Leberinsuffizienz
Synonym: Leberversagen
Englisch: hepatic failure, liver failure
Definition
Unter einer Leberinsuffizienz versteht man eine Funktionsstörung der Leber mit teilweisem oder vollständigem Ausfall ihrer Stoffwechselaufgaben. In ihrer schwersten Form, dem akuten Leberversagen (ALV), ist die Leberinsuffizienz ein akut lebensbedrohlicher Zustand. Bei der Leberinsuffizienz kommt es zu einer klassischen Symptomtrias: zunächst Ikterus, dann Gerinnungsstörungen und Bewusstseinsstörungen.
Formen
Zwischen Ausfall der Leberfunktion und dem Symptom "Bewusstseinsstörung", die sich meist durch eine hepatische Enzephalopathie bemerkbar macht, können Tage bis Wochen vergehen. Man unterscheidet je nach Zeitintervall:
- Fulminante Leberinsuffizienz: < 7 Tage
- Akute Leberinsuffizienz: 8 - 28 Tage
- Subakute/protahierte Leberinsuffizienz: > 4 Wochen
Teilweise kompensierte Funktionsstörungen der Leber können als chronische Leberinsuffizienz auch einen längeren Verlauf haben.
Das akute Leberversagen kann durch die sogenannten King's-College-Kriterien verifiziert werden.
Ursachen
Können die Durchblutung der Leber und die Arbeit der Hepatozyten nicht mehr aufrechterhalten werden, kommt es zum Leberversagen. Die Hepatozyten stellen ihre Arbeit ein und gehen zugrunde. Es gibt unterschiedliche Ursachen für eine Leberinsuffizienz:
Virushepatitis
Ein Virushepatitis ist die häufigste Ursache eines Leberversagens. Vor allem die Hepatitis-Viren B, D und E sind hierfür verantwortlich. Die Hepatitis A und C sind nur selten Verursacher.
Hepatotoxine
Verschiedene Gifte sind in der Lage die Leber irreversibel zu schädigen:
- Medikamente: Paracetamol, Halothan
- Drogen: Ecstasy, Alkohol
- Chemikalien: Tetrachlorkohlenstoff
- Pilze: Knollenblätterpilz, 0,1 mg/kg KG können einen Menschen umbringen. Einzige Rettung ist eine Lebertransplantation
Andere Ursachen
Symptome
Neben oben genannter Symptomen-Trias wie Ikterus, Gerinnungsstörungen und Bewusstseinsstörungen, können folgende klinische Anzeichen auf ein Leberversagen schließen lassen:
- Foetor hepaticus: der Atem riecht nach roher Leber
- Flapping Tremor: grobschlägiges Händezittern
- Hepatische Enzephalopathie: reicht von Bewusstseinstörungen bis hin zum Koma, wird in vier Grade eingeteilt
- Arterielle Hypotonie: bedingt durch eine reflektorische Vasodilatation
- Hyperventilation: durch Ammoniakablagerungen
- Pruritus: Juckreiz, durch den Übertritt von Gallenflüssigkeit in das Blut, besonders am Fuß
Labordiagnostik
Eine Erhöhung/Senkung spezieller Leberwerte lässt, neben der Anamnese und der Klinik, Rückschlüsse auf das Bild des Leberversagens zu:
Erhöhung | Senkung |
---|---|
GOT | Quick |
GPT | Thrombozyten |
Bilirubin | Kalium |
Bikarbonat | Glukose |
Harnstoff |
Komplikationen
Häufig eintretende Komplikationen sind im Folgenden aufgeführt; sie sind in den meisten Fällen die Todesursache:
- Hirnödem, bei 80% der Patienten mit Enzephalopathie Grad 4
- Blutungen, vor allem im Magen-Darm-Trakt
- Hypoglykämie durch gestörte Gluconeogenese
- Akutes Nierenversagen bei hepatorenalem Syndrom
- Infektionen
Dosisanpassung von Medikamenten
Die Dosisanpassung bei Leberinsuffizienz (DALI) beschreibt Regeln zur Dosierung von Arzneimitteln bei leichter, mittelgradiger und/oder schwerer Leberinsuffizienz.[1] Durch den verschlechterten Stoffwechsel kann es einer Akkumulation bestimmter Arzneistoffes im Körper kommen. Wird dadurch die verordnete Dosis zeitweise überschritten, führt das zu vermehrten Nebenwirkungen, ggf. auch zur Toxizität. Daher muss eine Dosisanpassung erfolgen.
Therapie
Symptomatische Therapie
- Intenisvüberwachung
- Elektrolytsubstitution
- Substitution von Fresh Frozen Plasma (Wiederauffüllen der Gerinnungsfaktoren)
- Glukose-Gabe
- Eiweißkarenz
- Bei Hirnödem:
- Mannitol
- Blutdruck-Anpassung
- Hyperoxygenierung
- Hyperventilation
Kausale Therapie
- Bei Virushepatitis: antivirale Therapie
- Bei hepatotoxischem Leberversagen: Magenspülung, forcierte Diurese, Plasmapherese
- Bei Paracetamol-Intoxikation: Acetylcystein als Antidot
- Bei Knollenblätterpilz-Vergiftung: Penicillin und Silibinin
Lebertransplantation
Patienten mit Leberinsuffizienz sollten frühzeitig in ein Transplantationszentrum verlegt werden. Ungefähr 50 % aller Betroffenen benötigen eine neue Leber.
Leberdialyse
Verfahren wie das Molecular Adsorbent Recirculating System (MARS) dienen der extrakorporalen Detoxikation und können die Zeit bis zu einer Transplantation überbrücken.
Forschung
Tierexperimentelle Studien legen nahe, die Wertigkeit einer therapeutisch induzierten portalen Hypertension für die Förderung der Leberregeneration zu untersuchen.[2]
Quellen
- ↑ Stammschulte T et al. Niederländische Empfehlungen zur sicheren Anwendung von Arzneimitteln bei Leberzirrhose. Arzneiverordnung in der Praxis 1/2020. Abgerufen am 22.06.2023
- ↑ Bucur, P.O. et al.: Modulation Portal Hemodynamics With Vascular Ring Allows Efficient Regeneration After Partial Hepatectomy in Porcine Model. Ann Surg 2018; 268: 134-142.