Capture-Versagen (Herzschrittmacher)
Englisch: loss of capture
Definition
Ein Capture-Versagen beschreibt das Ausbleiben einer myokardialen Herzaktion nach einem adäquaten Schrittmacherimpuls. Obwohl der Stimulationsimpuls im EKG als Schrittmacher-Spike sichtbar ist, folgt keine stimulierte P-Welle oder QRS-Komplex.
Hintergrund
Damit eine elektrische Stimulation zu einer mechanischen Kontraktion führt, muss der Stimulationsimpuls das umgebende Myokard depolarisieren, dieser Prozess wird als „Capture“ bezeichnet (siehe: Herzschrittmacher).
Beim Capture-Versagen bleibt die Depolarisation trotz adäquatem Stimulationsimpuls aus. Die elektrische Energie erreicht entweder nicht den notwendigen Schwellenwert zur Auslösung einer Erregung oder kann aufgrund technischer, elektrophysiologischer oder metabolischer Ursachen nicht effektiv umgesetzt werden. Ein Capture-Versagen kann sowohl direkt nach der Schrittmacherimplantation als auch später im Verlauf (z. B. durch Fibrose oder Materialermüdung) auftreten.
ICD-10
- T82.1: Mechanische Komplikation durch Herzschrittmacher (z. B. Elektrodenfehler)
- T82.5: Sonstige Komplikationen von Herzschrittmachern
Ursachen
Ein Capture-Versagen lässt sich auf verschiedene Ursachen zurückzuführen:
Elektrodenbedingte Ursachen
- Dislokation der Elektrode (z. B. nach Trauma, Manipulation oder bei neu implantierten Systemen)
- Elektrodenbruch oder Kabeldefekt
- Abnorme Impedanz (zu hoch oder zu niedrig)
Schrittmacherbezogene Ursachen
- Batterieerschöpfung
- Fehlprogrammierung (z. B. zu niedrige Stimulationsenergie)
- Oversensing mit Unterdrückung der Stimulationsabgabe
Myokardiale und metabolische Ursachen
- Fibrose oder Narbenbildung an der Elektrodenstelle (erhöhter Schwellenwert)
- Elektrolytstörungen (v. a. Hyperkaliämie)
- Azidose oder Hypoxie
- Medikamentöse Einflüsse (z. B. Antiarrhythmika Klasse I oder III, Digoxin)
- Akuter Myokardinfarkt
Symptome
Das klinische Bild hängt vom Grad der Schrittmacherabhängigkeit ab. Bei intermittierender Eigenaktivität bleibt das Capture-Versagen oft asymptomatisch. Schrittmacherabhängige Patienten können Symptome wie Palpitationen, Schwindel oder Synkopen zeigen. In schweren Fällen kann es zu Asystolie und Herzkreislaufstillstand kommen.
Diagnostik
Diagnostische Erstmaßnahme ist die Anfertigung eines EKGs. Es zeigen sich Schrittmacher-Spikes ohne nachfolgende Depolarisation (keine P-Welle bzw. kein QRS-Komplex).
Parallel erfolgt eine Telemetrie des Schrittmachers mit
- Kontrolle von Stimulationsschwelle (Threshold), Impedanz, Batteriezustand, Programmierung
- Überprüfung auf Exit-Block, Schwellenanhebung, Kabeldefekte
- Nutzung von AutoCapture-Funktion zur Detektion und Anpassung
Weitere diagnostische Maßnahmen sind:
- Labordiagnostik: Elektrolytstatus, BGA zur Erkennung von Hyperkaliämie, Azidose, Hypoxie, Medikamentenspiegel (Digoxin, Antiarrhythmika)
- Bildgebung: Röntgen-Thorax zur Beurteilung der Elektrodenlage
Therapie
Die Behandlung richtet sich nach der Ursache.
- Transkutane oder temporäre Herzschrittmacher-Stimulation bei akuter Bradykardie
- Korrektur reversibler Ursachen (Elektrolytstörungen, Hypoxie, Medikamente)
- Reprogrammierung des Aggregats (Stimulationsenergie, Impulsdauer, Sicherheitsmarge)
- Operative Revision bei Elektrodenfehlern oder Batterieerschöpfung
- Regelmäßige Schrittmacherkontrollen zur Prävention eines erneuten Capture-Versagens
Literatur
- Glikson et al., 2021 ESC Guidelines on cardiac pacing and cardiac resynchronization therapy, European Heart Journal, 2021
- Kleemann et al., Akute Notfälle bei Schrittmacherträgern, Der Kardiologe, 2015
- Gertsch, Das EKG auf einem Blick und im Detail, 1. Aufl., Springer, 2007
- Fröhlig et al., Herzschrittmacher- und Defibrillator-Therapie, 3. Aufl., Georg Thieme Verlag, 2020
- Volz et al., Herzschrittmacherkontrolle, 2. Aufl., Elsevier, 2011
- Gazarek et al., Herzschrittmacher-Nachsorge für Einsteiger, 2. Aufl., Springer, 2023