesamt noch 5 bis 6 Wochen.
Vorkommen
Dictyocaulus viviparus kommt in Zonen gemäßigten Klimas weltweit vor - zum Teil auch in fokaler Verbreitung. In Europa stellt die Dictyocaulose vor allem in feuchten Niederungsgebieten ein Problem dar. In diesen Landteilen kann ein erheblicher Teil der Rinderbestände mit Weidehaltung befallen sein (bis zu 40 % der Bestände in Norddeutschland).
Epidemiologie
Die Dictyocaulose ist eine typische Infektion von Rindern mit Weidehaltung. Im Vergleich dazu sind Infektionen im Stall (Laufställe oder nach Fütterung von kontaminiertem Gras) sehr selten, meist unbedeutend und nur in wenigen Fällen klinisch relevant.
Rinder aller Altersgruppen ohne ausreichende Immunität sind grundsätzlich empfänglich für Dictyocaulus viviparus. In Endemiegebieten erkranken vorwiegend Jungtiere in ihrer ersten Weideperiode. Erkrankungen bei älteren Tieren treten nur dann auf, wenn sie zuvor noch nie einer Lungenwurminfektion ausgesetzt waren und keine Immunität ausbilden konnten (oder ihre Immunität stark geschwunden ist). Eine Sonderstellung nimmt das Reinfektionssyndrom von Kühen ein. In lungenwurmfreien Beständen kann Dictyocaulus viviparus durch inapparente Larvenausscheider eingeschleppt werden (z.B. durch den Zukauf von Rindern oder das Zusammenführen von Tieren verschiedener Bestände auf Gemeinschaftsweiden) und so zu einer Infektionswelle innerhalb einer Gruppe führen.
Pathogenese
Phase und Tage p.i. | Pathologie | Symptome |
---|---|---|
Präpatenz | ||
Tag 1-7 | Wanderphase der Larven | keine |
Tag 8-25 | Larven gelangen in die Lunge: Hämorrhagien, Nekrose der Alveolarwände, Bronchiolitis, Bronchitis | ab dem 12. Tag Husten, erhöhte Atemfrequenz und bei starkem Befall auch Todesfälle möglich |
Patenz | ||
Tag 25-60 | beginnende sowie fortschreitende Bronchopneumonie und Beginn der Elimination der Lungenwürmer durch einsetztende Immunität | Husten, erhöhte Atemfrequenz, Abmagerung und Todesfälle möglich |
Postpatenz | ||
Tag 60-90 | nach der Elimination von Lungenwürmern setzt die Regeneration oder Fibrose ein sowie Alveolarepithelisierung | Besserung und Heilung oder chronischer Husten und Kümmern, Todesfälle sind möglich |
Literatur
- Eckert, Johannes, Friedhoff, Karl Theodor, Zahner, Horst, Deplazes, Peter. Lehrbuch der Parasitologie für die Tiermedizin. 2., vollständig überarbeitete Auflage. Enke-Verlag, 2008.