Palpebra tertia (Veterinärmedizin)
Synonyme: Palpebra III, Palpebra tertia, 3. Augenlid, Nickhaut, Blinzhaut, Membrana nictitans, Plica semilunaris conjunctivae
Englisch: nictitating membrane
Definition
Als Palpebra tertia bzw. Nickhaut bezeichnet man das dritte Augenlid bei den Haussäugetieren.
Anatomie
Im Gegensatz zum Menschen besitzen Haussäugetiere drei Augenlider:
- Ein oberes Augenlid, Palpebra superior (Oberlid),
- ein unteres Augenlid, Palpebra inferior (Unterlied) und
- ein drittes Augenlid: Palpebra tertia (Nick- bzw. Blinzhaut).
Das obere und untere Augenlid schmiegt sich jeweils der freien Bulbusvorderfläche dicht an. Zusammen begrenzen sie mit ihren Rändern die Lidspalte (Rima palpebrarum). Bei geöffneter Lidspalte erkennt man vom 3. Augenlid nur einen schmalen und halbmondförmigen - beim Pferd meist pigmentierten - Saum, der am medialen Augenwinkel (Angulus oculi medialis) in die Lidspalte vorragt.
Knorpel
Die Nickhaut wird von einer nahezu senkrecht stehenden Bindehautfalte (Plica semilunaris conjunctivae) gebildet, die von einem Knorpel (Cartilago palpebrae III, Blinzknorpel) gestützt wird.
Der Blinzknorpel besteht teils aus hyalinem (Hund, Wiederkäuer), teils aus elastischem (Pferd, Katze, Schwein) Knorpel und besitzt mehr oder weniger ankerförmige Gestalt. Der Stiel ist dabei verschieden lang und tierartlich unterschiedlich geformt und ragt über den Grund des Bindehautsacks hinaus - tief in die Orbita hinein. Durch die ihn umschließende oberflächliche Nickhautdrüse (Glandula palpebrae tertiae superficialis) erscheint der Stiel des Blinzknorpels kolbenartig verdickt. Beim Schwein und selten auch beim Rind kommt zudem noch eine tiefe Nickhautdrüse (Glandula palpebrae tertiae profunda) vor. Die Ausführungsgänge beider Drüsen münden an der Bulbusfläche der Nickhaut - in der Nähe des Bodens des Bindehautsackes.
Der freie Nickhautrand wird durch eine Querleiste, die am distalen Ende des Blinzknorpelstiels aufsitzt, gestützt. Diese Knorpelleiste ist tierartlich unterschiedlich ausgeprägt und weist beim Rind und Schwein Ankerform, beim Fleischfresser und Schaf Mondsichelform und beim Pferd eine pfriemenförmige Gestalt auf.
Muskel
Bei der Katze geht aus der Faszienscheide des Musculus retractor bulbi ein glatter Muskel hervor. Eine Lamelle dieses Muskels zieht ins untere Augenlid, wohingegen ein zweiter Anteil in den unteren Teil der Nickhaut einstrahlt. Ein ebenso glatter Muskel - der jedoch mit dem Musculus rectus bulbi medialis in Verbindung steht - verhält sich in ähnlicher Weise: ein Anteil zieht zum oberen Augenlid, ein weiterer Anteil verläuft in den dorsomedialen Teil der Nickhaut.
Beide Muskeln sind sympathisch über Fasern des Nervus nasociliaris, Nervus infratrochlearis und Nervus zygomaticus innerviert. Bei Kontraktion erfolgt eine Retraktion der Nickhaut.
Klinik
Bei mechanischem Druck auf den Augapfel oder wenn dieser durch Kontraktion des Musculus retractor bulbi in die Orbita zurückgezogen wird, fällt das dritte Augenlid über die Kornea hinweg passiv vor. Dieser physiologische Vorfall kann durch gezielten Druck auf das obere Augenlid (Druck auf den oberen Bulbusanteil) genutzt werden, um die Schleimhautqualität des dritten Augenlides festzustellen.
Ein aktiver oder auch passiver Nickhautvorfall (Prolapsus membranae nicitantis) wird bei den Haussäugetieren häufig als Symptom von zahlreichen okulären oder allgemeinen Erkrankungen festgestellt, wie z.B. bei einem Enophthalmus infolge einer Bulbusverkleinerung, okulärem Schmerz oder bei einer Nervenlähmung nach Gebrauch von Neuroleptika oder Hyptonika. Ein Ausfall des Sympathikus kann ebenso zu einem Nickhautvorfall führen.
Literatur
- Nickel, Richard, August Schummer, Eugen Seiferle. Band IV: Nervensystem. Lehrbuch der Anatomie der Haustiere. Parey, 2004.
- Salomon, Franz-Viktor, Geyer, Hans, Gille, Uwe. Anatomie für die Tiermedizin. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. Enke-Verlag, 2008.
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