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Ergotismus

Synonyme: Ignis sacer, Antoniusfeuer, Kriebelkrankheit
Englisch: ergotism

1. Definition

Der Ergotismus ist eine Vergiftung durch Einnahme von Mutterkornalkaloiden (z.B. Ergotamin). Aufgrund der vasokonstriktiven Wirkung der Giftstoffe ist die Erkrankung durch Symptome einer Minderdurchblutung von verschiedenen Körperteilen gekennzeichnet.

2. Ätiologie

Mutterkornalkaloide kommen in der Natur als Stoffwechselprodukte des Pilzes Claviceps purpurea vor, der auf verschiedenen Getreidearten wächst. Die Aufnahme von unzureichend aufbereiteten, belasteten Getreideprodukten (z.B. aus der ökologischen Landwirtschaft) mit der Nahrung ist eine mögliche Ursache des Ergotismus.[1]

Heutzutage tritt der Ergotismus jedoch eher aufgrund einer Überdosierung von Medikamenten auf, die Mutterkornalkaloide oder deren Derivate enthalten. Dabei handelt es sich vor allem um Arzneimittel, die in der Behandlung von Migräne eingesetzt werden (z.B. Dihydroergotamin).

3. Pathophysiologie

Durch eine Überdosierung von Ergotamin kommt es zur massiven Vasokonstriktion der Arterien im Sinne eines Vasospasmus. Dadurch ist vor allem die Durchblutung von Herz, Nieren und Extremitäten kompromittiert.

4. Symptomatik

Der Ergotismus zeigt sich klinisch v.a. durch Par- bzw. Hypästhesien sowie zyanotische Veränderungen an den Extremitäten. Außerdem kann es zu Paresen kommen.

Zusätzlich bestehen in der Regel Allgemeinsymptome wie:

In schweren Fällen kommt es durch eine Myokardischämie infolge der Konstriktion der Koronararterien zum Herzstillstand mit Todesfolge.

5. Diagnostik

Wichtigstes diagnostisches Kriterium ist das Erkennen der Ergotamineinnahme. Eine gute Medikamentenanamnese ist daher meistens entscheidend. In der körperlichen Untersuchung weisen Kälte und Blässe der Extremitäten auf eine Ischämie hin. Die Pulse der unteren Extremitäten sind ggf. kaum nachweisbar und es können bereits Zeichen einer ausgeprägten Minderdurchblutung bestehen (z.B. Nekrosen).

Apparative Untersuchungen, wie z.B. die Doppler-Sonographie der Extremitätengefäße, werden bei Bedarf ergänzend hinzugezogen.

6. Therapie

Auslösende Medikamente sind als Erstmaßnahme sofort abzusetzen. Ist dies alleine nicht ausreichend, können die Blutgefäße durch die Gabe von Nitraten, Calciumantagonisten und/oder Prostaglandininfusionen erweitert werden, bis die Ergotaminwirkung abgeklungen ist.

7. Geschichte

Der Ergotismus war in der Antike unbekannt, weil der damals angebaute und verarbeitete Weizen nicht von Claviceps purpurea befallen wurde. Erst im Mittelalter kam es mit dem Anbau von Roggen, auf dem der Mutterkornpilz parasitisch wächst, zum Ergotismus infolge des Verzehrs von kontaminierten Nahrungsmitteln. Für das Jahr 857 n. Chr. ist in Xanten die erste epidemische Vergiftung belegt. 922 starben in Europa ca. 40.000 Menschen an einer Mutterkornvergiftung.

Die Trivialbezeichnung Antoniusfeuer geht auf die Laienbruderschaft der Antoniter zurück, die 1095 zur Pflege und Betreuung von Betroffenen gegründet wurde. Im 15. Jahrhundert betrieb diese 370 Spitäler in ganz Europa.

Obwohl an der Universität Marburg bereits im Jahr 1597 der Zusammenhang zwischen dem Verzehr von Getreideprodukten und der Erkrankung erkannt worden war, gab es in Europa bis ins 18. Jahrhundert große epidemische Ausbrüche. Noch 1926/27 kostete eine Massenvergiftung in der Sowjetunion mehr als 11.000 Menschen das Leben.[2]

8. Quelle

  1. Bewertung gesundheitlicher Risiken durch Ergotalkaloide in ausgewählten Getreideprodukten. Stellungnahme Nr. 041/2023 des BfR vom 25.09.2023. Abgerufen am 26.09.2023
  2. Ergotismus, Brockhaus: Abenteuer Geschichte, 2017

9. Literatur

  • Pschyrembel online – Ergotismus, abgerufen am 15.05.2023

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