Tat-System
Englisch: twin-arginine translocation system, twin-arginine protein translocation system, tat system, tat pathway
Definition
Das Tat-System ist ein Transportsystem für Proteine in Bakterien, Archaeen und Pflanzenorganellen (Chloroplasten, teilweise Mitochondrien). Es ermöglicht den Transport von bereits gefalteten Proteinen mit charakteristischen Signalpeptiden über biologische Membranen.[1][2]
Hintergrund
Das Tat-System ist nach dem charakteristischen N-terminalen Signalpeptid benannt, das ein konserviertes Zwillings-Arginin-Motiv enthält, meist in der Form SRRxFLK (R steht für Arginin).[2] Im Gegensatz zum Sec-System, das überwiegend ungefaltete Polypeptide transportiert, transloziert das Tat-System gefaltete Proteine mit gebundenen Cofaktoren.[3] Als Energiequelle dient nicht ATP, sondern der Protonengradient über der Membran.[2]
Struktur
Das bakterielle Tat-System besteht aus den Membranproteinen TatA, TatB und TatC.
- TatC bildet zusammen mit TatB den Rezeptorkomplex für Signalpeptide.
- TatB vermittelt die Bindung an das Signal und unterstützt die Substraterkennung.[3]
- TatA bildet Oligomere und den Kanal für den eigentlichen Transport.[3]
Tat-Signalpeptide sind im Schnitt etwa 30 Aminosäuren lang. Sie enthalten neben dem Zwillings-Arginin-Motiv eine hydrophobe Region sowie polare Sequenzen zur Vermeidung einer Interaktion mit dem Sec-System.[2]
Funktion
Der Transportablauf umfasst:
- Erkennung des Signalpeptids durch TatBC,
- Rekrutierung von TatA und Ausbildung eines Kanal-Komplexes,
- Translokation des gefalteten Proteins unter Nutzung des Protonengradienten.
Eine Besonderheit ist die eingebaute Qualitätskontrolle, die nur korrekt gefaltete und mit Cofaktor beladene Substrate akzeptiert.[1]
Substrate
Typische Tat-Substrate sind:
- Redoxenzyme mit Metall-Cofaktoren (z.B. Nitrat- oder Formiat-Reduktasen)
- Rieske-Eisen-Schwefel-Proteine[3]
- Multimer-Komplexe über den sogenannten Hitchhiker-Mechanismus[4]
Evolution
Das Tat-System stammt aus den bakteriellen Vorfahren von Chloroplasten und Mitochondrien. In Chloroplasten wird es in der Thylakoidmembran genutzt.[5] In den meisten Mitochondrien ist das Tat-System verloren gegangen. Stattdessen übernimmt das AAA-Protein BCS1 die Translokation des Rieske-Proteins.[6] Nur in wenigen Eukaryoten (z.B. Pflanzen, einige Protisten) ist ein mitochondriales Tat-System erhalten geblieben.[7]
Medizinische Relevanz
In pathogenen Bakterien trägt das Tat-System zur Virulenz bei, da es für die Sekretion bestimmter Toxine und Cofaktor-Proteine verantwortlich ist.[3]
Verwendung
In der Biotechnologie wird das Tat-System zur Sekretion komplexer, korrekt gefalteter rekombinanter Proteine genutzt.[2]
Literatur
- ↑ 1,0 1,1 Palmer und Stansfeld, Targeting of proteins to the twin-arginine translocation pathway, Molecular Microbiology, 2020
- ↑ 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 Frain et al., Transport of folded proteins by the Tat system, Protein J, 2019
- ↑ 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 Berks, The twin-arginine translocation (Tat) protein export pathway, Annu Rev Biochem, 2012
- ↑ Hutcheon und Bolhuis, The archaeal twin-arginine translocation pathway, Biochem Soc Trans, 2003
- ↑ Schäfer et al., The Plant Mitochondrial TAT Pathway Is Essential for Complex III Biogenesis, Curr Biol, 2020
- ↑ Ackermann, Biogenese des Rieske-Eisen-Schwefel-Proteins der Mitochondrien, Dissertation, Ludwig-Maximilians-Universität München, 2012
- ↑ Petrů et al., Evolution of mitochondrial TAT translocases, BMC Biol, 2018