Oversensing (Herzschrittmacher)
Definition
Bei einem Oversensing interpretiert der Herzschrittmacher Signale fälschlicherweise als reguläre elektrische Herzaktivität, obwohl sie eine andere Ursache haben. Dadurch kommt es zu unerwünschten Pausen der Impulsabgabe.
Hintergrund
Herzschrittmacher dienen der kontinuierlichen Überwachung und Unterstützung der Herzaktivität. Sie detektieren die elektrische Eigenaktivität von Vorhöfen und Kammern und geben nur dann elektrische Impulse ab, wenn diese Aktivität unzureichend ist. Dies verhindert eine unnötige Stimulation des Myokards. Bei Oversensing kommt es jedoch zu einer Fehlinterpretation von Signalen, die nicht kardialer Ursache sind oder fälschlicherweise als Eigenaktivität gewertet werden. Dadurch unterdrückt der Schrittmacher die erforderliche Impulsabgabe und es kann zu inadäquaten Pausen in der Herzstimulation kommen.
Ursachen
Oversensing kann durch verschiedene elektrische oder mechanische Einflüsse verursacht werden:
- Myopotenziale: elektrische Signale der Skelettmuskulatur, v.a. bei Kontraktionen der Pektoralismuskeln oder des Zwerchfells
- Elektromagnetische Interferenzen (EMI): z.B. durch MRT-Untersuchungen, Hochspannungsfelder, Mobiltelefone, Schweißgeräte
- T-Wellen-Oversensing: Fehlinterpretation der T-Welle als QRS-Komplex
- Kabel- oder Elektrodenfehler: z.B. Isolationsdefekt, Kabelbruch oder schlechte Kontaktierung
- Rauschen („Noise“): elektrische Artefakte durch lose Steckverbindungen oder defekte Aggregate
Symptome
Das klinische Bild hängt vom Grad der Schrittmacherabhängigkeit ab. Bei Patienten mit intermittierender Eigenaktivität kann Oversensing zunächst asymptomatisch bleiben. Schrittmacherabhängige Patienten zeigen dagegen Symptome einer Bradykardie bis hin zu Bewusstlosigkeit durch Hypoperfusion.
Diagnostik
Oversensing wird meist durch das Fehlen von Stimulationsspikes im EKG trotz niedriger Herzfrequenz auffällig. Die Geräteabfrage liefert Informationen über Fehlinterpretationen und Sensitivitätseinstellungen. Provokationstests wie Muskelkontraktionen oder Atemmanöver sowie eine Überprüfung von Elektroden und Kabeln helfen, die Ursache weiter einzugrenzen.
Therapie
Die Behandlung richtet sich nach der Ursache. Häufig reicht eine Reprogrammierung des Geräts, z.B. Anpassung der Sensitivität oder Verlängerung der Refraktärzeiten. Externe Störquellen sollten entfernt, defekte Elektroden oder Kabel chirurgisch korrigiert und bei Aggregatfehlern das Gerät gewechselt werden.
Bei ausgeprägter Bradykardie kann eine temporäre externe Schrittmacherstimulation notwendig sein.
Abgrenzung
Das Gegenteil des Oversensing ist das Undersensing. Dabei erkennt der Herzschrittmacher tatsächliche Eigenaktivität des Herzens nicht und stimuliert fälschlich zusätzlich, was zu unphysiologischen Doppelimpulsen und gefährlichen Herzrhythmusstörungen führen kann.
Literatur
- Kleemann et al., Akute Notfälle bei Schrittmacherträgern, Der Kardiologe, 2015
- Fröhlig et al., Herzschrittmacher- und Defibrillator-Therapie, 3. Aufl., Georg Thieme Verlag, 2020
- Volz et al., Herzschrittmacherkontrolle, 2. Aufl., Elsevier, 2011
- Gazarek et al., Herzschrittmacher-Nachsorge für Einsteiger, 2. Aufl., Springer, 2023