Spinale Muskelatrophie Typ Hirayama
Synonyme: benigne fokale Muskelatrophie, juvenile distale segmentale Muskelatrophie, monomelische spinale Muskelatrophie, monomelische Amyotrophie, benigne fokale Amyotrophie, Hirayama-Krankheit
Definition
Die spinale Muskelatrophie Typ Hirayama ist eine distale segmentale Form der spinalen Muskelatrophie (SMA) der oberen Extremität.
Epidemiologie
Die SMA Typ Hirayama ist eine seltene Erkrankung mit weniger als 400 beschriebenen Fällen. Sie tritt meist sporadisch in Asien auf. Betroffen sind insbesondere Männer zwischen 15 und 30 Jahren. In Einzelfällen wurde ein familiäres Auftreten beschrieben.
Ätiopathogenese
Die genaue Ursache der SMA Typ Hirayama ist derzeit (2020) unklar. Bei einigen Patienten konnten Deletionen im SMV-Gen gefunden werden. Risikofaktor ist evtl. eine SMN1- und SMN2-Haploinsuffizienz. Auch eine Verlagerung des zervikalen Duralsacks nach vorn mit Kompression des Myelons wird diskutiert, sodass es sich evtl. um eine Sonderform der zervikalen Myelopathie handeln könnte. Auch ein Zusammenhang mit primären Motoneuronerkrankungen (z.B. als Sonderform der amyotrophen Lateralsklerose) ist denkbar.
Elektrophysiologisch und histologisch findet sich ein chronisch-neurogener Umbau der Muskulatur. Neuropathologisch sieht man einen Verlust der Vorderhornzellen im unteren Zervikalmark.
Klinik
Die monomelische SMA manifestiert sich in Form von schmerzlosen, langsam progredienten, schlaffen Paresen und Atrophien in einer Extremität (meist Hand und Unterarm). Dabei wirkt der Unterarm distal flaschenhalsförmig verjüngt. In ca. 3 % der Fälle werden bilaterale Symptome beobachtet. Die Patienten berichten über eine Verschlechterung der Symptome bei Kälteexposition. Sensibilitätsstörungen fehlen meist; Reflexanomalien oder Faszikulationen treten nicht auf. Seltene Symptome sind Zyanose und Livedo reticularis sowie eine Hyperhidrose der betroffenen Hand.
Es existieren auch Fallberichte über Patienten mit analogen Symptomen an den Beinen. Einige Patienten zeigen einen Befall der Schultermuskeln. Ob es sich hierbei um Sondergruppen handelt oder um eigene Krankheitsentitäten, ist derzeit (2020) unklar und hängt von diagnostischen Prämissen ab, wie z.B. der Kompression des Zervikalmarks (Duchenne-Aran-Erkrankung).
Nach weniger als 5 Jahren kommt es meist zu einem Stillstand der Erkrankung. Eine erneute Progredienz nach mehreren Jahren kann in seltenen Fällen vorkommen.
Diagnostik
Bei Vorliegen von typischen Symptomen einer SMA Typ Hirayama sind weitergehende Untersuchungen notwendig:
- Elektromyografie (EMG): neurogenes Muster, normale Nervenleitgeschwindigkeit
- Muskelbiopsie: gruppierte Faseratrophie mit Fasertypengruppierung
- Liquordiagnostik: leichte Erhöhung der Proteinkonzentration in 50 % der Fälle
- Magnetresonanztomographie (MRT) oder Computertomographie (CT): ggf. Myelonkompression, Ausschluss von Differenzialdiagnosen
Differenzialdiagnosen
- Karpaltunnelsyndrom, Ulnarisrinnensyndrom: gestörte Sensibilität und Nervenleitgeschwindigkeit
- Syringomyelie: dissoziierte Sensibilitätsstörung, Diagnose durch MRT
- postpoliomyelitische SMA: Anamnese
- spinaler Tumor: MRT
- zervikaler Bandscheibenvorfall: MRT
Einzelne Patienten entwickeln nach Bestrahlung des Spinalmarks oder des Nervenplexus ein ähnliches Syndrom. Die Anamnese gibt die entscheidenden Hinweise. Schwierig ist die Abgrenzung von sporadischen Fälle anderer spinaler Muskelatrophien. Bei Erkrankung anderer Familienmitglieder kommt v.a. die autosomal-dominante distale SMA in Betracht.
Therapie
Die spinale Muskelatrophie Typ Hirayama kann derzeit (2020) nicht kausal behandelt werden. Das Tragen einer Halskrause in den Anfangsstadien kann in einigen Fällen die Progredienz aufhalten. Hilfreich sind weiterhin physiotherapeutische Übungen.
Literatur
- Hopf HC. Gutartige distale Muskelatrophie Typ Hirayama, Akt Neurol 2010; 37(3): 148-150, abgerufen am 02.06.2020