Schizoide Persönlichkeitsstörung
Englisch: schizoid personality disorder
Definition
Die schizoide Persönlichkeitsstörung gehört zur Gruppe der Persönlichkeitsstörungen und ist durch eine ausgeprägte Kontaktstörung mit einzelgängerischem Verhalten und begrenzte affektive Fähigkeiten gekennzeichnet.
Epidemiologie
Schätzungen zufolge sind ca. 3,1 bis 4,9 % der amerikanischen Bevölkerung von einer schizoiden Persönlichkeitsstörung betroffen. Man sieht sie etwas häufiger bei Männern als bei Frauen. Eine Assoziation mit einer positiven Familienanamnese für Schizophrenie und die schizotype Persönlichkeitsstörung ist bekannt.
Ätiologie
Man geht von einer multifaktoriellen Genese aus. Folgende Faktoren scheinen von Bedeutung zu sein:
- genetische Prädisposition (familiäre Häufung, Assoziation mit der schizotypischen und der paranoiden Persönlichkeitsstörung, der wahnhaften Störung sowie der Schizophrenie)
- Umwelteinflüsse
- frühkindliche Erfahrungen, frühkindliches Trauma (z.B. emotionale Vernachlässigung oder längerer Krankenhausaufenthalt mit dem Erleben, dass soziale Kontakte nicht befriedigend sind)
siehe auch: Ätiologie und Pathogenese von Persönlichkeitsstörungen
Symptome
Eine schizoide Persönlichkeitsstörung zeichnet sich durch ein allgemeines Desinteresse an engen Beziehungen und durch eine begrenztes Repertoire von Emotionen im zwischenmenschlichen Kontakt aus. In der sozialen Interaktion erscheinen Betroffene möglicherweise distanziert und egozentrisch. Sie zeigen nur selten ausdrucksstarke, emotionale Reaktionen wie z.B. Lächeln oder Zorn.
Diagnose
Die Diagnose erfolgt durch eine psychiatrische Beurteilung anhand der Kriterien des DSM-5. Zudem müssen die allgemeinen Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung (F60) erfüllt sein. Vier der folgenden Merkmale oder Verhaltensweisen müssen für die Diagnose der schizoiden Persönlichkeitsstörung vorliegen:
- Anhedonie
- emotionale Kühle, Distanziertheit oder abgeflachter Affekt
- reduzierte Fähigkeit, warme, zärtliche Gefühle für andere oder Ärger auszudrücken
- scheinbare Gleichgültigkeit gegenüber Lob und Kritik von anderen
- wenig Interesse an sexuellen Erfahrungen mit einem anderen Menschen (unter Berücksichtigung des Alters)
- fast immer Bevorzugung von einzelgängerischen Aktivitäten
- übermäßige Inanspruchnahme durch Phantasien, Introvertiertheit
- keine engen Freunde oder vertrauensvollen Beziehungen (oder höchstens eine)
- deutlich mangelhaftes Gespür für geltende soziale Normen und Konventionen
Bestandteile der Diagnostik sind eine ausführliche Anamnese, Angehörigengespräche, der klinische Eindruck und Fragebögen. Die Testung und Vergabe der Diagnose wird in Deutschland unterschiedlich gehandhabt. Es existiert bisher (2021) kein gemeinsamer Diagnosestandard.
Differentialdiagnosen
- Autismus-Spektrum-Störung, Asperger-Syndrom
- schizotype Persönlichkeitsstörung
- paranoide Persönlichkeitsstörung
- wahnhafte Störung
- Schizophrenie
Oft erfüllen Asperger-Autisten die Diagnosekriterien der schizoiden Persönlichkeitsstörung. Eine sorgfältige Evaluation ist daher wichtig, um Fehldiagnosen zu vermeiden.
Therapie
Die Behandlung erfolgt mit kognitiver Verhaltenstherapie. Das Therapieziel ist nicht die Heilung, sondern die Verbesserung der sozialen Kompetenz, die Strukturierung des Umfeldes und die Anwendung des Erlernten im sozialen Umfeld.
Im Vordergrund des Therapiekonzeptes stehen die Psychotherapie und die Soziotherapie. Häufig kommen die Patienten nicht aus eigenem Antrieb, sondern aus sozialem Druck, weil beispielsweise die Familie Druck ausübt oder der Partner mit Trennung droht.
Eine tragfähige Beziehung zwischen dem Patienten und dem Therapeuten sollte zu Beginn der Therapie angestrebt werden, wobei nicht nur der Aufbau der Beziehung eine Herausforderung darstellt, sondern auch das Aufrechterhalten. Kann keine dauerhafte Beziehung eingegangen werden, wird die Therapie meist abgebrochen.
Eine medikamentöse Therapie ist in der Regel nur bei Komorbidität indiziert. Bei begleitender depressiver Störung setzt man Antidepressiva ein. Bei begleitender Angststörung können Neuroleptika zum Einsatz kommen. Carbamazepin und Lithium werden stabilisierende Wirkungen zugesprochen.
Komorbiditäten
Zwei Drittel aller Patienten mit Persönlichkeitsstörungen weisen weitere psychische Störungen auf. Die häufigsten assoziierten Krankheiten sind:
- Angststörungen
- depressive Störungen
- Abhängigkeitserkrankungen
Dabei ist oft schwer zu beurteilen, welche Erkrankung als primäre Störung anzusehen ist.
Weblinks
Im Vergleich zu anderen Persönlichkeitsstörungen findet man zur schizoiden Persönlichkeitsstörung leider nur wenig Informationen und Communities für den Austausch.
Literatur
- Dilling, Freyberger: Taschenführer zur ICD–10–Klassifikation psychischer Störungen, 9. aktualisierte Auflage entsprechend ICD-10-GM, Hogrefe, 2019
- Gerhard Dammann, Otto F. Kernberg (Hrsg.): Schizoidie und schizoide Persönlichkeitsstörung, Psychodynamik - Diagnostik - Psychotherapie, 1. Auflage 2019, Kohlhammer
- Cook et al: On the Continuity Between Autistic and Schizoid Personality Disorder Trait Burden: A Prospective Study in Adolescence The Journal of Nervous and Mental Disease, 2020
- Fariba et al: Schizoid Personality Disorder 2021; StatPearls, abgerufen am 09.09.2021
- MSD Manuals - Schizoide Persönlichkeitsstörung abgerufen am 09.09.2021
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