Anovulatorischer Follikel (Pferd)
Englisch: anovulatory follicle
Definition
Ein anovulatorischer Follikel ist ein präovulatorischer Follikel, der trotz ausreichender Größe nicht zur Ovulation kommt, persistiert und so den Zyklus der Stute beeinflussen kann.
Ätiologie
Anovulatorische Follikel entstehen infolge einer mangelhaften Freisetzung von LH (luteinisierendes Hormon) aus der Adenohypophyse (Hypophysenvorderlappen).
Eine verminderte LH-Sekretion ist während der Übergangsphase zwischen dem Winteranöstrus und der regelmäßigen Zyklusaktivität als physiologisch anzusehen. Auch während der Zuchtsaison können bei Stuten mit regelmäßigem Zyklus bis zu 10 % der Zyklen anovulatorisch verlaufen. Als Ursache kommen u.a. Störungen der LH-Sekretion sowie Störungen der LH-Rezeptoren der Follikel in Frage. Diese werden v.a. bei älteren Stuten, bei Energiemangel oder sekundär als Folgeerscheinung von systemischen Erkrankungen (z.B. Cushing-Syndrom) beobachtet.
Pathogenese
Unabhängig vom Auslöser kommt es aufgrund einer mangelhaften LH-Freisetzung zum Ausbleiben der Ovulation.
Während der Übergangsphase (von der Winterazyklie zum regelmäßigen Zyklus) findet eine saisonal reduzierte hypophysäre LH-Synthese statt. Neben der verminderten LH-Sekretion sind in dieser Phase die heranwachsenden Follikel auch aufgrund mangelnder Kapillarisierung und Enzymausstattung nicht zu einer physiologischen Östrogensynthese befähigt. Durch den Östrogenmangel fehlt auch die positive Rückkopplung auf die LH-Synthese sowie LH-Sekretion, die wiederum für die Stimulation einer verstärkten LH-Freisetzung während der Rosse notwendig ist. Trotz der mangelnden Östrogensekretion kommt es in den meisten Fällen dennoch zur Ausbildung von Rossesymptome. Die Tiere reagieren mit äußerlichen sowie innerlichen Rossesymptomen ("Blitzen", Ödematisierung und Bildung einer typischen Radspeichenstruktur des Endometriums u.ä.).
Während der Übergangsphase atresieren jedoch die meisten anovulatorischen Follikel. Nach einiger Zeit bilden sie sich vollständig zurück, ohne Lutealgewebe zu bilden. Solche persistierenden Follikel führen aber in der Regel nicht zu einer Blockade der nachfolgenden Follikelwelle. Häufig kommt es in der 3. oder 4. Follikelwelle im Frühjahr zur Selektion eines endokrin kompetenten prävoulatorischen Follikels. Dieser ovuliert letztendlich und setzt damit eine zyklische, ovulatorische Ovaraktivität in Gang.
Anovulatorische Follikel treten auch während der Zuchtsaison bei Stuten mit regelmäßiger Zyklusakvität auf. Bei diesen Tieren kommt es jedoch seltener zur Follikelatresie und deutlich häufiger zur Luteinisierung des präovulatorischen Follikels (luteinisierender Follikel). Aufgrund des hormonell aktiven Gewebes stellt sich eine Lutealphase ein. Da der Follikel jedoch nicht zur Ovulation gelangt und keine Eizelle freigesetzt wird, ist keine Konzeption möglich.
Klinik
Betroffene Stuten zeigen wiederholt (eventuell regelmäßig) Rosseverhalten, das jedoch deutlich über die durchschnittliche Rossedauer (> 12 Tage) hinaus anhält. Bei der transrektalen Ultraschalluntersuchung ist mindestens ein Follikel von präovulatorischer Größe (> 3,5 cm) nachweisbar, der jedoch nicht ovuliert. Dieser persistierende Follikel kann daher auch noch Wochen später nachweisbar sein.
Nach einiger Zeit lassen sich zunehmend echogene Partikel in der Follikelflüssigkeit nachweisen. Die Partikel füllen die Follikelhöhle nach und nach aus, sodass eine echogene Struktur entsteht (Luteinisierung). Ab diesem Zeitpunkt spricht man von einem luteinisierenden Follikel. In manchen Fällen kommt es auch plötzlich zu Einblutungen in die Follikelhöhle, sodass ein Follikel- oder gar Ovarhämatom entsteht.
Diagnose
Die Diagnose wird mithilfe einer gründlichen Anamnese und mittels der klinischen und gynäkologischen Untersuchung gestellt.
Zu Beginn der betroffenen Rosse ist der Uterus ödematisiert und weich. Bei der transrektalen Ultraschalluntersuchung ist oftmals eine deutliche Radspeichenstruktur nachweisbar. Bei der vaginalen Inspektion zeigt sich ein typisches Rossebild (feuchte und rosarote Schleimhaut, schlaffe und geöffnete Zervix). Bei der täglichen Follikelkontrolle mittels Ultraschall lässt sich ein persistierender Follikel nachweisen, der trotz ausreichender Größe nicht ovuliert. Um die Verdachtsdiagnose bestätigen zu können, kann zusätzlich täglich die Plasmaprogesteronkonzentration bestimmt werden. Bei einer Follikelatresie bleibt die Progesteronkonzentration aufgrund der fehlenden Ausbildung von Lutealgewebe stets unter der Grenze von 1 ng/ml.
Therapie
Besteht bereits der Verdacht, dass eine Ovulation trotz ausreichend großem Follikel ausbleibt, kann durch die rechtzeitige Applikation von hCG eine Ovulation induziert werden.
Häufig sprechen die unvollständig kompetenten Follikel nicht auf diese Behandlung an, sodass trotzdem eine Ovulation ausbleibt. Bei diesen Tieren kann eine Gestagenbehandlung (Altrenogest 0,044 mg/kgKG p.o.) über ca. 10 Tage zu einer Normalisierung der hypophysären LH-Synthese und LH-Sekretion beitragen. Bei den meisten Stuten kommt es unter dem Einfluss der Gestagene zur Anbildung einer Follikelwelle und zur Selektion eines präovulatorischen kompetenten Follikels. Nachdem die Gestagenbehandlung abgesetzt wird, entwickeln sich äußere sowie innere Rossesymptome, sodass mittels rechtzeitiger Ovulationsinduktion eine Ovulation induziert werden kann. Im weiteren Verlauf der Rossezyklen kommt es zu einer allmählichen Normalisierung der Hypophysen- und Ovarfunktion mit der Ausbildung regelmäßiger Ovulationen.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Literatur
- Aurich C (Hrsg.). 2009. Reproduktionsmedizin beim Pferd. Gynäkologie - Andrologie - Geburtshilfe. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Parey-Verlag. ISBN: 978-3-8304-4179-3
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