Kardiale Kontraktilitätsmodulation
Synonym: CCM
Englisch: cardiac contractility modulation
Definition
Die kardiale Kontraktilitätsmodulation, kurz CCM, ist ein apparatives Verfahren zur Therapie der mäßigen bis schweren linksventrikulären systolischen Herzinsuffizienz (NYHA-Stadium II-IV).[1][2][3]
Hintergrund
Über eine Elektrode im Bereich des Ventrikelseptums wird durch einen Herzschrittmacher in der absoluten Refraktärphase der Herzerregung eine Stimulation durchgeführt. Dieser nicht-exzitatorische Reiz führt nicht zu einer Muskelkontraktion, sondern soll den Kalziumstoffwechsels der Myozyten beeinflussen und damit die Kontraktion des Herzmuskels verbessern.
Wirkmechanismus
Im Gegensatz zu kardialen Rhythmusimplantaten wie ICD, CRT und herkömmlichen Herzschrittmachern soll die Wirkung der CCM nicht auf der unmittelbaren Veränderung der elektrischen Herzaktion beruhen. Stattdessen soll eine nachhaltige Stärkung der kardialen Kontraktilität durch Applikation spezieller elektrischer Signale während der absoluten Refraktärzeit der Kardiomyozyten erfolgen. Dadurch soll es zu einem vermehrten Kalziumeinstrom in die Herzmuskelzellen kommen, der über verschiedene intrazelluläre Prozesse wie die vermehrte Phosphorylierung von kardialem Phospholamban zu einer Verlängerung des Aktionspotentials und einer Verstärkung der Kontraktion führen soll. Innerhalb von Minuten soll es zu einer Normalisierung der bei Herzinsuffizienz veränderten genetischen Expression und zu einem reversen Remodelling (Re-Remodelling) der pathologisch veränderten Kardiomyozyten in Richtung auf eine Normalisierung der zellulären Prozesse kommen.[4] Reverses Remodelling und Normalisierung des Zellstoffwechsels bleiben dabei nach Aussage einiger Autoren nicht auf den Ort der eigentlichen Signalapplikation beschränkt, sondern breiten sich mittelfristig auch in elektrodenferne Bereiche der Herzmuskulatur aus.[5],[6]
Aufbau von CCM-Geräten
CCM-Geräte sind grundsätzlich analog zu kardialen Rhythmusimplantaten aufgebaut[7]:
- Ein etwa Streichholzschachtel großer implantierbarer Pulsgenerator (IPG) erzeugt die CCM-Signale. Der IPG enthält sowohl die Steuerungselektronik als auch die induktiv durch die Haut aufladbare Batterie als Energiequelle. Der IPG wird wie ein kardiales Rhythmusimplantat im Bereich des Schlüsselbeins subkutan eingepflanzt.
- Drei handelsübliche Schrittmacherelektroden stellen die elektrische Verbindung zum Herzen her. Dabei dient eine im rechten Vorhof platzierte Elektrode zur Ableitung des Herzrhythmus, während die beiden anderen, im Bereich des Septum interventriculare positionierten, Elektroden der eigentlichen Signalapplikation dienen.
- Die Energieversorgung des IPG erfolgt über ein berührungslos induktiv arbeitendes Batterieladegerät, das von den Patienten nach Einweisung selbständig bedient wird. Pro Woche ist eine Ladezeit von etwa 1 Stunde erforderlich.[8]
- Mit Hilfe einer ebenfalls induktiv arbeitenden Programmiereinheit werden die Basiseinstellung und spätere Therapieanpassungen am IPG vorgenommen. Dabei können sowohl die tägliche Dauer der CCM-Therapie als auch die Stärke der CCM-Signale auf die Bedürfnisse und eventuelle Beschwerden der Patienten abgestimmt werden. Änderungen der Programmierung werden ausschließlich durch den behandelnden Kardiologen vorgenommen.
CCM-Signale
CCM-Signale werden während der absoluten Refraktärzeit der Herzmuskelzellen verabreicht. Die Signale bestehen aus zwei biphasischen Ausschlägen mit einer Amplitude von ± 7,5 V und einer Gesamtdauer von etwa 30 ms. Die Applikation erfolgt etwa 30 ms nach Beginn des QRS-Komplexes. Der Energiegehalt von CCM-Signalen ist erheblich höher als der von Signalen kardialer Rhythmusimplantate und macht es für die Patienten erforderlich, die IPG-Batterie etwa wöchentlich aufzuladen.[3]
Implantation
Die Implantation von CCM-Geräten erfolgt grundsätzlich nach dem gleichen Verfahren wie bei kardialen Rhythmusimplantaten. In Lokalanästhesie werden der IPG im Bereich der Clavicula subkutan verankert und die Elektroden im Herz positioniert. Nach dem Eingriff verbleiben die Patienten jedoch zumeist noch für einige Tage zur Beobachtung und Schulung im Umgang mit dem Batterieladegerät in der Klinik. Die ambulante Betreuung erfolgt gewöhnlich durch niedergelassene Kardiologen.[5]
Wartung
Abgesehen vom regelmäßigen Aufladen der Gerätebatterie [8]) und dem operativen Austausch der Batterie nach Ablauf der Betriebszeit sind CCM-Geräte wartungsfrei. In gewissen Abständen, die der behandelnde Arzt festlegt, ist jedoch eine Kontrolle der Gerätefunktion und gegebenenfalls eine Anpassung der Geräteeinstellung durch den Kardiologen vorgesehen.[8]
Indikation
CCM-Geräte sind für die Behandlung von Patienten ab 18 Jahren zugelassen, die trotz medikamentöser Therapie aufgrund einer linksventrikulären systolischen Dysfunktion (LVSD) an Beschwerden einer Herzinsuffizienz leiden.[2][3]
Welche Patientengruppen in besonders hohem Maße von der CCM profitieren, ist derzeit Gegenstand der Forschung. Gemäß einer retrospektiven Subgruppenanalyse scheinen Patienten der NYHA-Klasse III mit einer linksventrikulären Ejektionsfraktion) ≥ 25 % überdurchschnittlich gut auf die CCM anzusprechen.[1][9]
Die Behandlung mit der kardialen Resynchronisationstherapie (CRT) ist auf Herzinsuffizienz-Patienten mit verlängertem QRS-Komplex (QRS-Dauer > 120 ms) beschränkt. Diese Patientengruppe macht jedoch nur etwa ein Drittel aller Herzinsuffizienz-Patienten aus. Zwei Drittel der Patienten hingegen stehen bei ausgeschöpfter medikamentöser Versorgung somit nur noch die hochinvasiven Optionen einer Behandlung mit linksventrikulären Unterstützungssystemen (LVAD) und die Herztransplantation zur Verfügung. Da sich die CCM im Gegensatz zur CRT auch zur Behandlung von Patienten mit nicht-verlängertem QRS-Komplex (QRS-Dauer ≤ 120 ms) eignet, könnte das Verfahren daher eine therapeutische Lücke in der gerätebasierten Herzinsuffizienz-Behandlung schließen.[10][3][5][2][7][3]
Kontraindikation
Die CCM ist von einem ausreichend klar definierten elektrischen Vorhofsignal abhängig, über das die absolute Refraktärzeit der Herzmuskulatur ermittelt und die Abgabe der CCM-Signale getriggert werden. Permanentes oder wiederholt länger anhaltendes Vorhofflimmern oder -flattern, höhergradige Extrasystolie sowie ein erheblicher AV-Block stellen deshalb die häufigsten und wichtigsten Kontraindikationen der CCM dar.[11]
Studien haben gezeigt, dass eine CCM-Behandlung auch parallel zur Therapie mit einem Herzschrittmacher oder einer CRT-Therapie mit und ohne gleichzeitigem ICD-Einsatz erfolgen kann, ohne dass es zu einer wechselseitigen Beeinträchtigung der Behandlungsverfahren kommt. [3]
Studienlage
Das Verfahren wurde in einigen klinischen Studien[2] getestet, darunter drei randomisiert-kontrollierte Studien[12][13][14] sowie eine Single-Center-Studie zur Langzeit-Überlebenszeit[15]. Es konnte aber bisher keine breite klinische Akzeptanz erreichen.
Eine Metastudie kam zu dem Ergebnis, dass die CCM wichtige Marker der Herzleistung signifikant verbessert, darunter
- die maximale Sauerstoffaufnahme im kardiopulmonalem Belastungstest (peak VO2, pVO2), die auf ein längeres Überleben der Krankheit hinweist[16],
- das Ergebnis im sogenannten 6-Minuten-Gehtest sowie
- die Lebensqualität der Patienten, gemessen über den Minnesota Living with Heart Failure Questionnaire (MLWHFQ).
Die derzeit einzige (Stand: August 2015) vorliegende Studie zur Langzeit-Überlebenszeit unter CCM-Therapie kam auf Basis der Daten von 81 Patienten der NYHA-Klassen II bis IV an der Universität Mannheim und einem Beobachtungszeitraum von durchschnittlich 3 Jahren zu dem Schluss, dass die beobachtete Sterblichkeit unter CCM-Therapie die Vorhersage des Metaanalysis Global Group in Chronic Heart Failure (MAGGIC)-Modells[17] nach einem Jahr signifikant und nach drei Jahren mit deutlichem Trend unterschritt. Die CCM-Behandlung verbesserte zudem die Lebensqualität, physische Belastbarkeit, die NYHA-Klasse, die linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF) und das Brain Natriuretic Peptide (BNP).[15]
Eine große Zahl von Einzelstudien[18],[12],[19],[20],[13],>[21],[14] haben sich dem Wirkmechanismus, der Sicherheit und verschiedenen Aspekten der Wirksamkeit der CCM-Therapie gewidmet und Wirkeffekte nachgewiesen.
Nebenwirkungen
Die häufigste Nebenwirkung der CCM-Therapie ist in Analogie zur Behandlung mit kardalen Rhythmusimplantaten der Bruch oder die Verlagerung der CCM-Elektroden.[14] Beobachtet wurden darüber hinaus auch Infektion und Blutungen an der Implantationsstelle des Impulsgenerators sowie Perikardergüsse, deren Häufigkeit und Spektrum sich gleichfalls nicht von der Behandlung mit kardialen Rhythmusimplantaten unterschied.[13],[16] Aktivierung bzw. Deaktivierung der CCM hatten keinen Einfluss auf Art oder Häufigkeit der Nebenwirkungen.[10]
CCM-Behandlung im Alltag
Hinsichtlich der Gefährdung von Patienten mit CCM-Implantat im Alltag sind die gleichen Vorsichtsmaßregeln zu beachten, die auch für kardiale Rhythmusimplantate gelten. Diese betreffen insbesondere den Anstand von elektrischen Geräten und Mobiltelefonen[22],[23], Vorsichtsmaßnahmen beim Sport[24] sowie MRT-Untersuchungen[25].
Kostenübernahme
Die CCM-Behandlung wird in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Italien sowohl von den gesetzlichen als auch von den privaten Krankenversicherungen übernommen.[26]
Referenzen
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