Pansentrinker (Wiederkäuer)
Synonym: Pansentrinken
Definition
Als Pansentrinker bezeichnet man Kälber, Lämmer oder Kitze, deren Panseninhalt milchigen oder käseartigen Charakter und/oder einen erniedrigten pH-Wert aufweisen. Pansentrinker müssen vom Pansentrinker-Syndrom unterschieden werden.
Nomenklatur
Mit der Bezeichnung "Pansentrinker" werden initial nur abweichende Befunde des Panseninhalts beschrieben (milchig-käsiger Pansensaft, erniedrigter Pansen-pH), jedoch keine Erkrankung an sich. Von einer klinisch manifesten Erkrankung wird erst dann gesprochen, wenn das Kalb neben den Veränderungen im Panseninhalt auch spezifische Krankheitszeichen zeigt.
Physiologie
Normalerweise kommt es während des Saugaktes aufgrund verschiedener Reflexabläufe zum Schluss der Schlundrinne (Sulcus ventriculi), sodass die abgeschluckte Milch direkt in den Labmagen (Abomasum) geleitet wird. Obwohl bei gesunden Kälbern häufig ein kleiner Teil der aufgenommenen Tränke in den Hauben-Pansen-Raum gelangt, wird diese binnen kurzer Zeit weiter transportiert, sodass es zu keinen Vergärungsprozessen kommen kann.
Ätiologie
Beim Pansentrinker gelangen größere Mengen an Milch oder Milchaustauscher in den Hauben-Pansen-Raum. Durch die dort vorherrschende Mikroflora kommt es zur Vergärung von den in der Milch enthaltenen Kohlenhydraten und zur Ausbildung verschiedener Symptome. Da das Pansentrinken nicht selbstständig auftritt, tritt eine klinisch manifeste Pansenazidose stets infolge einer Grunderkrankung oder bei artifizieller Fütterung auf, z.B.:
- Dysfunktion der Schlundrinne als Komplikation verschiedener Primärerkrankungen junger Kälber
- Zwangstränken (z.B. trinkschwacher Kälber) mittels Sonde oder Drencher
- Abomaso-ruminaler Reflux (untergeordnete Bedeutung)
Pathogenese
Durch die im Pansen anwesenden Bakterien werden die in der Milch enthaltenen Kohlenhydrate aufgespalten und vergoren. Hierbei entstehen flüchtige Fettsäuren (v.a. Essig-, Propion- und Buttersäure) sowie Milchsäure, die ein verändertes Pansenmilieu und einen erniedrigten Pansen-pH erzeugen.
Durch das azidotische Milieu wird die Pansenschleimhaut gereizt und es entwickelt sich eine umfangreiche Entzündung (Ruminitis) mit konsekutiver Hyperkeratose (proliferative Wirkung flüchtiger Fettsäuren). Der Schweregrad der Erkrankung hängt jedoch stark vom Kohlenhydratanteil, der Art der Tränkung (z.B. Drenchen) und dem Allgemeinbefinden des Tieres ab.
Klinik
Die klinische Ausprägung ist von der Schwere und Dauer der Erkrankung abhängig. Betroffene Kälber weisen häufig einen schwachen, unkoordinierten oder fehlenden Saugreflex auf. Das Haarkleid erscheint struppig und stumpf und es kommt zu flächenhaftem Haarausfall.
Durch die Fehlgärung entwickelt sich eine leichte Pansentympanie mit Plätscher- und/oder Klingelgeräuschen bei der Schwing- und Perkussionsauskultation. Der Kot hat kittartigen Charakter, die Tiere magern zunehmend ab und verkümmern. Aufgrund der schmerzhaften Entzündungen krümmen die Kälber den Rücken auf, sie knirschen mit den Zähnen und zeigen vermehrt Leer- oder auch Scheinwiederkauen.
Diagnose
Die Verdachtsdiagnose kann mittels Pansensaftbeprobung gesichert werden. Hierfür ist der Pansensaft mit einer eigens für Kälber entwickelten Sonde zu entnehmen und makroskopisch zu untersuchen. Der Pansensaft sollte dabei idealerweise zwei Stunden nach der letzten Tränkeaufnahme entnommen werden, um aussagekräftige Werte zu erhalten.
Im Falle einer Pansenazidose infolge von Pansentrinken erscheint der Pansensaft milchig-weiß bis beige, weist einen stechend säuerlichen oder gar ranzigen Geruch auf und ist wässrig bis dünnbreiig. Abhängig vom Schweregrad liegt der pH-Wert bei unter 6 und in Extremfällen sogar unter 4. Bei einer bereits bestehenden Retikuloruminitis sind oftmals auch Teile der Pansenschleimhaut sowie abgelöste Haubenleisten beigemengt.
Therapie
Die Therapie zielt auf die Behandlung der Primärerkrankung ab. Nach erfolgreicher Behandlung des gestörten Schlundrinnenreflexes normalisiert sich der Pansen-pH oftmals von alleine. Bei hartnäckigen Krankheitsfällen ist eine Pansenspülung indiziert.
Bei der Pansenspülung werden ca. 1 bis 2 Liter körperwarmes Wasser über eine Sonde in den Pansen eingegeben und anschließend wieder abgehebert. Dieser Prozess ist so oft zu wiederholen, bis die ablaufende Flüssigkeit wasserähnlichen Charakter aufweist. Pansenspülungen sollten dabei nur einmal täglich und maximal an zwei aufeinanderfolgenden Tagen durchgeführt werden.
Quelle
- Klee W, Metzner M. 2016. Ausgewählte Kapitel aus dem Gebiet der Inneren Medizin der Wiederkäuer Lehrmaterialien der Klinik für Wiederkäuer der LMU München (abgerufen am 23.03.2021)
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