Campylobacter-Infektion (Geflügel)
Synonym: Campylobacteriose
Definition
Campylobacter-Infektionen, auch Campylobacteriosen genannt, sind Infektionskrankheiten beim Geflügel, die durch verschiedene Campylobacter-Arten ausgelöst werden. Aufgrund des zoonotischen Potenzials sind die Infektionen auch von humanmedizinischem Interesse.
Ätiologie
Beim Geflügel kommen hauptsächlich die Arten Campylobacter jejuni und Campylobacter coli vor. Deutlich seltener hingegen können Campylobacter lari und Campylobacter upsaliensis nachgewiesen werden.
Campylobacter-Spezies sind gramnegative, sporenlose, gebogene oder gelegentlich auch gerade Stäbchenbakterien von 0,2 bis 0,9 x 0,5 bis 5,0 µm Größe. Aufgrund ihrer uni- oder bipolaren monotrichen Begeißelung sind sie überaus beweglich. Die Kultivierung gelingt unter mikroaerophilen Bedingungen (3 bis 15 % Sauerstoff). Die Bakterien verwerten Kohlenhydrate weder oxidativ noch fermentativ. Während alle Vertreter Oxidase-positiv sind, fällt die Katalasereaktion artspezifisch aus.
Epidemiologie
Obwohl die Tenazität von Campylobacter-Arten gering ist, muss davon ausgegangen werden, dass der Erreger ubiquitär verbreitet ist. Die Bakterien können über alle denkbaren belebten sowie unbelebten Vektoren in die Herden eingebracht werden. Daher liegen die Prävalenzen in Nutzgeflügelbeständen etwa bei 10 bis 50 % (gelegentlich auch höher) und in Geflügelfleischprodukten zum Teil auch deutlich darüber.
Da die thermophilen Bakterien an ein Wachstum bei über 40 °C gut adaptiert sind, hat der Eintrag dieser Erreger aus Geflügelprodukten in die Lebensmittelkette eine sehr große Bedeutung. Mögliche Kontaminationen wirken sich auf die Lebensmittelqualität und damit auch die Gesundheit des Menschen aus. Es ist davon auszugehen, dass etwa 40 % der humanen Campylobacter-Infektionen auf den Verzehr von kontaminierten Geflügelprodukten zurückgehen.
Pathogenese
Infektionen finden oral und zu den unterschiedlichsten Zeiten während der Aufzucht statt.
Nach der Erregeraufnahme kommt es zu einer raschen Besiedlung des Darmtrakts. Binnen weniger Tage breitet sich die Infektion in der Herde aus, sodass davon ausgegangen werden kann, dass diese Tiere bis zum Ende ihrer Nutzungsperiode mit den verschiedenen Campylobacter-Arten infiziert bleiben. Die anschließende Kolonisation wird u.a. durch die maternalen Antikörper, hormonelle Einflüsse, die Zusammensetzung des Futters sowie die Darmmikroflora beeinflusst.
Bislang (2021) bestehen keine ausreichenden Erkenntnisse zu den verschiedenen Virulenzfaktoren und über den komplexen Pathomechanismus der Campylobacter-Infektion. Es ist jedoch bekannt, dass es aufgrund der unterschiedlichen Pathogenität der Erreger zu verschiedenen Manifestationen und damit zu verschiedenen klinischen Erkrankungen kommt.
Klinik
Während Infektionen bei gesunden und immunkompetenten Geflügeln nur selten zu klinisch manifesten Erkrankungen führen, können die über Lebensmittel übertragenen Bakterien beim Menschen v.a. Enteritiden verursachen.
Spezies | Pathogenität | Erkrankung |
---|---|---|
C. jejuni | tierpathogen: | Jejuni-Campylobacteriose |
humanpathogen: | Campylobacter-Enteritis | |
C. coli | Normalflora bei Tieren | |
humanpathogen: | Campylobacter-Enteritis | |
C. lari | Tierpathogenität unklar | |
humanpathogen: | seltener Diarrhöerreger | |
C. upsaliensis | Tierpathogenität unklar | |
humanpathogen: | seltener Diarrhöerreger |
Diagnose
Der Nachweis von Campylobacter-Spezies bei Nutzgeflügeln erfolgt grundsätzlich im Rahmen der Hygieneüberwachung der Herde. Die Erreger werden nach Anreicherung unter mikroaerophilen Bedingungen und bei 42 °C auf Selektivnährmedien (z.B. CCD-Agar) angezüchtet. Auf diesen Nährmedien wächst das Bakterium in typischen metallisch-glänzenden Kolonien.
Die angezüchteten Kolonien werden subkultiviert, gramgefärbt, auf Beweglichkeit überprüft und dann mithilfe spezifischer biochemischer Schnelltestverfahren identifiziert. Zur Artidentifikation stehen verschiedene PCR-Protokolle zur Verfügung.
Therapie
Die Bekämpfung gestaltet sich schwierig. Antibiotische Therapien führen zu keiner effizienten Erregereliminierung, langfristig hingegen zur Resistenzentwicklung. Impfungen sind bislang (2021) nicht erfolgsversprechend.
Prophylaxe
Die Prophylaxe konzentriert sich auf strikte Hygienemaßnahmen, sowohl in den Stallungen als auch bei der Schlachtung bzw. Lebensmittelweiterverarbeitung.
Zoonotische Bedeutung
Campylobacter-Arten sind Zoonoseerreger und können vom Tier auf den Menschen übertragen werden. Infektionen finden primär durch kontaminierte Lebensmittel (Geflügelfleisch, kontaminierte Eier) statt und verursachen Durchfallerkrankungen.
Literatur
- Rautenschlein S, Ryll M. 2014. Erkrankungen des Nutzgeflügels. 1. Auflage. Stuttgart: UTB Verlag GmbH. ISBN: 978-3-8252-8565-5
- Siegmann O, Neumann U (Hrsg.) 2012. Kompendium der Geflügelkrankheiten. 7., überarbeitete Auflage. Hannover: Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG. ISBN: 978-84268333-4
- Mayr A, Rolle M. Mayr A (Hrsg.). 2007. Medizinische Mikrobiologie, Infektions- und Seuchenlehre. 8., überarbeite Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG. ISBN: 978-3-8304-1060-7